Wenn mal wieder die Filmlandschaft einer bestimmten Nation hier Thema ist, stehe ich immer wieder vor der kniffligen Frage: was aufnehmen, was nicht? Bei Japan war klar, dass ich einen klassischen Samuraifilm brauche. Außerdem einen der Vorreiter auf der Welle asiatischer Horrorfilme war. Dann noch ganz klar eine Verfilmung eines Manga oder/und Realverfilmung eines Anime. Nicht zu vergessen ein Sozialdrama. Und einen der Hits der letzten Jahre. Und vielleicht noch einen, den ich ohne Bedenken mit jedem schauen würde. Und Trash. Aber auf Trash habe ich keine Lust. Gut. Lassen wir das aus. Sieben Filme zusammen? Perfekt. Nein. Gar nicht perfekt. Was ist mit dem Trash, dem Yakuzafilm, dem klassischen guten alten Godzilla oder einem Genre, das die Reihe heute noch nicht bedient? Nette Komödien wie ‚Swing Girls‘ muss ich unbedingt noch unterkriegen … mh, kein Platz mehr. Und Anime?? Naja, die sind im Blog wohl allgemein schon etwas überpräsent verglichen mit dem was die japanische Filmlandschaft sonst noch so zu bieten hat. Wir sehen: es ist die erste Mini-Werkschau über japanische Filme, aber mit Sicherheit nicht die letzte.
Die Sieben Samurai (七人の侍, „Shichinin no Samurai“) (1954)
Akira Kurosawa ist wohl der bekannteste japanische Regiesseur und steht für Erzählungen aus den Zeitaltern der Samurai und große Parabeln, die Gesellschaftskritik und Charaktere teilweise sogar erstmalig in den Vordergrund rücken. Jidai-geki ist der japanische Begriff für Historienfilme, von denen sich eine deutliche Mehrzahl mit Samurai beschäftigt und von denen Vertreter gerne Mal als Vorlage für Western dienten. So auch Kurosawas Die sieben Samurai. Darin versuchen Bauern sich vor Räubern zu schützen, die jedes Jahr das Dorf plündern. Sie wollen Samurai anheuern und geraten dabei nicht an die namhaftesten Ehrenmänner, letztendlich haben sie aber alle das Herz am rechten Fleck und sagen zu dem Dorf zu helfen. Angeführt werden die sieben vom erfahrenen und besonnenen Kambei (Takashi Shimura), wobei der aufmüpfige und vorlaute Kikuchiyo (Toshirō Mifune) des öfteren Meinungen und Vorhaben der anderen sprengt. Gelingt es den sieben ungleichen Samurai das Dorf zu beschützen?
Bevor ich den Film gesehen habe, hatte ich nicht im Mindesten erwartet, dass er so abwechslungsreich sein würde. Das Repertoire von Die Sieben Samurai reicht von witzig bis spannend zu tragisch. 1954 – das ist mehr als ein halbes Jahrhundert her und trotzdem ist der Film faszinierend. Sei es einfach nur die Darstellung wie man im Jahr 1587 im fernen Ost gelebt hat und welche Wertvorstellungen es gab. So mussten Samurai beispielsweise einen anständigen Stammbaum vorweisen können. Auch das Los der Bauern und ihr Aberglauben spielt eine Rolle. Was in Kurosawas Filmen erfrischend anders war und sie vermutlich gerade deswegen so groß gemacht hat ist das unpathetische. Da hat jeder der Samurai (und der Dorfbewohner) so seine kleinen Eigenarten und Marotten, Stärken und Schwächen. Wer Samurai hört, der denkt zuerst an Ehre und bedingungslosen Gehorsam einem Herrn gegenüber, aber diese Charakterköpfe haben noch mehr als die üblichen Floskeln zu bieten. An manch einer Stelle habe ich mich auch gefragt: wie hat Kurosawa das mit den damaligen Mitteln gefilmt? War das nicht eine Mammutaufgabe? Und die Recherche zeigt: das war es wohl. Der Film galt lange als teuerster japanischer Film bis Kurosawa diesen Rekord mit einem weiteren seiner Filme selber brach (Ran). Um die Kämpfe aus mehreren Winkeln aufzeichnen zu können, filmte er gleichzeitig mit 3 Kameras, da es damals eben nicht eine ganze Horde Kampfchoreografen und Continuity-Leute gab, die alles aufzeichneten und durchplanten. Auch was das betrifft dürfte er ein Vorreiter auf seinem Gebiet gewesen sein und ich ziehe meinen imaginären Hut.
(10/10)
Ring (リング, „Ringu“) (1998)
Ich kann es nicht mit Genauigkeit sagen, was der Anfang des Trends war – aber Ringu schwamm auf der Erfolgswelle ganz vorn mit. Seitdem bevölkern kleine gruselige Kinder die Horrorfilmlandschaft. Im Film hört die Journalistin Reiko Asakawa (Nanako Matsushima) von einem mysteriösen Video: schaut man es, stirbt man nach genau 7 Tagen. Als sie erfährt, dass ihre Nichte Tomoko dieser urban legend ebenfalls zum Opfer gefallen sein soll, beginnt sie zu ermitteln. Tatsächlich sind einige Teenager zeitgleich gestorben, die alle zusammen in einer Ferienhütte das Video geschaut haben. In der Ferienanlage findet sie das Band sogar und sieht es sich selbst an. Seltsame Visionen plagen sie und sie bekommt Angst und bittet ihren Ex-Mann Ryuji (Hiroyuki Sanada) um Hilfe. In einer unaufmerksamen Minute guckt sich aber ihr kleiner Sohn das Video an und jetzt befällt sie die blanke Panik: sie müssen das Rätsel um das Video lösen, ansonsten werden sie alle sterben.
Willkommen im Ring–Universum. Der Film basiert auf dem ersten Band einer Trilogie des japanischen Schriftstellers Koji Suzuki. Es folgten mehrere Verfilmungen, koreanische Remakes, Manga und natürlich das amerikanische Remake. Das war auch mein Einstiegspunkt. Kurz danach habe ich die Romane gelesen (und war begeistert). Über die Unterschiede zwischen Buch-Film, Film-Film etc. könnte man eine Doku drehen. Letztendlich beschränke ich mich darauf zu sagen, dass ein großes Plus des japanischen Originals Ringu der Realismus ist. Ich finde die Reaktionen der Beteiligten oftmals echter als im US-Remake und auch den Umstand, dass sie stundenlang gegen Ende an dem Brunnen zubringen und dass Reiko einen Schwächeanfall vor Anstrengung erleidet realistischer. Die Opfer des Fluchs haben hier auch keine so extrem entstellten Gesichter wie in der amerikanischen Variante (allerdings mochte ich den Schock-Moment im US-Remake, wenn man die Fratzen gesehen hat). Was für mich im Original nicht so gut funktioniert ist die Auflösung. Dass dem Mädchen Unrecht getan wurde und es bittere Rache übt, wird hier kaum hervorgehoben und erstmal hinter der Geschichte der übersinnlich begabten Mutter verschleiert. Das ist erstmal ein Tanz um die eigentliche Auflösung, der sich zu lange im Kreis dreht, wesentliche Fragen offen lässt und Sadako nur als Monster skizziert. Da finde ich allen ernstes mal die Änderungen im Remake sinnvoll.
(7/10)
Casshern (キャシャーン) (2004)
Die lose auf dem Anime Shinzō Ningen Casshern basierende dystopische Zukunftsversion setzt nach einem lange währenden Krieg ein, der einen Gewinner brachte, aber keinen Frieden. Die Unruhen halten an und fordern immer mehr Opfer, v.A. viele Totkranke durch die Spätfolgen von ABC-Waffen. Der Wissenschaftler Prof. Azuma (Akira Terao) entwickelt ursprünglich zur Heilung der Kranken sogenannte Neo-Zellen, die sich selbst regenerieren können. Die Regierung und das Militär missbraucht das Projekt, um Supersoldaten zu schaffen. Zeitgleich tritt sein Sohn Tetsuya (Yusuke Iseya) den Militärdienst an und will seinem Land dienen in der Hoffnung irgendwas ändern zu können. Das führt zum Zerwürfnis mit seinem Vater und viel Bitterkeit, als Tetsuya an der Front stirbt. Als durch einen Unfall in Prof. Azumas Forschungsstation die Neo-Zellen unkontrolliert zu potentiellen Supersoldaten erwachen, sieht sich das Militär ihnen nicht gewachsen und versucht sie zu töten. Einige von ihnen entkommen und nehmen Azumas Frau als Geisel. In seiner Verzweiflung versucht er seinen Sohn Tetsuya mit den Zellen zu erwecken, was gelingt. Damit er aber unter dem unkontrollierten Wachstum der Zellen nicht zerrissen wird, bekommt er einen Spezialanzug. In seiner Quasi-Rüstung, mit übermenschlichen Kräften ausgestattet und von den Erinnerungen an den Krieg gezeichnet, erkennt sich Tetsuya kaum noch selber als Mensch und nennt sich fortan Casshern. Der Plan seine Mutter zu befreien konfrontiert ihn letztendlich mit den Drahtziehern des Krieges, aber auch den entflohenen Supersoldaten.
Casshern ist schwierig in Worte zu packen, da sowohl die Handlung, als auch die Optik übersprudeln vor Pathos, schwerwiegenden, moralischen Fragen und … Buntheit. Nennen wir es mal so. Hierbei handelt es sich um einen mittels Digital Backlot-Technik produzierten Film, d.h. er ist ausschließlich vor dem Green Screen entstanden. Aber nicht nur die Hintergründe wurden digital hinzugefügt, auch die Szenen sind so stark mit der CGI-Axt zurechtgestutzt worden, dass es fast schon überwältigend ist. Fast jede Szenen wird gemäß der Atmosphäre in ein anderes Licht gesetzt – und das nicht gerade dezent. Die Effekte und Actionszenen sind überbordend – wenn man sieht wie hoch Tetsuya springt, erkennt man sehr leicht den Animeursprung. Nicht zuletzt auch an dem offensichtlichen Einsatz von Speedlines. Bewegtbilder aber wieder zurück zur 2D-Ebene zu bewegen muss man mit Fingerspitzengefühl handhaben. Nicht mit der Konfetti-Bombe. Und dann sind da noch die filigranen Einblendungen, die ständig irgendwie im Vordergrund aufblitzen… . Muss man mögen, mir ist es schlichtweg zuviel. So übertrieben ist nicht mal ein Anime. Zumal die Effekte mitunter auch nicht mehr zeitgemäß sind. Ich denke nur an die Roboterarmee, die eher leidlich gut animiert ist. Der nächste Punkt ist die ebenso überfrachtete Handlung. Man sollte nicht zuviel auf Logik geben, das steht schon Mal fest. Davon mal abgesehen vereint der Film unendlich viele Motive, die dem Zuschauer einiges abverlangen. Korruption, die Gräuel des Krieges, das Zurücklassen der Familie für den Krieg, militärische und politische Willkür, Schuld und das ganze geht sogar bis zum Thema Genozid und Götterkomplex am Beispiel der niedergemetzelten Supersoldaten, die sich – und hier wirds ganz schwierig – als eine überlegene Herrscherklasse sehen und die Menschen niederjochen wollen. Puuh. Jetzt wissen wir auch gleich welche kranken Ideologien der Film noch aufgreift, obwohl die Motive Krieg und Willkür schon schlimm genug sind. Das muss man erstmal verkraften. Nicht einfach, denn fast jeder Charakter wird systematisch demontiert. Anfangs konnte man mit den „Neo-Menschen“ noch Mitleid haben, als sich aber ihre Gesinnung so schnell vom Opfer zum Tätern wandelt, ist auch das dahin. Casshern ist zu extrem, um dann noch mit ihnen Mitleid zu haben. Dabei liefert Casshern viele interessante Ideen und traurige Nebenhandlungen, die nachdenklich stimmen. Die Steampunk-Optik hat auch was für sich, obwohl sie mir zu grell gestaltet wurde. Die Grundgedanken des Films mögen ja löblich sein, aber die Umsetzung ist zu überfrachtet mit Motiven und vertritt zu gewollt eine angebliche Anime-Optik. Interessanterweise ist Casshern einer der im Westen bekannteren japanischen Filme.
(5/10)
Nobody Knows – Die Kofferkinder (誰も知らない, „Daremo Shiranai“) (2004)
Der Regiesseur Hirokazu Koreeda ist bekannt dafür, dass seine Filme einen Einblick in das Leben japanischer Familien sind und nicht selten in einem Sozialdrama münden (Still Walking; Like Father, Like Son). So auch der Film Nobody Knows, der schon unheilvoll beginnt. Nobody Knows – niemand weiß. Niemand weiß, dass die Mutter (YOU) von nebenan nicht nur eins, sondern vier Kinder hat. Sie versucht es geheim zu halten und eines Tages verlässt sie die Familie sogar, weil sie vor ihrem neuen Partner ebenso geheim halten will, dass sie vier Kinder hat, die alle von verschiedenen Vätern stammen. Nach einiger Zeit taucht sie nochmal auf, lässt etwas Geld da und beteuert, dass sie Weihnachten wiederkommt. Wir wissen schon jetzt: sie wird nicht zurückkommen. Anfangs genießen die Kinder rund um den ältesten Akira (Yūya Yagira), dass sie machen können was sie wollen. Aber irgendwann wird Strom und Wasser abgestellt. Nobody Knows ist einer dieser Filme, die man aus Interesse schaut und nicht zwingend um einen lockeren oder lustigen Filmabend zu haben. Die Geschehnisse sind schwer zu verdauen, insbesondere aufgrund der unbequemen Wahrheit, dass der Film auf wahren Ereignissen aus dem Jahr 1988 in Tokio basiert. Nicht nur, dass eine Mutter ihre Kinder verlässt und sich einen Dreck darum schwert, was aus ihnen wird, auch der sich radikal verschlimmernde Zustand der Kinder geht einem an die Nieren. Yūya Yagira spielt dabei den Ältesten unter den Geschwistern, der sich um sie alle kümmern soll. Keine leichte Kost, sondern ein eindringlicher Film, der den Status von Familie und Kindern in der Gesellschaft in Frage stellt – oder viel mehr das zweifelhafte Bild einiger darüber. Die Fernsehfilmoptik und die sich sehr langsam entwickelnde Geschichte sind meine einzigen Kritikpunkte, aber die kehren sich mit zunehmender Intensität des Films quasi um und das realitätsnahe wird zur Stärke des Films.
(8/10)
20th Century Boys 1: The Beginning of the End (20世紀少年 -第1章- 終わりの始まり) (2008)
Kenji (Toshiaki Karasawa) führt einen コンビニ („Konbini“, 24-Stunden-Laden) und kümmert sich nebenbei um Kana, seine Nichte. Kenjis Schwester hat die Familie verlassen und ihre Tochter ohne ein Wort der Erklärung zurück gelassen. Ansonsten ist Kenjis Leben eher normal, seine Mutter triezt ihn, genauso wie der Manager des Konbini. Eines Tages aber liest er in der Zeitung vom Tod von Donkey, einem seiner Freunde aus der Kindheit. Ein Selbstmord soll es gewesen sein — unmöglich. Kenji weiß, dass Donkey nicht der Mann für Selbstmord ist. Er beginnt sich umzuhören und nachzuforschen und stolpert dabei über ein Symbol: Eine Hand mit erhobenem Zeigefinger umringt von einem Auge. Er kennt es! Seine Freunde und er haben es sich als Kinder ausgedacht. Sie stellten sich vor Superhelden zu sein, die Bösen zu bekämpfen, haben eine geheime Bude gebaut und dort Manga gelesen und Radio gehört. Aber wie kommt das Symbol dorthin?. Die Spur führt zu einem Guru, der sich auch mit dem Symbol schmückt, stets maskiert auftritt und sich schlicht der Freund nennt. Bald muss Kenji erkennen, dass Freund über Leichen geht. Und eine unangenehme Ahnung drängt sich auf: ist Freund einer seiner Kumpels aus der Kindheit? Er schart die alten Freunde um sich und geht der Sache auf den Grund.
Der Film ist der erste Teil von Yukihiko Tsutsumis Trilogie, die auf dem gleichnamigen Manga meines erklärten Lieblings-Mangazeichners Naoki Urasawa basiert. Die Filme weichen leicht ab, sind aber insgesamt trotzdem noch einige der originalgetreueren Live-Action-Movies, die Manga als Vorlage haben und deckt dabei ungefähr die Bände 1-5 des Manga ab. Im Film wie im Manga gibt es immer wieder Rückblicke in die Kindheit von Kenji und seinen Freunden und das weckt Erinnerungen! An die Geschichten die man sich gemeinsam ausgedacht hat, die Manga die man sich gegenseitig geliehen hat. Geheimverstecke und ganz viel wunderbaren Blödsinn. Aber auch die Mobberkinder, die einem das Leben schwer gemacht haben und wie man sich gemeinsam beschützt hat. Ab und zu schimmert der Pathos durch, den man oft beim japanischen Film findet, wenn er auf Manga basiert. Was bei Buchverfilmungen oftmals kritisiert wird ist, dass sie das Flair des Romans nicht einfangen oder zuviel abwandeln. Wenn man es zu genau nimmt, geht das auch nicht gut. So werden im ersten Teil von 20th Century Boys oftmals besondere Panels, also Szenen, bedeutungsschwanger und einen Hauch theatralisch umgesetzt – beispielsweise Yukijis (Takako Tokiwa) Auftritt. Das wirkt etwas befremdlich und wie ein Bruch mit dem ansonsten tadellosen Film. Es gelingt eben nicht immer so überzeugend und vereinnahmend die Handlung rüberzubringen wie es der Manga mit Selbstverständlichkeit tut. Dabei kann ich euch sagen, dass die Geschichte an sich voller liebenswerter und spannender Charaktere und Nebenhandlungen nur so strotzt und sich eine tolle, dynamische Geschichte aufspannt, die eine riesengroße und bittere Verschwörung lostritt.
(7/10)
Nokan – Die Kunst des Ausklangs (おくりびと, „Okuribito“)
Tod ist ein Thema mit dem die meisten Menschen Berührungsängste haben und es eher meiden. Als der Cellist Daigo Kobayashi (Masahiro Motoki) seinen Job bei einem Orchester verliert und keine neue Anstellung findet, beschließt er sich umzuorientieren. Er bewirbt sich auf eine Stellenanzeige, die irgendwas mit Reisen zutun hat und denkt an eine Stelle in der Tourismusbranche. Als er beim Arbeitgeber ankommt, wird (nicht unbedingt sofort ^^“) klar, dass es sich dabei um die letzte Reise handelte. Er hat sich bei einem Bestattungsunternehmen beworben. Aus Mangel an Alternativen tritt er die Stelle an, verrät aber seiner Frau Mika (Ryōko Hirosue) und seinen Freunden nichts. Das ist der Anfang einer kleinen, stillen Geschichte mit einigen sehr witzigen Einlagen und nachdenklich-melancholischem Unterton. Wie sehr Daigo mit seiner neuen Arbeit hadert ist mindestens genauso sehr Thema wie der ambivalente Ruf seines neuen Jobs in der Öffentlichkeit, aber auch die Verarbeitung seiner eigenen Familiengeschichte. Das Thema Tod wird hier sehr menschlich betrachtet und gleichzeitig bekommt man einen Einblick wie zeremoniell die Totenwache in Japan von statten geht. Trotzdem ist es alles andere als ein beliebtes Thema und offensichtlich ist Bestatter kein unbedingt beliebter Beruf. Die Ablehnung wirkt um einiges größer als hier. Wenn ich aber so sehe womit es Daigo zutun hat, möchte ich auch nicht mit ihm tauschen. Vielleicht hat Regiesseur Yōjirō Takita deswegen nicht wirklich damit gerechnet, dass der Film so erfolgreich wird. Tatsächlich hat Nokan – Die Kunst des Ausklangs nicht nur viele japanische Filmpreise (Japanese Academy Award, Blue Ribbon Award) abgeräumt, sondern auch im Jahr 2009 den Oscar für den besten fremdsprachigen Film gewonnen. Das hat sich gelohnt würde ich behaupten. Sieht Hauptdarsteller Masahiro Motoki bestimmt ähnlich, denn der hat extra Cello spielen gelernt. Nokan bzw. Okuribito – für mich einer der japanischen Filme die alles richtig machen, von Kamera über Schnitt und Schauspiel.
(9/10)
Geständnisse (告白, „Kokuhaku“) (2010)
Eine Schulklasse, lautes Geschrei, anfangs hört niemand der Lehrerin zu. Als aber Frau Moriguchi (Takako Matsu) verkündet, dass es ihr letzter Tag sei, hat sie plötzlich ungeteilte Aufmerksamkeit. Sie hört auf, hat aber noch eine letzte Botschaft an ihre Klasse. Nämlich, dass ihre kleine Tochter Manami vor einigen Monaten umgebracht worden sei und sie wisse, dass es zwei Schüler dieser Klasse waren. Niemand gibt es zu. Als sie sagt, dass sie die Trinkmilch der Täter mit dem Blut ihres HIV-kranken Mannes versetzt hat, bricht Panik aus. Die Kinder halten sich für infiziert, drehen durch und geben sich zu erkennen: es sind Shuya (Yukito Nishii) und Naoki (Kaoru Fujiwara). Diese psychologische Spitzfindigkeit ist nur der Angang einer psychologischen und brutalen Abwärtsspirale.
Kokuhaku war ein Sensationshit und machte die Autorin der literarischen Vorlage, Kanae Minato, berühmt-berüchtigt. Der Film selber ist von seiner Machart her sehr überzeugend – es gibt einige Bilder, die mir nicht mehr so schnell aus dem Kopf gehen werden. Beispielsweise die unruhige Klasse voller kleiner zweifelhafter Charaktere – da wünscht man sich nie wieder die Schulbank drücken zu müssen. Aber auch ihre Grüße an Naoki oder … naja, das Feuer. Geständnisse bleibt im Kopf, obwohl die Handlung des Films es sich schon fast zu einfach macht. Große, schwere Motive wie Mobbing, Vernachlässigung, dysfunktionale Familien, Schuld, Rache und Selbstjustiz werden hier wie in einer Perlenkette aneinander gereiht, es wird gemordet und seelisch gefoltert. Ständig dreht und wendet sich die Geschichte und es gibt einen weiteren Twist. Das Spiel mit den Grauschattierungen funktioniert hier ziemlich gut: man weiß mitunter wirklich nicht, wen man hassen oder bedauern soll. Aber die Twists und Wendungen sind extrem übertrieben und mindern die Glaubwürdigkeit der Geschichte extrem. Wie alle Charaktere verbunden sind, was ihre einzelnen Pläne sind und die ganzen Wendungen üben auch genug Reiz aus, dass man unbedingt wissen will wie es ausgeht… ein Teufelskreis.
(8/10)
Seufz. Wie ist der japanische Film? Durchwachsen. Ich sehe das japanische Kino ähnlich wie das deutsche Kino. Wir haben so unsere Stärken und krallen uns bei denen fest. Beim deutschen Film sind das wohl Dramen und Filme über historische Ereignisse. Was das japanische Kino betrifft, sind das wohl Samurai- und Horrorfilme (nicht notwendigerweise beides gleichzeitig), Trash (‚Robo Geisha‘ und Konsorten) und Sozialdramen. Ich liebe Manga, ich lerne sehr sehr gern die japanische Sprache, ich möchte das Land unbedingt mal sehen, aber ich liebe auch Film und es tut mir ein bisschen weh das zu sagen, aber japanische Filme haben bei mir meistens einen Stein im Brett, weil sie aus Japan stammen, aber in den selteneren Fällen, weil sie so hammergut sind. Das ist nur meine Sicht – wäre ich im japanischen Kulturkreis aufgewachsen, würde ich möglicherweise amerikanische oder französische Filme seltsam finden. Aus meiner Sicht liegt das daran, dass ich mich so schwer damit tue, weil japanische Filme und Schauspieler immer zwischen zwei Extremen pendeln. Zu wenig oder zu viel. Zu wenig acting, zu wenig Spannung, zu wenig Konflikt oder zuviel, Overacting, zu derbe Effekte. Durch das doch der sehr andere Verständnis des Filmemachens wirken die Schauspieler manchmal hölzern auf mich und ich habe den Eindruck, dass der japanische Film zu wenig Emotion zulässt, das Repertoire an Mitteln nie ganz ausschöpft. Was man mit Schnitt, Kameraarbeit und Soundtrack alles machen kann! Andere sehen gerade das als die große Stärke des japanischen Kinos. Es wirke realer und nicht so übertrieben wie amerikanische Blockbuster. Ich denke beides ist irgendwo richtig.
„7ème art“ (Sprich: septième art) heißt „siebte Kunst“. Gemäß der Klassifikation der Künste handelt es sich hierbei um das Kino. In dieser Kategorie meines Blogs widme ich mich also Filmen – evtl. dehne ich den Begriff dabei etwas. Regulär stelle ich zwischen dem 1. und 5. jeden Monats jeweils 7 Filme in kurzen Reviews vor.
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