Der Kinobesuch liegt zwar schon 2 Wochen zurück, aber das Kinoerlebnis war so außergewöhnlich, dass ich trotz der Verzögerung darüber berichte. Und die Wartezeit war ganz schwierig, auf der einen Seite bin ich zwar froh, dass das Kino den Film dann doch noch gezeigt hat, aber ich war zwischendurch schon mächtig hibbelig. Immerhin fiebere ich dem Film seit dem ersten Trailer entgegen … ach was, seitdem ich das erste Mal darüber gelesen habe! Wenn das mal nicht der Informatikerfilm ist …
Worum gehts?
… Man verliebt sich in Maschine. Das ist nicht ganz richtig. Besser gesagt: Mann verliebt sich in Betriebssystem, also Software. Damit wäre das, was Theodore Twombly (Joaquin Phoenix) widerfährt, vielleicht noch schwerer greifbar. Theodore ist eine Art Ghostwriter für Briefe zu allen Anlässen. Ob Hochzeitstag oder Liebesbrief – er ist ein sehr empathischer Mensch und seine Werke sind eine Kunst für sich. Trotz oder gerade wegen seines Einfühlungsvermögens ist er furchtbar einsam und sein Alltag wirkt grau. Die Trennung von seiner Frau nagt an ihm. Eines Tages beschließt er sich das neue Betriebssystem OS One zuzulegen, das sich an den Nutzer anpasst und personalisieren läßt und als Künstliche Intelligenz beworben wird. Sein Betriebssystem nennt sich selbst Samantha. Beide kommunizieren oft über sein Headset, ein Handheld-Device oder den PC – sie ist immer da. Und trotz Theodores anfänglicher Angewöhnungsschwierigkeiten wird Samantha für ihn bald ein wichtiger Ankerpunkt. Ist die Beziehung der Beiden überhaupt möglich und wo führt das hin? Gibt es eine Zukunft für einen Mann aus Fleisch und Blut mit einer virtuellen, körperlosen Entität?
Hintergrund
Spike Jonze ist schon ein Typ – arbeitet unter verschiedenen Pseudonymen, ist auch mal als Schauspieler zu sehen (in The Wolf of Wall Street!? Hatte eigentlich nicht vor den Film nochmal zu schauen, aber um ihn zu suchen – das wär’s wert), hat viele viele Musikvideos gedreht und einige Klassiker wie „Being John Malkovich“ in seiner Filmografie. Und einfach mal für „Her“ einen Oscar gewonnen, er hat das „beste Originaldrehbuch“ beigesteuert. Heißt: nicht nur die Inszenierung geht auf sein Konto, sondern auch die sehr interessante und schonungslos konsequent durchgesetzte Handlung zu verantworten. Und da werden wirklich einige Motive behandelt, auf die der aufmerksame Zuschauer wartet. Dazu kommt außerdem die perfekt durchgestylte Welt (Los Angeles?) in der „Her“ spielt. In den Straßen gibt es wunderbare Einigkeit und keine Abweichungen irgendeiner Art – keine gewalttätigen Auseinandersetzungen, kenner Obdachlosen, ja nicht einmal etwas Müll oder Schmutz ziert die Straßen. IT und Infrastruktur fügen sich nahtlos in den Alltag ein und überall setzen sich kleine künstlerische Details in der Umgebung ab. Die Mode wird charakterisiert von kleinen Details wie einem Hosenbund, wallenden, leichten Stoffen – locker, causal. Alles ist unheimlich attraktiv, ruhig und friedlich. So, dass man sich fast fragen muss, warum irgendjemand dort unglücklich sein könnte? Aber anhand Theodore wird wunderbar die Anonymität und Geschäftigkeit dieser Welt skizziert und man denkt: ein near-future-setting?
Fazit
Her ist ein wunderbarer, stiller, melancholischer Film, der fast komplett „rund“ wirkt. Theodores Melancholie, Samanthas im Original und in der Synchro wunderbar warme Stimme, das oben geschilderte spezielle und allumfassende Design und vor Allem das Drehbuch sind Stoff, der im Kino überzeugt und auch noch lange danach. So manches Zitate ging mir nicht aus dem Kopf, genauso wie die zurückbleibenden Fragen und „was-wäre-wenns“. Genauso wie die Frage über die Machbarkeit und solche IT-Begriffe wie den Turing-Test, den Samantha wohl bestehen würde. Das Gesamtpaket des Films weist damit eine gewisse Schonungslosigkeit auf, wenn wir zum Beispiel bei schwarzem Bildschirm im Kino akustisch Zeuge von Man/OS-Sex sind. Dabei ist Joaquin Phoenix im Prinzip fast der einzige Darsteller und alle anderen haben nur sehr kleine Nebenrollen – es wirkt wie eine One-Man-Show, undzwar eine sehr gute. Man wird unweigerlich in die Welt hineingezogenen, reizt zusammen mit Theodore und Samantha die Grenzen der Beziehung aus, sich immer wieder fragend „kann das gutgehen?“ Somit habe ich mich keine Minute gelangweilt, denke aber, dass es nicht geschadet hätte, sich nicht nur auf Theodores kleine Welt zu konzentrieren, sondern auch einen Blick auf andere Menschen außer seine Nachbarin zu werfen. Deswegen gibts etwas Abzug. Zum Schluss noch ein kleines Zitat aus dem Film:
The heart is not like a box that gets filled up; it expands in size the more you love. I’m different from you. This doesn’t make me love you any less. It actually makes me love you more.
(9/10)
Habt ihr den Film gesehen und was waren eure Gedanken dazu? Habt ihr den Ausgang erwartet? Wie hat euch das Design der Film-Welt gefallen? Und würdet ihr euch OS One holen? Denkt ihr, dass ihr eine ähnlich enge Beziehung zu dem Betriebssystem aufbauen würdet wie Theodore oder seine Freundin und Nachbarin Amy? Haltet ihr das ganze für möglich?
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