Und ich auch. 😳 Aber ich kann nicht anders. Dass KI-Modelle zum Programmieren benutzt werden ist ja nichts neues. Nun wird das Ganze aber erwartungsgemäß auf die Spitze getrieben und hat einen Namen bekommen: „Vibe Coding“. Ein Trend ist geboren – aber kein guter?
Vibe Coding?
Vibe Coding bezeichnet einen Trend, bei dem Code ausschließlich oder zum überwiegenden Teil durch KI-Modelle generiert wird. Die Anwender:innen geben also ein paar Prompts ein und testen (vielleicht) den Code. Tut er nicht auf Anhieb das, was sie wollen, wird der verworfen und danach beginnt das Spiel von vorn. Also stetig per trial-and-error neuen Quatsch generieren lassen bis es möglichst nah an das erwartete Ergebnis rankommt. Oder irgendwas witziges tut, was man dann in Social Media teilen muss. 😖 Das ist meine Beschreibung. Die englischsprachige Wikipedia formuliert das durchaus wohlwollender:
„Vibe coding (also vibecoding) is an AI-dependent programming technique where a person describes a problem in a few sentences as a prompt to a large language model (LLM) tuned for coding. The LLM generates software, shifting the programmer’s role from manual coding to guiding, testing, and refining the AI-generated source code.“
https://en.wikipedia.org/wiki/Vibe_coding, Stand: 13.04.25
Programmieren oder so
Natürlich war meine Beschreibung ironisch bis in die Fußspitzen. Aber nicht weniger wahr als die Formulierung der Wikipedia. Was dort auch steht ist, dass es vorrangig von Amateur-Programmierer:innen benutzt wird und gut zum Lernen sein soll.
Andrej Karpathy hat den Begriff im Februar das erste Mal auf „X“ (🙄) verwendet und damit den Trend geprägt. (Quelle + Wiki, s.o.) Er ist einer der OpenAI-Gründer und sagte im selben Atemzug, dass Vibe Coding nett zur Umsetzung eines Wochenendprojekts ist und Spaß macht. Also Spaß auf die „Haha, guck mal was da rausgekommen ist“-Art. Nun bleibt es ja aber nicht bei just for fun und I LOLed.
Social Media wurde im März und April mit „Guckt mal, was ich gemacht habe“-Posts überschwemmt. Wofür Vibe Coding offensichtlich schon gut ist: jemandem ein positives Gefühl geben. Den Eindruck vermitteln: hey, ich habe was programmiert. Vielleicht kann Vibe Coding damit ja was Gutes – Menschen zeigen, dass es echt ein geiles Gefühl ist, wenn man etwas programmiert hat und das funktioniert. Kleiner Haken jedoch … man hat es ja eigentlich nicht (selber) programmiert. Was LLMs immer noch tun ist halt die wahrscheinlichsten Ergebnisse für eine Anfrage/ein Problem/einen Prompt aneinanderreihen. Und das kann halt sehr random werden.
Nur noch Code Reviews, Freunde!
Zwar befinde ich mich gerade in Elternzeit und programmiere eher wenig nichts, aber so ziemlich alle mir nahestehenden Software-Entwickler:innen leiden unter Vibe Codern. Oder viel mehr dem Ergebnis derer. Denn es bleibt nicht bei witzigen Wochenendprojekten. Wer von seinen Auftraggeber:innen oder der Firma keinen Riegel vorgeschoben bekommt, benutzt KI-Modelle wohl auch für Produktionscode. 🥲 Der landet dann immerhin wenigstens mal in Code Reviews, wo aufmerksame Kolleg:innen dann stutzig werden und sich fragen: was ist mit unseren Coding Guidelines? Warum sieht das so anders aus? Warum steht da ein Passwort drin? Warum importierst du so viele unnütze Dependencies? Warum, warum, warum. Für Senior Entwickler:innen ist das Leben gerade etwas härter geworden.
Das soll kein Vorwurf sein. 🤔 (Naja. Ein bisschen schon. Wait for it.) Wir wären keine Informatiker, wenn wir nicht stets versuchen würden (uns) das Leben etwas einfacher zu machen, oder? Mit einem meiner ersten Java-Code-Snippets habe ich damals das Erledigen meiner Mathe-Hausaufgaben beschleunigt, also … . 😏 Auf Stack Overflow nach einem Problem und der Lösung zu suchen ist quasi 20% des Jobs. Wenn man den Code dort copy pasted gehört dazu aber auch zu lesen, was das tut, anzupassen, zu testen, etc. Wir sind auch Informatiker, weil wir wissen, dass es nach hinten losgehen kann, wenn wir nicht gut prüfen, was wir da tun. Hoffentlich wissen das Vibe Coder auch.
Hält sich das?
Ja, wahrscheinlich schon. Der beste Ausgang ist wohl, dass Leute dadurch tatsächlich zur Programmierung finden. Wissen wollen, was ihr Modell da fabriziert hat, was der Code macht und wie es funktioniert. Oder dass Leute exzessiv Modelle benutzen, um zu lernen, statt sich auf dem Output auszuruhen. Erst vor einer Weile schrieb Ana Rodrigues, dass sie Webdesign lernte, indem sie den Quelltext von Webseiten angeschaut hat. Warum nicht? Das wäre dann allerdings auch kein Vibe Coding mehr. 😉 Ob ich so optimistisch bin, dass das wirklich so passiert? Nun ja, ich habe da oben darüber geschrieben, dass Informatiker es sich gern einfach machen, also … .
Die Nachteile des Vibe Coding liegen aber sehr deutlich vor uns. Vor einer Weile schon habe ich mich darüber aufgeregt, dass generierter Code Fachidiotentum fördert. Und gesagt, dass es nicht das ist, was wir brauchen angesichts der stetig höher werdenden Komplexität von Softwareentwicklung. Was mich darüber hinaus an Vibe Coding ärgert ist, dass es den wirklich spaßigen Teil aus der Gleichung nimmt. Nämlich Programmieren als kreative Arbeit.
Es könnte das Bild verzerren wie lange es dauert Software zu schreiben, die Standards, Best Practices, Sicherheitskriterien und guter Usability genügt. Wenn wir alle nur noch Plastik-Code (so nenne ich Vibe Coding Ergebnisse, weil sie nicht auf Nachhaltigkeit durchdacht sind) produzieren, entfällt diese sorgfältige und kreative Arbeit. Ich will nicht dahinkommen mir nur noch doofen Plastik Code in Code Reviews anzugucken und mich ärgern zu müssen, dass da jemand kaum weniger als einen müden Wimpernschlag an Arbeit und Gehirnschmalz investiert hat. Ich schätze Code Reviews, aber ich bin nicht Softwareentwicklerin geworden, um nur noch Code Reviews zu machen, weil von allen erwartet wird schnell Code zu generieren und sich damit zufrieden zu geben. Siehe dazu auch die Anekdoten in der Episode „Meine Bücher trainieren KI – und keiner hat gefragt!“ 😠📚Mit Lena Falkenhagen aus dem Frauen und Technik-Podcast. Tatsächlich hoffe ich aber, dass viele Arbeit- und Auftraggeber:innen so helle sind zu sagen: mit meinem Produkt nicht. Denn man muss sich schon überlegen, ob man Business Details in ein KI-Modell eingeben will, das am Ende auf einem US-Server gespeichert wird.
Wir als Menschheit sind so schlecht. Warum gibt es keine KI, die mir die wirklich ätzenden Dinge abnimmt. Meinen Haushalt für mich schmeißt. Warum muss sie mir die tollen Dinge wegnehmen, die ich selber machen will? Mimimimi. Und in welchen Lebenslagen nimmt euch die KI schöne Dinge weg? Habt ihr schon Vibe Coding gemacht? Seht ihr das vielleicht alles ganz anders als?
Netzgeflüster ist eine Kategorie meines Blogs in der ich mich immer zwischen dem 10. und 15. eines jedes Monats Themen aus IT, Forschung, Netzwelt und Internet widme genauso wie Spaß rund um die Arbeit mit Bits und Bytes. 🙂
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