Netzgeflüster: ‚Künstliche Intelligenz‘ (VIII) – zu Gast im ‚unheimlichen Tal‘

Letzten Monat führte uns diese Reihe über Künstliche Intelligenz zurück zu den Medien. Gerade denen ist es zu verdanken, dass die Vorstellung vom menschenähnlichen Roboter mit künstlicher Intelligenz immer bekannter und ein wiederkehrendes Motiv wurde. Es gibt viele, die an dem Konzept festhalten und das tatsächlich anstreben. Dabei kann aber ganz schnell ganz viel schief gehen. Der Effekt des ‚Uncanny Valley‘ war geboren. Und was Forschungsinhalte und viel Arbeit beinhaltet, ist statt menschenähnlich in erster Linie schnell gruselig. Was bedeutet ‚Uncanny Valley‘ und gibt es die menschenähnlichen Roboter vielleicht doch? Und wenn ja, was können sie? Also heute: zu Gast im ‚unheimlichen Tal‘.

Was bedeutet ‚Uncanny Valley‘?

1970 hat der japanische Wissenschaftler Masahiro Mori den Begriff ‚Uncanny Valley‘ (dt. ‚unheimliches Tal‘) geprägt. Der Uncanny-Valley-Effekt besagt, inwiefern künstliche Figuren akzeptiert werden oder eben nicht. Künstliche Figuren haben eine relative Akzeptanz, vollkommen menschenähnliche haben die höchste Akzeptanz. Wohingegen nahezu menschenähnliche Figuren sehr schnell als unheimlich und gruselig angesehen werden. Das geht soweit, dass ein im Prinzip menschenähnlicher Roboter oder eine animierte Figur akzeptiert wird, sobald sie aber ihr Gesicht unnatürlich verzieht oder sich in einer den Menschen unmöglichen Art bewegt, ist es sofort extrem gruselig. Stellt man das grafisch dar, gemessen an den Einheiten ‚Akzeptanz‘ und ‚Menschenähnlichkeit‘ ergibt sich also im Graph das ‚unheimliche Tal‘, also die Senke, in der wenig Akzeptanz herrscht.

„Uncanny valley deu“ von Pfropfen - selbst erstellt. Lizenziert unter Bild-frei über Wikipedia - Link zum Bild auf Wikipedia
„Uncanny valley deu“ von Pfropfen. Lizenziert unter Bild-frei über Wikipedia – Link zum Bild auf Wikipedia

Prominente Beispiele

Im Prinzip erleben wir ‚Uncanny Valley‘ ständig. Insbesondere in der Phase des Filmemachens, in der CGI noch eher rar gesät war, gibt es unzählige Beispiele für (aus heutiger Sicht) unzureichend gut animierte Figuren. Ein gar nicht Mal so altes Beispiel ist der Film Beowulf, indem eigentlich sogar mit Motion Capture gearbeitet wurde und die Bewegungen vom Schauspieler auf die Animation übertragen werden. Trotzdem war die Nachbereitung nicht genügend. Ein anderes Beispiel ist der unten zu sehende Android mit dem irren Blick. Eine überschwängliche Mimik und Gestik ist schnell der Knockout. Seltsame Verzerrungen erinnern gar an Zombies. Sind die Androiden, Roboter oder künstlichen Charaktere aber wirklich perfekt menschenähnlich, dann haben wir das ‚unheimliche Tal‘ hinter uns gelassen. Ein erfolgreiches Beispiel ist der ‚Geminoid HI-1‘ betitelte Android der japanischen Robotik-Legende Hiroshi Ishiguro. Wer sich vor dem unheimlichen Tal fürchtet, wie viele Animationsstudios beispielsweise, bleibt bei niedlichen, kindlichen Repräsentationen und setzt beispielsweise lieber auf das Kindchenschema. Das erklärt auch die Gummikopf-große-Augen-Charakternasen-Optik, von der die Studios offensichtlich nicht wegkommen und auch nicht wegwollen. Oder ganz anders: Wall-E hat menschliche Verhaltensweisen, aber kein menschliches Aussehen. Ein bisschen Kindchenschema und schon mögen wir den Kleinen trotzdem.

Ach es gibt bereits humanoide Roboter!!?? Und die haben jetzt KI und so? Ziel erfüllt?

Ähm. Nein. Die Sache ist nämlich die: die humanoiden Roboter sind v.A. dazu den Eindruck von Präsenz und Intelligenz zu vermitteln. Sie werden kreiert, um eine stückweise Annäherung zu schaffen. Durch Kameras und Sensoren merken sie wo sich ein Gesprächspartner befindet und schauen automatisch in diese Richtung. Eventuell haben sie eine einfache Mimik und können vielleicht sogar antworten. Es gibt erste Ansätze in denen sie sich bewegen und versuchen frei Gespräche zu führen. Das sind in der Regel einfache Frage-Antwort-Gespräche auf dem Niveau eines Personal Assistant wie Siri, Cortana oder Google Now. Da spielt wieder das Natural Language Processing eine größere Rolle, also das korrekte Aufnehmen und ‚Verstehen‘ gesprochener Sprache. Von KI ist da noch nicht zu reden. KI könnte in der Zukunft auf vielen großen Servern in großen Serverräumen laufen – und möglicherweise mit dem Prozessor im humanoiden Roboter per Internet verbunden sein? Wer weiß. Manchmal erweckt es den Eindruck, als ob die grundlegenden Komponenten da sind, aber der große Durchbruch, insbesondere in der KI-Forschung, noch fehlt.

Zu den bisherigen Artikeln der Reihe:

‘Künstliche Intelligenz’ (I) – Was ist dran?
‘Künstliche Intelligenz’ (II) – Maschinelles Lernen
‘Künstliche Intelligenz’ (III) — “Künstliche Neuronale Netze”
‘Künstliche Intelligenz’ (IV) — “Künstliche Neuronale Netze” im Detail
‚Künstliche Intelligenz‘ (V) — Wer war Alan Turing? Und was ist der Turing-Test?
‚Künstliche Intelligenz‘ (VI) — Doku-Tipp „Plug & Pray“
‚Künstliche Intelligenz‘ (VII) — die Darstellung von KI in den Medien

Kanntet ihr den Begriff ‚Uncanny Valley‘? Welche Figuren bei denen der Tal-Effekt zuschlägt sind euch in besonders unangenehmer Erinnerung geblieben?

Netzgeflüster ist eine Kategorie meines Blogs in der ich mich immer zwischen dem 10. und 15. eines jedes Monats Themen rund um IT, Forschung, Netzwelt, Internet und eben auch Gerüchten widme. 🙂

18 Antworten

  1. Ist ja interessant, davon hatte ich noch nie gehört!

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Freut mich, wenns interessant war 😀

  2. Ja, das Uncanny Valley ist ein fieses Tal, in das sich viele Produktionen in heutiger Zeit oft nur zu gerne verirren… 😉

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      In heutiger Zeit? Findest du?

      1. Ja, finde ich durchaus. Schon alleine beim „Tim & Struppi“ war bei mir eine Grenze überschritten… 😉

        1. Avatar von Miss Booleana
          Miss Booleana

          Ah ja – Tim & Struppi. Richtiggehend gruselig fand ich das zwar nicht, aber die Animationen fand ich auch nicht gelungen 😉

  3. Toller Artikel. Das Phänomen war mir zwar bekannt: Ich wusste jedoch nicht, dass es Uncanny Valley heißt bzw. wer hats erfunden? (Das ist ja sowieso die Wichtigste aller Fragen! 😉 ). In der Filmwelt wird dieses Prinzip in Blade Runner Spitze getrieben. Bist du noch menschlich, ja oder nein? Gerade anhand von Computerspielen kann die Entwicklung sehr deutlich nachverfolgen. Während vor 15 Jahren globige Eierköpfe über die Bildschirme hoppelten, gibt es mittlerweile Momente, wo ich mich wirklich täuschen lasse, so fotorealistisch ist die Köpfe animiert. Ich bin gespannt, wie die Entwicklung weitergeht.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      In Blade Runner? Da fand ich die Figuren eigentlich nicht so wirklich bizarr. Die Handlungen schon ab und zu ja. Und dieser Test, der eine Rolle spielt, erinnert mich immer etwas an den Turing-Test.
      Das mit den Computerspielen ist ein gutes Beispiel. Da gabs früher wirklich sehr seltsame Beispiele. Wobei die heutzutage manchmal schon filmreif sind. 🙂

  4. Uii, das ist ja interessant. Dass es so heißt, wusste ich nicht – aber natürlich findet man das nach dem Lesen solch eines Artikels total logisch und hat das ja eigentlich schon immer gewusst. 😉
    Ich persönlich finde allerdings niedliche Kindchenschema-Roboter niedlich, damit dürfen die Filmstudios gerne weitermachen! Extrem menschliche Roboter finde ich dann wiederum gruselig, sobald ich weiß, dass es eigentlich eine Maschine ist. ^^ Der Punkt, dass mein Hirn nicht mit der Vorstellung zurecht kommt, würde also vermutlich ein zweites uncanny Valley bei mir auf der rechten Seite deines Graphen runterkrachen lassen. Auch wenn es natürlich gut sein kann, dass das weggeht, sobald man sich an die Vorstellung gewöhnt hat. 🙂

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Haha 😉 ich finde die niedlichen Kindchenschema-Roboter auch niedlich. Aber wenn man die ‚künstlichen Figuren‘ mal auf alle 3D-animierten Charaktere erweitert, dann gibt es da schon einige echt seltsame Gestalten. Insbesondere vor 10 Jahren haben die echt gruselige Sachen produziert. Und jetzt haben die Studios so mit den Gummiköpfen wie bei Baymax, Merida, usw. eine Metrik gefunden und bleiben scheinbar dabei. Das könnte sich ruhig mal ändern, finde ich.

      1. Aah, das meinst du! Ja, die aktuellen animierten menschlichen Charaktere unterscheiden sich meist nur durch Haar und Augenfarbe. Da könnte man in der Tat auch mal was tun. ^^

  5. […] ‘Künst­li­che Intel­li­genz’ (I) – Was ist dran? ‘Künst­li­che Intel­li­genz’ (II) – Maschi­nel­les Ler­nen ‘Künst­li­che Intel­li­genz’ (III) — “Künst­li­che Neu­ro­nale Netze” ‘Künst­li­che Intel­li­genz’ (IV) — “Künst­li­che Neu­ro­nale Netze” im Detail ’Künst­li­che Intel­li­genz’ (V) — Wer war Alan Turing? Und was ist der Turing-Test? ’Künst­li­che Intel­li­genz’ (VI) — Doku-Tipp “Plug & Pray“ ’Künst­li­che Intel­li­genz’ (VII) — die Dar­stel­lung von KI in den Medien ’Künst­li­che Intel­li­genz’ (VIII) — zu Gast im ‘unheim­li­chen Tal’ […]

  6. […] Pray“ ’Künst­li­che Intel­li­genz’ (VII) — die Dar­stel­lung von KI in den Medien ’Künst­li­che Intel­li­genz’ (VIII) — zu Gast im ‘unheim­li­chen Tal’ ‘Künst­li­che Intel­li­genz’ (IX) — […]

  7. […] Architektur und nutzt zur Wahrnehmung eine Microsoft Kinect V2 und ein Mikrofon. Um den uncanny valley zu entkommen, verfügt Nadine über Mimik und Gestik, die allerdings etwas limitiert sind und […]

  8. […] hat. Trotz Charlie Kaufman. Sehr schade. Da die Stop-Motion-Technik hier für viele Leute zum Uncanny Valley führt (d.h. als unmenschlich und gruselig angesehen wird) und die Qualität der Figuren und Szenen […]

  9. […] und würde selber versuchen sich zu imitieren. Diese Schein-Normalität ist ähnlich wie ein Uncanny Valley gruseliger als ein normaler Gedächtnisverlust und seine Familie distanziert sich von ihm. Sein […]

  10. […] sein und der Effekt ist hin. Immerhin haben ihre „Macher“, wer auch immer das ist, das Uncanny Valley geschickt umschifft. Dass es solche Fake-Peronas gibt, verwundert mich weniger als die ganzen […]

  11. […] Routinen zurückgeführt und per Knopfdruck abgerufen werden, bewegt man sich ein unterschwellig-unheimliches Tal. Der Zuschauer erwartet schon von vornherein den Aufstand der Maschinen. Allerdings erfordert das […]

Schreibe einen Kommentar zu Miss Booleana Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert