Die Leipziger Buchmesse ist für mich immer einer dieser Höhepunkte des Jahres. Eines dieser dick im Kalender angestrichenen Ereignisse, zu denen man die Monate, Wochen und Tage herunterzählt. Früher war die Messe für mich ein Ort an dem man Mangafan sein darf, an dem Berge von Büchern rumstehen und noch mehr Literaturbegeisterte wandeln und das Wort Bücherwurm ein Lob ist. Hier habe ich auch vor einem Jahr das erste Mal eine andere Bloggerin live getroffen und bin früher zu Verlagen gegangen und habe meine Mappen sichten lassen. Mit der Messe sind schon viele Erinnerungen verbunden. In zwei Beiträgen erzähle ich euch von meinen jüngsten Buchmesse-Erinnerungen. Also – der Freitag der Leipziger Buchmesse 2015 (LBM), wie war das so?
Akkreditierungsverwirrung
In diesem Jahr habe mich das erste Mal akkreditieren lassen. Dass es die Option überhaupt gibt, finde ich schon mal großartig und habe immer das Gefühl, dass die Presseakkreditierung von Bloggern eine Art Zugeständnis ist, dass wir eben doch was bewirken können und gehört werden. Die Akkreditierung habe ich über das Online-Formular der Messe beantragt und nach nur etwas mehr als einer Woche hatte ich schon den Presseausweis. Das ging wirklich extrem fix! 🙂 Was aus dem beiliegenden Schreiben nicht hervorging: der Ausweis muss freigeschalten werden. Das geschieht im Pressezentrum. Dort gibt es also nicht nur zusätzliches Material, so wie es der Brief vermuten läßt, sondern nur dort ist der Schalter Vorabakkreditierung. Hat erstmal für etwas Verwirrung gesorgt. 🙂 Was mich im Laufe meines gesamten Messebesuches dann aber sehr freuen sollte, war wie freundlich und natürlich man mit Bloggern umgegangen ist.
Takeshi Obata signiert!
Takeshi Obata ist der Zeichner von solchen großartigen Manga wie Death Note und Bakuman und wurde als Gast für die Messe bzw. die Manga-Comic-Convention (MCC) angekündigt. Die MCC ist der Teil der Messe, der sich Manga, Comics und Graphic Novels widmet, wo Cosplay-Wettbewerbe ausgetragen werden, etc. Dort sind auch die Manga-Verlage vertreten. Der Verlag Tokyopop begrüßte als Ehrengast neben Mayu Sakai dieses Jahr also Takeshi Obata. Ein Highlight! Obata ist für mich einer DER Zeichner, die ich sehr bewundere und dem ich irgendwie versuche nachzueifern. Muss ich jetzt niemandem erklären, dass ich ihn unbedingt mal sehen will, oder? 😉 Täglich ab 10 Uhr sollte man am Stand von Tokyopop Karten für die Signierstunde erhalten. Ich war 10 nach 10 am Tokyopop-Stand und fand mich damit eigentlich ganz gut. Das war wohl etwas naiv. Und dafür erntete ich belustigte Blick am Stand von Tokyopop. Ein Trostpflaster, eine vorsignierte Karte, kann ich noch bekommen. Aber die Karten für die Signierstunde sind aus. Was ich machen muss, um eine zu bekommen, habe ich gefragt. Mich morgen nochmal mit all den Fans vor um 10 vor der Halle anstellen und dann … rennen. Jepp. Alles klar. Ich stelle mich mit den hunderten Fans und Cosplayern vor der Halle an, die schon an den Türen kratzen und mit den Hufen scharren. Die meisten von denen sind zwischen 12 und 18 – ey, die sind kleiner und flinker als ich. Brauch ich gar nicht erst versuchen. So starrte ich mein vorsigniertes Trostpflaster an, seufzte tief und schminkte mir den Gedanken ab. ‚Nur so ca. 100 Karten pro Tag‘ kommen mir auch verdammt wenig vor. Aber! Mein Veranstaltungskalender sagte mir, dass Obata am Samstag live zeichnen würde. Noch eine Chance.
Poetry Slam bei Arte
Meine Enttäuschung über die Sache mit der Signierstunde musste ich schleunigst verdrängen. Der Wake-Up-Slam von Arte musste helfen. Jeden morgen um 10:30 Uhr konnte man Poetry-Slammern bei Arte zuhören. Am Freitag waren das Franziska Holzheimer und Bleu Broode, dessen Geschichten von Hipstern und dem Orakel von Selfie mir wieder ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert haben. 😀 Das schöne bei Poetry Slam ist: man hat in kurzer Zeit viel Geschichte mit auf den Weg bekommen.
Nächste Station: Workshop über Webcomics
Zum Thema Webcomic habe ich ja schon erste Gehversuche unternommen und möchte demnächst wieder aktiver werden. Da ich das Gefühl habe da noch viel besser machen zu können, kam mir der Workshop von ComicSolidarity gerade recht. Eve Jay und Haaiko Hörnig sprachen über die Frage „Wie kommt der Webcomic ins Web?“ Der Workshop startete mit sehr interessanten Ausführungen über verschiedene Formen von Comics, diverse Plattformen und wieviel Zeitaufwand man investieren muss. Auch das Thema social media wurde mit einem Hauch Marketing-Grundwissen angerissen. Das waren zum Großteil Dinge, über die ich bereits Bescheid wusste, aber für Einsteiger gut gemacht und sympathisch und locker rübergebracht. Was ich vorher nicht kannte waren vorgestellte Plattformen wie Tapastic oder auch Patreon. Tapastic ist eine Plattform, auf der man sich vernetzen und seine Webcomics hochladen kann, während Patreon eine Webseite ist bei der man seine Lieblingskünstler aus allen möglichen Bereichen mit einer kleinen Spende unterstützen kann. Sehr cool, dass es das alles gibt, aber irgendwie kamen diese Infos und diese Plattformen für mich etwas zu spät.
Die Veranstaltung war ab etwa der Hälfte sehr stark auf Tapastic ausgelegt, da die Organisatoren selber auf der Plattform arbeiten. Nun ist Tapastic aber eine englisch-sprachige Plattform und ich habe meine Web-Manga bisher lediglich im deutschen Raum und auch auf Deutsch verbreitet. Natürlich wäre es kein Ding sie zu übersetzen, aber in einem so großen See käme ich mir wie ein kleiner Fisch vor. Außerdem habe ich in meine WordPress-Webcomic-Page schon viel Zeit investiert und möchte die auch weiterbetreiben. Daher habe ich die Veranstaltung dann vorzeitig verlassen. Für Künstler, die noch gar keine Gehversuche im Web unternommen haben, war der Workshop vielleicht hilfreicher. Was ich vermisst habe waren die grundlegenden Informationen über dpi, Copyright, … etc. Vielleicht habe ich das aber durch mein vorzeitiges Gehen verpasst. Dass solche Workshops aber Platz auf der Buchmesse haben, finde ich toll und wünsche mir das umso mehr für die Zukunft.
Amos Oz auf dem blauen Sofa
Ich habe noch nie etwas von Amos Oz gelesen. Aber ich kenne seinen Namen und weiß, dass er einer der Gründer von Peace Now ist. Derzeit wird sein Roman „Eine Geschichte von Liebe und Finsternis“ verfilmt – Natalie Portman führt das erste Mal Regie. Über sein Engagement weiß ich mehr als über seine Bücher. Ich weiß nicht, ob das schlecht ist. Ich gestehe: ich habe vor seinen Büchern bisher zurückgeschreckt, weil ich befürchtet habe, dass es schwere Kost ist und ich vielleicht einfach zu wenig über Israel weiß, um den Büchern wirklich folgen zu können. Du, lieber Leser, kannst mir in den Kommentaren gerne deine Einschätzung dazu verraten. Eins stand aber fest: Amos Oz möchte ich sehen und hören was er zu sagen hat, wenn er bei ZDF auf dem Blauen Sofa seinen neusten Roman ‚Judas‘ vorstellt. Wie erwartet, ist er ein charismatischer, intelligenter Mensch mit spannenden Gedanken über Religion und Zeitgeschehen. Und er hat eine Einstellung die mir sehr gefällt. Denn er sagte:
Wer sich in Menschen hineinversetzt ist ein besserer Mensch, als der der es nicht tut.
Außerdem sagte er: wer ein Buch liest, tut das um sich in jemanden hineinzuversetzen. Eine Eigenschaft, die ich wirklich oft bei den Menschen vermisse. Zur aktuellen Lage sagte er außerdem, dass die Juden und Palästinenser eine Familie sind, die sich aber gegenseitig nicht mögen, aber lernen müssen gute Nachbarn zu sein. Erinnert etwas an die unfreiwilligen und freiwillig zusammengeführten Familien in seinem Roman ‚Judas‘.
Pause …
Nach diesem Veranstaltungsmarathon war ich erstmal etwas groggy und brauchte eine Pause. Die Hallen wollten auch mal besucht werden. So habe ich insbesondere im Abschnitt buch + art viele kreative Stände gesehen. Irgendwo saß tatsächlich Jussi Adler-Olsen und hat einfach mal signiert. Zu den Themenschwerpunkten gehörten u.a. die Beziehung zwischen Israel und Deutschland, was sich an echt vielen Veranstaltungen wiederspiegelte. Auch kleinere Ausstellungen gaben Einblick in ganz andere Themen. So zum Beispiel traditionelle koreanische Gewänder – wie sie getragen werden und hergestellt werden.
Und wer zur Buchmesse fährt und den ganzen Tag Bücher vor der Nase hat, möchte auch was kaufen. In der Messebuchhandlung habe ich diesmal nur einen Bruchteil dessen gefunden, wonach ich gesucht habe – die Ausbeute ist dieses Jahr eher bescheiden. Ist auch ein komisches Gefühl, wenn man zur Messe fährt und ganz genau weiß, welche Bücher man eigentlich am liebsten möchte – und das sind nun mal nicht gerade Kassenschlager, Neuerscheinungen oder Indie-Hits. Bei mir wurde es das Buch „Naokos Lächeln“ von Haruki Murakami, das ich zur Zeit wirklich ganz dringend lesen möchte und sehr froh war, als ich es tatsächlich dort irgendwo entdeckt habe. Zum Roman von Houellebecq: ich habe noch nie etwas von ihm gelesen. Aber als ich zur Zeit der Verfilmung von Elementarteilchen mal eine kurze Zusammenfassung gelesen habe, fand ich die Handlung so anders als alles was ich bisher kannte, dass ich mir immer gesagt habe ‚das liest du bevor du den Film schaust‘. Gesagt und vergessen. Dann lag das Buch einfach so in der Messebuchhandlung rum. („Einfach so“ – es sieht aus wie eine Neuauflage, sicherlich war die Veröffentlichung von „Unterwerfung“ der Anlass.) Irgendwie habe ich den tief-verwurzelten GLauben, dass wenn ich mal ein Buch von ihm lesen will, dass es dieses sein sollte. Keine Ahnung warum. Jetzt ist es da. Außerdem mussten auf der Buchmesse noch ein paar Notizbücher mit. Was ich sehr schade fand: die Manga-Verlage und Shops hatten kaum die Manga auf Lager, die ich kaufen wollte.
Mangako – die ‚Manga-Konferenz‘
Eine Premiere und mein letzter Pflichttermin am Messe-Freitag; Auf der MCC in Halle 1 sollte das erste Mal die sogenannte Mangako stattfinden. Eine Art Podiumsdiskussion über den deutschen Manga-Markt. Mit dabei: Dr. Joachim Kaps (Verlagsleiter von Tokyopop), Melanie Schober (Zeichnerin bei Carlsen) und Stavros (Mitbegründer der Fan-Community Sailormoon German). Moderiert wurde die Veranstaltung von Mikiko Ponczek, die ebenfalls Zeichnerin ist (Crash’n’Burn) und u.a. bereits das J-Mag moderiert hat. (Und ich würde mir wünschen, sie würde es wieder tun.) Die Diskussion widmete sich zuerst dem Thema Manga-Community – wie wird die Fanbase von den verschiedenen Leuten gesehen? Allgemeines Fazit: die deutsche Community ist sehr lebendig (und das sieht man auf der MCC) und wenn sie nicht wäre, stünde es schlecht um das Thema Manga in Deutschland. Das sind ziemlich offensichtliche Wahrheiten, weswegen ich das Thema etwas fruchtlos finde. Am interessantesten war noch von Joachim Kaps zu hören, dass den Verlagsleitern sehr wohl das Getrolle auf Webseiten nicht entgeht, wenn beispielsweise deutsche Synchro oder deutsche Zeichner kritisiert werden. Aber das ist kein Phänomen der deutschen Manga-Community, sondern ein typisches Internet-Problem, wenn ihr mich fragt. Mikiko fragte ihn außerdem, ob in der Verlagsbranche die Häuser ernst genommen werden, die sich Manga widmen. Herr Kaps antwortete darauf, dass das anfangs sehr wohl für hochgezogene Augenbrauen gesorgt hat, aber nach nun 20 Jahren mitlerweile nicht mehr. Da wurde mir erstmal selber bewusst wie lange es Manga schon in Deutschland gibt. Außerdem kam Melanie Schober darauf zu sprechen, dass die Community nicht überall im deutschsprachigen Raum so lebendig ist. Sie als Österreicherin kennt das von Zuhause anders. Da wäre Manga nicht überall gleich bekannt und es gäbe nicht soviele Conventions. Teilweise wäre den Leute auch nicht Mal bekannt, dass es österreichische Zeichner gibt, die verlegt wurden – so wie sie. Das fand ich ziemlich überraschend.
Wir ignorieren mal, dass das Datum nicht stimmt …
Noch interessanter war für mich das zweite Thema: deutsche Manga. Oftmals wird angekreidet, dass die Werke deutscher Zeichner nicht wie Manga aussehen oder die Handlung schlecht wäre. Insbesondere letzteres ist auch mein Problem mit deutschen Manga. Es gibt kaum welche, deren Szenarios mich ansprechen. Als Lösung schlägt Melanie Schober vor, dass man versuchen sollte sich der eigenen Kultur anzunähern. Deutsche Schauplätze und Namen zu wählen beispielsweise. Nicht ständig das Kopieren japanischer Themen. Da spricht sie ein gutes Thema an. Sie erwähnt auch, dass Manga in Deutschland immer noch eine Nische sind und von vielen nicht beachtet werden oder immer noch von Vorurteilen belastet sind. Deswegen werden erwachsenere Manga unter dem Schlagwort Graphic Novel veröffentlich (siehe beispielsweise Jiro Taneguchis „Der Gourmet“ bei Calsen). Das hilft wahrscheinlich den Verkaufszahlen, nicht aber dem Ruf von Manga. Dadurch wird verschleiert, dass Manga auch ernsthaft und erwachsen ist. Der (fehlende?) Mangazeichner-Nachwuchs wird außerdem angesprochen. Joachim Kaps spricht ein für mich fast utopisches Thema an. Nämlich, dass es keine Schulen oder Akademien gäbe, auf denen man das Mangazeichnen, Storyboards anfertigen, etc. lernen kann. Zu dem Zeitpunkt habe ich nur auf die Möglichkeit gewartet Fragen stellen zu dürfen. Wer Akademien verlangt, muss auch Arbeitsplätze schaffen. Wer keine Aussicht auf einen Job hat, von dem man Leben kann, wird wohl kaum eine Akademie besuchen. Ich hätte Herrn Kaps gerne gefragt, warum dann nicht mehr deutsche Zeichner eine Veröffentlichung erhalten? Und vor Allem: warum sind es nicht mehr Neue? Der Trend geht zur Zeit eher dahin, dass Verlage kein Risiko eingehen und bevorzugt Zweit-, Dritt- oder Viertwerke von bereits bekannten deutschen Zeichnern veröffentlichen. Ich hätte gern gewusst, was er darauf antwortet. Damit kein falscher Eindruck entsteht: ich finde seine Ansichten gut, auch dass er sich als Fanboy bezeichnet und so mit der Szene auseinandersetzt. Nur fehlt mir dafür irgendwie die Unterstützung seitens der Verlage. Vielleicht klein anfangen, indem man den Zeichnern (bezahlte) Assistenten vermittelt. In Japan gängige Praxis. So lernen die einen und die anderen werden unterstützt.
Wart ihr am Freitag auf der Messe? Oder generell auf der LBM? Ich fands am Freitag sehr angenehm. Nicht zuviele Menschen. Wie steht ihr zu den Aussagen von Amos Oz? Und zu den vielen auf der ‚Mangako‘ aufgegriffenen Themen? Seht ihr es ähnlich kritisch wie ich? Habt ihr euch schon einmal akkreditieren lassen?
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