In den letzten Ausgaben wurden die Beiträge in meiner Künstliche-Intelligenz-Reihe etwas praktischer, gingen tiefer in die Materie, wurden aber auch mathematischer. Ich hoffe, dass ich euch damit nicht abgeschreckt habe 😉 Aber das soll es zu den konkreten Beispielen auch gewesen sein. Ich wollte den Begriff der Künstlichen Intelligenz etwas demystifizieren und euch zeigen, dass es einfach eines ist: Mathematik! Heute beschäftigen wir uns stattdessen mit einem Mann, der demnächst durch Benedict Cumberbatch im Film „The Imitation Game“ verkörpert wird: Alan Turing. Und dem wird oftmals zugeschrieben, dass er mit dem sogenannten Turing-Test ein Maß entwickelt hätte, dass aussagt, wann eine Künstliche Intelligenz intelligent ist. Also heute: Wer war Alan Turing? Und was ist der Turing-Test? (Vielleicht ist es auch nur ein Versuch euch durch das Namedropping – CUMBERBATCH – dazu zu bewegen den Artikel zu lesen 😉 )
Alan Turing
Der britische Mathematiker erblickte 1912 das Licht der Welt. Sein mathematisches Genie und sein Verständnis für Rechenmaschinen machten ihn zu einem Vorreiter auf dem Gebiet der Automatentheorie, automatischen Datenverarbeitung, Kodierung- und Kryptografie und letztendlich beeinflusste er auch die Theorien der Künstlichen Intelligenz. Im zweiten Weltkrieg entwickelten er und sein Kollege die Turing-Welchman-Bombe, mit der die per Enigma verschlüsselten Funksprüche der Deutschen dekodiert werden konnten. Außerdem wird ihm noch heute der Test für Künstliche Intelligenz zugesprochen und nach ihm benannt – der Turing-Test. Wenn man sich mit Mathematik und/oder Informatik beschäftigt, kommt man an seinem Genie nicht vorbei. Wobei ich mal behaupt, dass der Turing-Test noch das am wenigsten interessanteste aus der Liste seiner Theorien ist. Eine Schande, dass er 1952 verhaftet wurde. Homosexualität war damals eine Straftat. (Grotesk, aber leider war es so.) Er wurde zur chemischen Kastration verurteilt und es wird gemutmaßt, dass die Hormonbehandlung Auslöser für eine starke Depression war, die ihn dazu brachte Selbstmord zu begehen. Erst 2009 wurde posthum eine Entschuldigung durch den britischen Premier ausgesprochen.
Auto … mat?
Die Zeit in der Alan Turing lebt, war eine in der Computer noch mit Lochkarten betrieben wurden und schrankgroße Teile waren. Damals war „schnell“ noch ein sehr dehnbarer Begriff. Turing war auf dem Gebiet der Automatentheorie tätig, bei dem man Rechenmaschinen so abstrakt betrachtet, dass man rechnerisch ihre Leistung festhalten kann. Sozusagen die Maschine auf dem Papier. Daraus ergeben sich auch Fragen wie (einfach gesagt) „Kann ein bestimmter Automat ein bestimmtes Problem lösen?“ Heute könnte man mutmaßen, dass das nicht mehr interessiert sei und man sich stattdessen fragt „Wie kann ein Automat …“ oder „Wie schnell kann ein Automat …“ aber – ihr werdet es nicht glauben – es gibt unlösbare Probleme oder auch welche deren Lösung so lange dauert, dass wir es nicht mehr erleben würden, wenn das Ergebnis vorliegt. Also: nicht trivial. So ein Automat wird ein wenig nach dem EVA-Prinzip definiert. EVA : Eingabe – Verarbeitung – Ausgabe. Also: was geht rein, was macht er damit und was kommt raus? Das was reingeht sind in der Regel ja irgendwelche Befehle. Die wurden auch schon damals über eine Sprache definiert – die eben aus Zeichen besteht und Regeln folgt. Heißt: aus einem Alphabet und Grammatik besteht. (Irgendwie Vorläufer der Programmiersprachen oder Kommandos, irgendwie aber auch nicht.) Nach Turing sind die sogenannten Turingmaschinen benannt, die wie vieles was Turing gemacht hat, noch heute eine große Relevanz haben und an vielen Unis Studenten ärgern gelehrt werden. Mit seiner Beschreibung hat er sowohl damals als auch heute den Nagel auf den Kopf getroffen wie man ein Problem betrachten kann, dass automatisch verarbeitet werden soll.
Turing-Test und warum viele ihn falsch interpretieren
Der sogenannte Turing-Test besagt, dass eine Maschine und ein Mensch kommunizieren. Wenn ein Zuhörer nicht unterscheiden kann wer von den beiden die Maschine ist, dann kann man davon ausgehen, dass die Maschine eine Künstliche Intelligenz ist.
Diese Annahme ist mehr ein Gedankenexperiments Turings, denn sie kommt aus einer Zeit in der die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine durch Lochkarten geschah. Nix Tastaturen, nix Stimmerkennung, nein. Das macht Turing zu einem Visionär, aber leider zu einem vielfach missverstandenen. Ich finde seinen Ansatz ziemlich genial, wenn man sich mal überlegt in welcher Zeit er sich darüber Gedanken gemacht hat. Aber die Puristen nehmen diese Aussage leider nur allzu wörtlich und denken, dass ein Computer wirklich dazu kommunizieren muss. Andere Kritikpunkte sind, dass es auch Menschen gäbe, die aufgrund geistiger Behinderung beispielsweise den Test nicht bestehen könnten oder auch, dass der Begriff eines Bewusstseins hier untergeht. Meine Interpretation ist, dass Turing das ganze eben von den Automaten abgeleitet hat. Beim gegenseitigen „Verstehen“ spielt Grammatik (was geht rein?) ebenso eine Rolle wie bei Automaten. Er hatte eben eine differenziertere Vorstellung von Intelligenz als heute: Intelligenz im Sinne eines Automaten, aber nicht unbedingt so wie wir heute Intelligenz verstehen. Für unsere heutige Vorstellung von Intelligenz brauch es wohl noch mehr als das Verstehen von Grammatik. Deswegen besteht auch ELIZA den Test nicht, obwohl man oft das Gegenteil liest. Der Turing-Test für künstliche Intelligenz ist also genial, aber entspricht nicht mehr dem heutigen Verständnis einer intelligenten Maschine. Wäre aber mal ein Ansatz zu sagen: back to the roots. Schließlich haben wir schon beim letzten Artikel der Reihe hier gemerkt: KI ist Mathe.
Zu den bisherigen Artikeln der Reihe:
‘Künstliche Intelligenz’ (I) – Was ist dran?
‘Künstliche Intelligenz’ (II) – Maschinelles Lernen
‘Künstliche Intelligenz’ (III) — “Künstliche Neuronale Netze”
‘Künstliche Intelligenz’ (IV) — “Künstliche Neuronale Netze” im Detail
Habt ihr bereits von Alan Turing gehört? Oder euch sogar mit all den Themen schon Mal auseinandergesetzte? Habt ihr Wünsche für künftige Artikel?
Netzgeflüster ist eine Kategorie meines Blogs in der ich mich immer zwischen dem 10. und 15. eines jedes Monats Themen rund um IT, Forschung, Netzwelt, Internet und eben auch Gerüchten widme. 🙂
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