Fantastischer Film: Hunde, die bellen, beißen nicht

Ein Bellen zerreißt die Stille. Eben noch widmete sich der arbeitslose Yun-ju (Lee Sung-jae) seiner täglichen Routine und der Einöde in seinem Wohnblock, da raubt ihm ein Kläffen den letzten Nerv. Hunde sind hier im Wohnkomplex doch gar nicht erlaubt!? Er geht dem Gebell nach und beschließt ohne große Umschweife sich des kleinen Kläffers zu entledigen. Aber der geplante Hundsmord wird eher Slapstick, als ständig jemand dazukommt und sein Vorhaben stört. Ungewollt lernt Yun-ju das eine oder andere Geheimnis über seinen Wohnblock und seine Bewohner und versucht dabei seinen Tiermord zu verheimlichen. Auf der anderen Seite ist da Hyeon-nam (Doona Bae). Sie ist Buchhalterin im Büro der Immobilienverwaltung und bekommt mit wie ein Hund nach dem anderen verschwindet. Yun-ju ist offenbar umtriebig. Sie will dem Verschwinden der Vierbeiner auf den Grund gehen.


„Barking Dogs Never Bite – Trailer“, via committedtofilm (Youtube)

Klingt furchtbar, oder? Ist es auch. Wenn Yun-ju kleinen Kindern ihr Haustier und einer alten Frau ihre „Schätzchen“ wegnimmt, dann wirkt das einerseits einfach nur durchtrieben, bösartig und grausam. Zumindest in der Inhaltsangabe. Tatsächlich hat es einen gewissen Slapstick-Faktor, der den Film zu einer exzellenten schwarzen Komödie macht. Aber zu einer reduzierten, denn im Zentrum steht das Leben und die Orientierungslosigkeit des arbeitslosen Professors Yun-ju und der in ärmlichen Verhältnissen lebenden Buchhalterin Hyeon-nam. Beide tun etwas sehr signifikantes aus den falschen Gründen. Bei Yun-ju ist es die Frustration darüber, dass er keinen Job findet und seine Frau die Alleinverdienerin ist. Bei Hyeon-nam ist es die fehlende Anerkennung und Bedeutung im Leben, die sie versucht zu kompensieren, indem sie als Retterin der Hündchen in die Schlagzeilen kommen will. Auch hier gibt es also wieder die Bong Joon-ho-sche feine Note der Gesellschaftskritik und Grauschattierungen.

Wie so oft in seinen Filmen wird der Gesellschaft der Spiegel vorgehalten. Wir verachten vielleicht die Taten der Protagonisten, aber wir wissen auch, dass ihr Antrieb leider höchst menschlich und menschgemacht ist. Selbst der Hundsmörder ist hier nicht einfach nur böse, sondern wir werden Zeuge seiner Verzweiflung und ja, leiden mit ihm. Indirekt stellt Bong Joon-hos Film die Frage, ob das Leben nicht ein Kreislauf ist, indem stets einer sein Unglück an seinem Nächsten auslebt. Sinnbildlich davor stehen die gelegentlichen Totalen des Wohnblocks. Tür an Tür, Fenster an Fenster, alle gleich. Wie überlebt das Individuum in diesem Zoo? Das ganze mit dem feinen, fiesen, manchmal lakonischen Humor zu betrachten, macht es einfacher bis hin zu sehr witzig den Film zu schauen und tut das einzige, wie man einem Kreislauf entkommen kann. Ihm jede Macht nehmen, darüber lachen, ausbrechen. Und ein bisschen mehr wie Hyeon-nam zu sein. Die vielleicht ihre Lehre eher gelernt hat als Yun-ju und das beste aus der Situation macht- egal wie sie aussieht. Denn das ist unser Leben und es ist nicht immer fair, glanzvoll oder glorreich, aber es ist unser Leben. Gespickt wird das ganze mit Gruselstorys aus dem Block, den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Toilettenpapier und einer großartigen Kamera, sowie Gespür für Schnitt, Dramaturgie und Mise en Scène wie es selten ist bei dem Debut eines Regisseurs. Ich möchte gar behaupten, dass es ein frühes Parasite ist, nur mit weniger Lachern. (Sorry!)

Hunde, die bellen, beißen nicht (OT: 플란다스의 개 „Flandersui gae“), Südkorea, 2000, Bong Joon-ho, 106 min


„BARKING DOGS NEVER BITE | Official Clip | Exclusively on Curzon Home Cinema Now“, via Curzon (Youtube)

Header image uses a Photo by Kilyan Sockalingum on Unsplash

Jeden Monat stelle ich einen Film vor, den ich für einen fantastischen Film halte – losgelöst von Mainstream, Genre, Entstehungsjahr oder -land. Einfach nur: fantastisch. 😆

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