Eigentlich ist der ganze Titel „Best of National Geographic: Die Welt der Codes – Geheime Botschaften und ihre Entschlüsselung“ und beantwortet schon ein paar Fragen rund um den Inhalt. Das Buch lächelte mich irgendwo zum Supersonderpreis an und ich dachte warum nicht mal mein Wissen über antike Codes und Reste meiner Erinnerung an das Studium auffrischen. An wen richtet sich aber die „Best of National Geographic“ Ausgabe?
Hinter dem von Paul Lunde herausgegebenen Buch steht natürlich einer ganzer Berater*innen- und Autor*innen-Stab. Inhaltlich gliedert sich die Ausgabe in Kapitel die die menschliche Entwicklung und erste Formalisierungen von bspw. Zahlensystemen oder Kalendern als erstes Auftreten von Codes einordnen lange bevor der Begriff „Code“ entstand. Auch ich muss gestehen, dass ich einige frühe Kommunikationsmittel Eingeborener nicht direkt als Code eingeordnet hätte, es aber definitiv eine solche Formalisierung ist. Die Kapitel gehen dann über in solche, die sich Geheimbünden widmen, der Fernkommunikation (Schifffahrtszeichen, Sichtzeichen, Morse, …) und Verschlüsselung und berühmten Codes (Cäsar-Chiffrierung, etc.).
Dass die Kapitel vorhanden sind, hätte wohl jeder mit einem MINT-Hintergrund oder allgemeinem Interesse an Verschlüsselung erraten können. 🙂 Mehr überrascht haben mich die Kapitel über Verhaltenskodex und andere Codes in der Gesellschaft, die durchaus von Knigge bis hin zu Slang (Pig Latin, Cockney Slang) bis hin zu popkulturell-gesellschaftlichen Strömungen reichen (Emo, Goth, Punk, unvm). Die habe ich tatsächlich nicht kommen sehen. Die Kapitel haben mich nochmal umso mehr Codes im Verhalten von Menschen suchen lassen. Erst das letzte Kapitel heißt „Das digitale Zeitalter“ und geht auf Codes rund um IT ein.
Die einzelnen Kapitel des eher großformatigen, bunten und stark bebilderten Buches sind liebevoll gestaltet und mit gerade dem richtigen Verhältnis aus Text und Bild. Meist beginnen sie mit einer kleinen Einführung in den historischen Kontext, denn es wird kapitelbedingt durchaus in den Jahreszahlen und zwischen historischen Strömungen gesprungen. Auf dem Rest der Seite finden sich Erklärungen am Rand und dazwischen bebilderte praktische Beispiele all dessen, was das Kapitel vermitteln möchte. Natürlich sind da immer einige schöne Spielereien dabei, an denen man sich auch mal ausprobieren kann oder verschlüsselte Botschaften zu dechiffrieren. Insbesondere wenn die Verschlüsselungs- und Kodierungsverfahren komplizierter werden, war ich für die schematischen Darstellungen dankbar. Auch das ist ein Code: Text beschreibt Verschlüsselung sicherlich korrekt, aber im Fließtext und damit „obfuscated“ (verschleiert). Und das macht es nicht immer nachvollziehbarer. Auch dafür sensibilisiert das Buch – manchmal dadurch, dass es versucht es „richtig zu vermitteln“.
Recht sportlich ist, dass sich wirklich immer eine Doppelseite eines Themas widmet. Es dürfte kein Absatz mehr Text auf den Seiten sein, sonst würden sie einen erschlagen. Die Masse an Bildern, Diagrammen, Beispielen usw. ist aber sehr angenehm und sehr cool. Ich bin definitiv schlauer geworden beim Lesen auch wenn ich mir die Masse an Informationen sicherlich nicht vollständig behalten habe. In vielen Punkten ist es wohl auch eine Auffrischung oder Nice-to-know. Die unsichtbare Tinte hätte ich bspw. nicht bei den Römern verortet. Allgemein versprüht das Buch ein gewisses Indiana-Jones-Feeling bedingt durch die vielen historischen Themen, Geheimschriften und Skandale, die Chiffren involvieren. Besonders geheimnisvoll wird es dann bei den kriminellen Codes, bisher ungeknackten Chiffren und den Berichten um Serienkiller wie Zodiac, der einen Code verwendet hat und nie gefasst wurde.
Ganz so spannend ist es aber leider nicht überall. Gerade zu Beginn wo es um die Entwicklung von Zahlensystemen geht oder die Verständigung zwischen Völkern der Frühzeit, wirkten die Inhalte wie ein reines Fakten-Nennen und haben mich weniger abgeholt. Hier zeigt sich eben schnell, dass es stark darauf ankommt mit welchem Hintergrund und welchen Erwartungen Leser*innen zu der Ausgabe greifen. Die Welt der Codes ist fantastisch für Leserschaft allgemein. Man muss kein Vorwissen aus Mathematik, Geschichte oder Informatik mitbringen, weil alles vermittelt wird. Wer wie ich mit einem technischen Hintergrund draufschaut, wird die IT suchen müssen. Man sollte aber zumindest die Erkenntnis mit rausnehmen, dass Codes sich definitiv nicht nur auf mathematische Aspekte oder Anwendungen innerhalb des digitalen Zeitalters beziehen, sondern viel mehr ein Mittel sind mit dem so ziemlich alles kodifiziert und formalisiert werden kann. Auch Gesten, menschliches Verhalten etc. D.h. es lässt sich sicherlich alles auf mathematische Weise ausdrücken, muss es aber nicht.
Zumindest war das für mich eine einerseits interessante Auffrischung historischer Fakten und ein interessanter Erkenntnisgewinn. 🙂 Wie taktisch entscheidend Verschlüsselung zuweilen war (Stichwort Enigma beispielsweise) oder es immer noch ist und wie alt manche Verfahren und Ideen sind, erfüllt einen nochmal mit einer anderen Form der Ehrfurcht vor dem Thema. Durch meinen „beruflichen Bias“ hätte ich im Grunde jede 3. Seite in ein Kapitel „Codes in der Informatik“ oder „Codes in der Mathematik“ gepackt. So geht beispielsweise das Kapitel „Codes des Handels“ u.a. auf die ISBN ein, wie man sie auch hier am Ende des Artikels findet, um das Buch eindeutig zu identifizieren. Wie werden solche Codes verarbeitet (und vergeben!), wenn nicht durch IT-Systeme?
Aber andererseits finden sich in den Kapiteln tatsächlich reichlich zusammenhängende Codes, die die Bündelung in die eigenen Kapitel logisch machen. Sehr angenehm und witzig ist, dass auf der Seite rund um Usus im Lektorat und Buchhandel das Buch selbst als Beispiel dient. Das letzte Kapitel, dass sich nun explizit der IT widmet, ist dafür etwas ungenau und nicht mehr besonders aktuell. Der Blick ins Impressum zeigt: das Buch ist es auch nicht – es ist von 2009. Wie kann das Fazit nun also lauten? Für alle die einen breit gefächerten Einblick in historische, gesellschaftliche Codes und mathematische Chiffren haben wollen, ist es definitiv ein anschauliches und spannendes Buch. Zeitaktualität und Fokus auf IT im 21. Jahrhundert sollte man eher nicht erwarten, was ok ist. Ich denke, dass das nicht das Ziel für das Buch war oder sein sollte.
Besprochene Ausgabe: ISBN 978-3-86690-123-0, National Geographic Deutschland
Ich muss gestehen … ich reibe mich gerade sehr an dem „Printend in China“ auf, das ich gerade in dem Impressum gelesen habe. Aber nun gut, man kann es jetzt nicht mehr ungedruckt machen. Wenn ihr aus meiner Besprechung rauslest, dass ich mich am Anfang etwas gelangweilt, in der Mitte gut unteralten und am Ende etwas amüsiert über das (ungenaue) IT-Wording gefühlt habe, dann habt ihr das richtig gelesen. 🙂 Es ist aber genau die Art Buch, die ich mal aufhebe, um sie an Interessierte weiterzugeben oder sollte das mal ein Thema sein an mein(e) Kind(er). Welches Sachbuch zum Thema könnt ihr empfehlen?
Netzgeflüster ist eine Kategorie meines Blogs in der ich mich immer zwischen dem 10. und 15. eines jedes Monats Themen aus IT, Forschung, Netzwelt und Internet widme genauso wie Spaß rund um die Arbeit mit Bits und Bytes. 🙂
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