„Penny Dreadful“ Season 1 Diskussion und Erwartungen an Season 2

Bei Serien, die ich sehr spannend und als sehr besonders empfand, mache ich ja gerne einen Artikel mit Spekulationen und möchte mit euch diskutieren, was wir da gesehen haben und was eventuell noch kommen wird. So auch diesmal bei Penny Dreadful Season 1. Im Gegensatz zu meiner kleinen Review im Zeichen des shOKTOBER wird es in diesem Artikel nur so Spoiler hageln – also: betreten auf eigene Gefahr.

Überraschung? Überraschung!

Von Anfang an, war ich sehr neugierig auf die Serie. Meine einzigen Zweifel waren, dass die Versprechen vielleicht nicht so ganz gehalten werden können: düster, twisted, Neuinterpretationen. Nach einer Weile dachte ich sogar, mich erwartet sowas wie eine Serienausgabe von „Die Liga der außergewöhnlichen Gentleman“. Wir erinnern uns, da gab es auch eine Mina und einen Dorian. Als ich dann den ersten Trailer sah, der glaube ich Vanessa/Eva Green zentrierte, hatte ich ein anderes Bild. Typecasting, Sex sells? Und als die Serie in irgendeiner Review als psychosexuell beschrieben wurde, sah ich meine Idee bestätigt und dann verliere ich schnell das Interesse. Insgesamt ist der Cast alleine aber schon ein Argument: Timothy Dalton! Eva Green! Josh Hartnett! Billy Piper! Bloß gut, dass ich die Serie doch noch angeschaut habe, das war nämlich für mich eine richtig richtig positive Überraschung.

Das fängt schon bei den Wendungen der Serie an. Ich konnte mich ehrlich nicht mehr erinnern, dass Dr. Victor Frankenstein auch zentriert werden würde – vielleicht wurde es angekündigt, ich wusste es jedenfalls nicht oder nicht mehr. Und haltet mich jetzt bitte nicht für beschränkt, aber ich habe es nicht geahnt. Erst als er in seinem Labor stand und da der lag, den wir später als Proteus kennenlernen würden. 😀 Das ist der nächste Punkt. Ich meine … Proteus, bitte!? Das war eine der Wendungen, die mich am allermeisten umgehauen hat. Ich fand es sehr rührend wie Proteus und Vicky agiert haben und habe Proteus richtig schnell ins Herz geschlossen. Und dann …. Auftritt Caliban. PROTEEEEUUUUUS!!!!!???? NEIN!!!!! 👿 Bitte … ich fand Caliban einfach nur unendlich grausam und habe selten einen Seriencharakter so gehasst wie ihn in dem Moment. Andererseits war die Wendung auf üble Art auch wieder richtig gut. Denn: wer hat geahnt, dass Proteus evtl. nicht Vickys erste Schöpfung ist? Ich habs nicht geahnt.

Einige Vermutungen haben sich ja aber relativ schnell bestätigt. Dass Mina die Mina Harker aus Bram Stokers Dracula ist beispielsweise. Was mit Ethan Chandler (Josh Hartnett) abgeht, haben wir uns doch alle gedacht, oder? Aber haben wir nicht alle gehofft, dass er ein nettes Monster ist und bestimmt rein gar nichts mit den Morden zutun hat? Wir wissen es ja nicht mit 100%iger Genauigkeit, aber seine Flashbacks sprechen schon dafür. Insbesondere die Flashbacks, als er sich mit Dorian vielleicht einen Absinth zuviel hinter die Binde kippt. Eine weitere bestätigte Vermutung ist die mit dem Sex sells. Muss man ja mal sagen – sie haben nicht mit Reizen gegeizt. Wobei ich gar nicht mal erwartet hätte, dass Dorian und Chandler …. o la la. 🙂 Aber kommen wir nochmal zurück zu dem Punkt mit „Die Liga der außergewöhnlichen Gentleman“. Mal ehrlich … Sir Malcolm hat schon irgendwie was von Quatermain, oder?

Monster ist nicht gleich Monster

Während ich die Vampire beispielsweise gar nicht mal so stark fand, erachte ich unsere Crew als umso stärker. Das sind schon ein paar getriebene, düstere Gestalten. Manchmal bekommt man den Eindruck, dass sie selbst ihr schlimmster Albtraum sind. Was ich aber sehr innovativ finde: sie sind keine Liga der außergewöhnlichen Gentleman geworden, sie erzählen sich nicht gegenseitig von ihren Dämonen oder Fähigkeiten und heulen rum. Sie sind kein strahlender Superhelden-Club. So bleibt wieder das was Filme und Serien lange vernachlässigt haben. Der Überraschungsmoment. Und der wird gewaltig. Wenn Broda die Braut von Caliban wird, wenn das Ethan rauskriegt? Und wie ergehts dann wohl Dr. F.? Oder wie guckt Vanessa, wenn sie erfährt was mit Dorian ist? Die Gefahr ist immer da, ganz nah und das hat einen besonderen Reiz.

Außerdem muss ich hier auch mal würdigen wie visuell atemberaubend ich die Serie fand. Schöne, friedliche Szenen wie die von Vicky und seiner Mutter schlagen schnell um. Symbolik, perfekte Kostüme, gutes Timing. Außerdem finde ich die schauspielerischen Leistungen stark. Richtig stark! Und um ehrlich zu sein, habe ich Eva Green wohl etwas unterschätzt. Ich sah sie als eine Schauspielerin, die sich vielleicht einmal zu oft in einem Film ausgezogen hat. Aber sie ist nicht nur schön in der Serie. Im Gegenteil. Ich fand sie scheiß gruselig. Und sehr facettenreich. Vanessas Kampf war sehr glaubwürdig – und auch was das physische betrifft, war ich sehr beeindruckt. Nicht, was ihr jetzt denkt … . Eva Green hatte ihre Mimik und Gestik und Körperhaltung so perfekt im Griff wie das glaube ich nur wenige Menschen können. Im einen Moment ist sie abwesend, verzerrt in Lust und Schmerz, verzweifelt, verrucht, im nächsten eine gequälte Seele – aber wenn sie Dorian erblickt und plötzlich so strahlt und so „jung“ wirkt … ja. Die kanns. Alles. Exorzismus-Geschichten lassen mich eigentlich auch eher kalt und ich finde sie immer gleich. Aber hier hat mich die Geschichte seit langem wieder echt getroffen. Gleichzeitig höre ich aber auch immer irgendjemanden leise das Wort „Feminismus-Debatte“ flüstern. Dass Sex bei einer Frau einen heftigen Kampf mit inneren Dämonen auslöst, ausgerechnet bei der Frau den Konflikt mit der Religion, ausgerechnet bei der Frau Besessenheit … mmmmhja nein ich weiß nicht. Schwierig. Dass sie immense Schuldgefühle hat, sich für böse hält und damit und mit ihrer Begabung dem Bösen Tür und Tor öffnet – das lege ich mir so zurecht. Aber es würde mich nicht wundern, wenn es dort draußen nicht zig Artikel über den Feminismus in Penny Dreadful gäbe.

Mal abgesehen davon, dass ich mehr Chandler x Dorian sehen möchte, vielleicht ein kleines bisschen in Doctor F. verknallt bin Vicky der Serie.

Vermutungen über Staffel 2

Für Staffel 2 wünsche ich mir, dass Chandler und Dorian mehr zentriert werden. (Gerne auch zusammen tehehehe 🙂 ). Im Ernst: Chandlers Vergangenheit, bitte. Jetzt. Und Dorian – zeig das Bild. ZEIG. DAS. BILD. Ansonsten vermute ich, dass Vanessa und ihre Jungs weiter nightwork betreiben. Was auch immer sie dazu veranlasst. Weil sie’s können? Weil etwas passieren wird? Außerdem habe ich aufgrund der letzten Folge den Verdacht, dass wir Madame Kali wohl nochmal wiedersehen und ich würde einen Besen fressen, wenn nicht noch Sir Malcolms Sohn eines Tages mal vor der Tür steht. Haben bei euch da nicht auch die Alarmsirenen geschallt, als er meinte, dass er die Überreste seines Sohns nochmal heimholen möchte? Irgendwie finde ich es zwar genial, dass Mina Harker eine Rolle spielte, aber niemand von Jonathan Harker oder Dracula geredet hat, aber eine Rest-Neugier ist noch da. Obwohl ich auf der anderen Seite dieses Zentrieren von Nebenfiguren der großen Horrorliteratur sehr mag. Vielleicht würde es der Serie den Charme nehmen, wenn plötzlich Dracula dort rumläuft. Prinzipiell wären ja auch andere Figuren wie Jekyll/Hyde super interessant … aber wollen wir das wirklich? So hat man nicht den Eindruck, dass zufällig alles Böse oder Mächtige in der Nähe unserer Crew rumläuft. Nicht wie in … anderen Serien.

Und zum Schluss noch die wichtigste Frage zuerst … was wäre wohl Vanessas Antwort auf die Frage des Pfarrers am Ende der Episode? Und was wäre eure? Das frage ich bewusst, weil ich wetten würde, dass wir in der Serie Vanessas Antwort nicht hören werden.

Wie hat euch die Serie gefallen? Was hat euch am meisten überrascht und was habt ihr kommen sehen? Habt ihr Prognosen wie es in Staffel 2 weitergeht? Redet mit mir 🙂

8 Antworten

  1. Ich fand die Serie super. Sie hatte schon Vorschusslorbeeren meinerseits, da Eva Green mitspielt. Irgendwo habe ich gelesen, dass Eva etwas Overacting betreiben würde, aber ich finde, das passt sehr gut zu der Rolle von Vanessa, die ja nunmal auch intensiv ist.

    Ich bin sehr auf Dorians und Chandlers Hintergrundgeschichte gespannt. Ich glaube auch, dass in der zweiten Staffel Chandlers Hintergrund behandelt werden wird (da gab es ja auch schon einige Andeutungen am Ende der Staffel). Und Dr. Frankenstein ist einfach super neu interpretiert mit dieser Mischung aus getriebener Unschuld und krankhafter Suche nach der Heilung von der Sterblichkeit.

    Allgemein mag ich die Darstellungen aller Protagonisten als gebrochene, ambivalente Charaktere…

  2. Avatar von Miss Booleana
    Miss Booleana

    Genauso sehe ich das auch – demjenigen, der das als Overacting bezeichnet hat, kann ich gar nicht zustimmen. Die Darstellung von Exorzismus und Besessenheit ist mal wirklich sehr schockierend und gruselig gewesen und ihr Kampf war irgendwie sehr ergreifend. In anderen Filmen und Serien fand ich Darstellung oftmals lachhaft und ungewollt komisch.
    Auch in allen anderen Punkten kann ich dir nur zustimmen 🙂

  3. Eva Green ist einfach Spitze! 🙂 Als Vanessa wirkt sie richtig taff… Und die Schauspielleistung von ihr ist echt klasse! Da kann sie Kristen Stewart noch ne Scheibe abschneiden 😉 … Die Serie ist auch richtig gut. Ich glaube ja, dass Vanessa kein normaler Mensch sein will und wir da noch einiges bezüglich des Dämons in ihr sehen werden 😀 Wer weiß, vielleicht taucht Dracula ja irgendwann auch noch auf 😉

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ah, endlich noch jemand der mit mitdiskutiert 😉 ja, da hast du sowas von Recht. GERADE Kristen Stewart sollte sich davon eine Scheibe abschneiden 😉 Ich vermute auch, dass ihre Antwort so ausfallen würde und dass sie ihre Gabe nicht aufgeben würde. Dracula muss meinetwegen gar nicht unbedingt auftauchen, aber wenn wir Dorians Bildnis endlich sehen, würde ich mich schon freuen. 🙂 So ein bisschen Jekyll und Hyde würde aber gut in die Serie passen … mehr literarische Figuren müssen es dann aber auch nicht sein.

      1. Ja sonst wirds denk ich mal auch zuviel.. Bei zu vielen Figuren kanns ja schnell oberflächlich werden.. Das Bild interessiert mich aber auch^^

  4. Avatar von Wolfgang
    Wolfgang

    Bin hier nur zufällig reingeschneit und dann bei deiner Beschreibung meiner Lieblingsserie hängengeblieben. Du hast in vielem Recht und es auch sehr unterhaltsam beschrieben, aber bitte, bitte, nenn Dr. Frankenstein nicht „Vicky“, auch wenn er ein süßer Junge ist. Da gruselt es mich wirklich.
    Ansonsten will ich nur noch ergänzen, dass die Rahmenhandlung eine Variation von Henry Ryder Haggards „She“ ist, bei der es im wesentlichen darum geht, dass tief im Urwald eine uralte Göttin gefangen ist, die es aber trotzdem schafft einen Entdecker auf sich aufmerksam zu machen und ihn zu sich zu locken, damit er sie befreit und hinaus bringt in die „richtige“ Welt, die sie dann natürlich erobern will. Die Göttin darf man sich als Dämon (mit weniger Macht als eben eine Göttin) oder notgelandete Außerirdische vorstellen. Hier kommt Alan Quartermain ins Spiel, ebenfalls eine Haggard-Figur und Vorlage von Indiana Jones – nerve ich mit meinem Besserwissen?
    Und erst jetzt haben wir alle großen Horror-Romane des viktorianischen Zeitalters vereint (wenn auch mit einigen Anstrengungen). Allein diese Konstruktion, entlang der wir ein Zeitalter besichtigen können, ist schon eine Meisterleistung. Dass diese dann trotzdem halbwegs nachvollziehbar daherkommt und all die Horrorfiguren eine stimmige Geschichte abliefern ist doch fantastisch. In Einzelteilen kann man natürlich auch den Exorzisten drin wiederfinden.
    Mir ist bisher noch nicht wirklich klar, wie die Verborgene Göttin bei Vanessas schändlicher Tat „geweckt“ wurde. Gemäß Haggard müsste eigentlich Malcom Murray sie in irgendeiner Form aus Afrika mitgebracht gaben – und vielleicht brauchte es diesen Moment der Schwäche (Vanessa hat eine Schutzschild aus katholischer Gläubigkeit) um von ihr Besitz ergreifen zu können. Wie wir wissen, war der Gute in Afrika nicht unbedingt ein Gentleman. Da wäre noch einiges zu erklären in Staffel 2.
    Ich hoffe, du/ihr hattet alle Gelegenheit die Serie im O-Ton zu sehen (Netflix bietet beide Sprachen an). Eva Greens Stimme ist im Original einfach klasse und insbesondere Episode 2 funktioniert in deutsch gar nicht. Auch Billie Pipers irischer Dialekt und ihre Wortspiele sind einfach verschwunden. Wie leider überhaupt die Synchronisaton übel ist (manche Texte ergeben keinen Sinn und es fehlen ein paar Musikstücke).

    Ansonsten: Schöner Blog, gute Themen. Ich mach mir ein Lesezeichen.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Hallo Wolfgang – vielen Dank für deinen Kommentar!
      Ich habe die Staffel tatsächlich im O-Ton auf Netflix gesehen – und Eva Greens Stimme habe ich tatsächlich noch im Ohr. Muss mir aber auch mal eine Folge auf deutsch geben, bin gerade sehr neugierig auf die Stimmen.

      Finde die Sache mit der Göttin sehr spannend, muss mich unbedingt mal dazu belesen. Aber wie kommst du darauf, dass diese Geschichte Vorlage war und insbesondere für Vanessa? Könnte mir auch vorstellen, dass das irgendwie mit Madame Kali verknüpft werden könnte – Kali ist meines Wissens eine Gottheit, würde ja irgendwie auch ganz gut passen. Quatermain ist aber in der Geschichte nicht der Entdecker dieser Göttin, wenn ich deinen Kommentar richtig deute?

      Jedenfalls endlich jemand der meine Theorie unterstützt, dass Quatermain vielleicht doch irgendwie eine Rolle spielt auf irgendeiner Ebene. 🙂

      Wo wir gerade bei Sir Malcolm sind – ich habe mich schon beim Schreiben des Artikels gefragt wie sie das mit dem Namen Quatermain vllt. verbinden könnten. Möglicherweise war das sowas wie sein Spitzname in Afrika? Ich denke auch, dass das noch nicht alles ist, was wir von Afrika und seinem Sohn hören und bin sehr sehr gespannt was da in der nächsten Staffel vielleicht noch enthüllt wird.

      Und nein, das ist keine Besserwisserei und das stört mich auch nicht. 😉 ich hätte doch keinen Blog, wenn ich nicht mit euch reden möchte.
      Aber das „Vicky“ musst du mir lassen, ihn so zu nennen ist wiederum etwas das meinen Charakter ausmacht. Das gehört dazu. Und was das Lesezeichen betrifft: Danke! Freue mich, wenn du künftig hier öfter vorbeischaust

  5. Das wird hier hoffentlich kein Literaturprojekt (ist nicht mein Fach), aber da es nunmal ein herausragendes, selten gutes Kunstwerk im Fernsehen ist, und sich in den Weiten des Internets wenige finden, die dafür schöne Worte aufbringen, hier noch einige Ergänzungen, die vielleicht ein paar der hier aufgeworfenen Fragen beantworten – es dauert ja auch noch sooo lange, bis es weitergeht. Bis dahin kann man sich mit Lesen trösten.

    Der Roman „She“ von Henry Rider Haggard hat eine gute Idee, war aber in der Ausführung dann ein bißchen mutlos. Die erste Hälfte ist eine spannende Reise durch den Urwald mit der bekannten Besetzung: ein Draufgänger, ein Professor, sein Diener und ein in den Draufgänger verliebtes Mädchen, die zweite Hälfte leider vorhersehbar und wenig originell. Es gab ein paar Versuche sie zu verfilmen (sogar eine mit Ursula Andress: Herrscherin der Wüste, 1965) aber die kann man alle getrost vergessen. Der schwache Schluss ist heutzutage einfach nicht mehr tauglich.
    Es gibt zum Thema drei Romane: „She“, „Ayesha – die Rückkehr von She“ und „She und Allan“, letzterer von 1921, ein harmloser Versuch mit zwei inzwischen bekannten Romanfiguren noch irgendwie Geld zu machen. Dass Allan Quatermain auf She trifft, ist so eine typische Verleger-Idee (King Kong vs. Godzilla), war aber nur eine schwache Wiederholung des ersten Romans.
    Haggard stand letztlich immer im Schatten von Edgar Rice Burroughs, der einfach besser war. Aber mit dem leichten Horroransatz in „She“ gehört Haggard halt auch zu den Autoren von Penny Dreadfuls, also den gruseligen Groschenromanen.

    Meiner Meinung nach hat John Logan, der Autor der Serie, versucht, diesem Roman einen besseren Schluß zu verpassen – das ist jetzt ganz meine Interpretation – indem er Sir Malcolm dazu benutzt, die Göttin aus Afrika nach London zu schaffen. Was im Roman scheitert, gelingt jetzt also, und damit haben wir eine moderne Weltrettungsgeschichte. In Afrika hatte die Göttin nur einen Pygmäen-Stamm als Sklaven zur Verfügung, das ist halt etwas wenig. Aber man stelle sich vor, sie könnte mitten in London ihre Macht entfalten … das wäre doch eine gute Geschichte, bzw. genauso gut ist der Kampf sie daran zu hindern. Bekämpft wird sie in erster Linie von Vanessa Ives, die sie in ihrem „Gefängnis“ – ihrem Körper – festhält, aber letztlich müssen auch Londons größte Monster mithelfen (die Bösen als die Guten), wobei mir noch nicht klar ist, ob Dorian Gray nun zu den „Guten“ gehört, denn er ist ein fürchterlicher Egoist. Wer kann ihm verzeihen, dass er in Vanessas schwersten Stunden keine Minute für sie übrig hatte? Ich glaube, er ist disqualifiziert. Aber da die Dämonin ihn bereits verführt hat, wird er wohl am Ende immer irgendwie auf Seiten von Vanessa sein, vielleicht damit aber in Konflikt mit Ethan geraten. Können die beiden jemals gemeinsam vor Vanessa erscheinen? Fröstel, ist nicht mein Ding. Literarisch spannend ist aber, dass eine Figur aus einem schlichten Groschenroman – She – gegen die Monster der Hochliteratur antritt. So gesehen: auch wieder witzig.

    Haggards Allan Quatermain ist Afrikaner mit Leib und Seele, und in London wäre er ein Fremdkörper. Deswegen wohl der Umweg über Sir Malcom Murray, dessen Heimat London ist, und der dort Familie und Vermögen hat, und der bestens integriert ist – wichtig als Türöffner für alle möglichen Einrichtungen und Institutionen. Dazu hat die Familie Murray in Bram Stokers „Dracula“ ja eine wichtige Rolle und so ergibt alles wieder Sinn. Der Mount Murray ist allerdings ein Hügel auf der Isle of Man und leider nicht in Belgisch-Kongo. Dass der begnadete Vampir-Jäger Van Helsing ausgerechnet von Caliban aus der Geschichte entfernt wird (er würde nur stören), ist besonders köstlich. Solche Scherze sorgen für eine Logik und sind doch sehr kreativ.

    Wie wird Vanessa die Frage des Pfarrers beantworten? Verdammt schwer vorherzusagen, zumal die Frage selbst ja schon wieder teuflisch ist. Das Böse ist schützenswert, weil es auch Gottes Schöpfung ist? Da müsste man jetzt erst mal über den Sinn des Bösen diskutieren. Das wird aber sehr philosophisch. Kann man dem Pfarrer trauen? Erinnert euch an Lucy vor der Kirche. Wer glaubt, das war nur ein neunmalkluges Kind? Mit den provozierenden Fragen? Vanessa ist gläubig und sie bereut, also wird sie sich der Strafe stellen. Aber ob der Pfarrer noch eine Rolle spielt, wage ich zu bezweifeln. Ein zweiter Exorzismus kann’s nicht sein, wir haben beim ersten schon gesehen, was davon zu halten ist. Zur Erinnerung: Vanessa bekommt immer wieder Besuch vom namenlosen Bösen. Es ist immer um sie und wartet auf eine Gelegenheit. Warum soll er sie nicht in Gestalt des Pfarrers irgendwie lenken? Weil er eine Kirche nicht betreten kann? Hmmm, möglich.

    Man sollte die Serie nicht auf eine vollständige Übernahme der einzelnen Werke abklopfen. Das scheint mir nicht das Anliegen von Logan zu sein. Eher geht es darum, einer fantastischen Zeit ein Denkmal zu setzen, denn gerade als Technik und Wissenschaft viel Licht und Aufklärung in eine dunkle Welt brachten, hat sich die Menschheit – insbesondere die Britische – vor allem auch wegen dem bevorstehenden Jahrhundertwechsel, ganz intensiv mit der jenseitigen Welt oder den imaginären Zwischenwelten beschäftigt. Mit den wissenschaftlichen Fortschritten bei der Krankheitsbekämpfung (erste große Impfaktionen) war gewissermaßen der Sieg über den Tod nur noch eine Frage der Zeit. Die Literatur jener Tage hat dem vorgegriffen. Das Theater ist sofort darauf angesprungen und hat seinen schon deftigen Shakespeare gegen noch „härteren“ Stoff getauscht, bei dem es vor allem auf spektakuläre Effekte ankam – der Spaß an Tod, Blut, Splatter und Horror ist hier entstanden. Das „Grand Guignol“ war die erfolgreichste Horror-Bühne und schloß erst in den Dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts, als das Kino endlich entscheidend besser war. Allerdings stand das Theater in Paris und nicht in London.
    Und es waren die letzten Jahre des 19. Jahrhunderts, in der die Kunst der Séance ihren Höhepunkt erreichte. Madame Kali & Co. waren Pflichtprogramm auf einer guten Party. Reiche Familien mit Überseebesitzungen hatten ihr eigenes Medium im Haus. Die Damen waren exzellente Schauspielerinnen und verstanden sich auch auf Hypnose und Taschenspielertricks. Bis heute gibt es dazu aber keinen Film, der sich näher oder ernsthafter mit dieser Modeerscheinung beschäftigt. Zumeist sind es lächerliche Darbietungen in biederen Krimis.

    Dr. Jekyll und Mr. Hyde – ahh, was für eine spannende Frage. Auf welcher Seite würden sie stehen? Auf beiden? Hihihihi. Das wäre witzig und sogar vorstellbar. Aber wollen wir unser kuscheliges Team noch erweitern? Ich befürchte, dass sie hier nicht reinpassen. Ethan Chandler mit seinem Doppelleben ist genug. Und einen guten Arzt haben wir auch schon. Aber nichts spricht dagegen, dass sie unsere Geschichte ein paar Episoden lang streifen, so wie auch Professor Van Helsing.

    Zuletzt noch mein Beitrag zur Spekulation über Staffel 2: Die „Nightwork“ geht selbstverständlich weiter, dürfte sich aber etwas wandeln. Und zwar weil Vanessa und mit ihr auch Sir Malcom von der Kreatur (Amun Ra?) bedroht werden. Denn die will, was in Vanessa verborgen ist. Da gibt es kein Entkommen: der Jäger wird zum Gejagten. Das Böse hat natürlich Helfer: Hier sind es Madame Kali und Professor Lyle, denn die beiden haben sowohl die nötige Vorbildung als auch den Einblick ins Geschehen – Kenntnis von Vanessas „Talent“ – und ein massives Interesse, hier weiter zu forschen. Beide stehen gewissermaßen schon mit einem Bein in der Zwischenwelt. Die beiden bringt man leicht dazu, sich an Vanessa ranzumachen, vielleicht sogar als Helfer bei einer nichtreligiösen Teufelsaustreibung. Caliban bekommt seine Frau, aber das wird nicht mit einem Hochzeitspärchen enden, das sich in die Flitterwochen verabschiedet. Vielleicht gehen wir auch in einer Rückblende nach Afrika. Denn es ist noch nicht wirklich klar, was Sir Malcom dort getrieben hat. Dass da mehr war als nur Kartographie, ahnen wir schon („terrible wonders“), aber das größte Rätsel ist ja Sembene. Der Mann hat eine Verpflichtung gegenüber Sir Malcom, für die er auch sein Leben aufs Spiel setzt. Warum? Ist er – frei nach Haggard – ein ehemaliger Sklave der Göttin und jetzt ihr Gefängniswärter? Ihr ehemaliger Priester, der jetzt hier seinen Dienst tut, damit sein Volk das Übel los ist?

    „Das Bildnis des Dorian Gray“ halte ich für weniger interessant, denn spannend ist es nur, wenn man es regelmäßig aber in größeren Abständen zu sehen bekommt. Ansonsten ist da wenig zu erwarten. Obwohl … hmmm … najaaa … ok, ich will es auch sehen! Nein, nicht spoilern. Wer mehr wissen will, hat genug Zeit vor Staffel 2 noch das Buch zu lesen. Aber nachdem wir das Bild bereits von hinten kennen, gibt es eine Verpflichtung es auch mal von vorn zu zeigen – spätestens dann, wenn die Geschichte von Dorian sich seinem/dem Höhepunkt/Ende nähert.

    Wer glaubt, dass diese Serie über drei Staffeln hinaus erzählt werden kann? So sehr ich die Serie liebe, ich halte es für wenig möglich und vor allem für wenig sinnvoll. Nach der dritten Staffel kennen wir alles und alle schon viel zu gut. Eine endlose Vampir-Jagd kann nicht ihr Sinn sein. Ich unterstelle der Serie viel Kunst und wenig Kommerz. In Staffel 2 kommen wir dem Bösen auf die Spur, in Staffel 3 wird es endgültig erledigt und dann müssen noch in paar Handlungsstränge zufriedenstellend aufgelöst werden: Sir Malcom wird im (End-)Kampf sterben, denn er hat viel Schuld auf sich geladen. Sembene geht zu seiner Familie in den Busch zurück oder mit der Göttin in die Unterwelt. Vanessa verliert ihren Dämon und zieht mit Ethan auf eine kleine Shetland-Insel, wo es nur Schafe gibt und schreibt einen Roman. Dr. Frankenstein muss bekanntlich mit Caliban an den Nordpol reisen, und Dorian Gray? – zeigt uns endlich sein Bild. Aus. Ende.

    … und nein, das ist kein Versuch, diesen Blog zu übernehmen. Aber in den entsprechenden Foren muss man sich immer mit kleinen Jungs streiten, die Eva Green für zu alt, die Splatterszenen für zu harmlos und die Exorzismus-Episoden für voll langweilig halten.

    Hier ist der würdige Platz, um mein Denkmal aufzustellen, meine Flagge für diese schöne Geschichte einzurammen (In Remembrance of Dr. Victor Frankenstein).

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