Könnte mit großer Wahrscheinlichkeit eins meiner Bücher des Jahres werden. In Simone Buchholz Roman Unsterblich sind nur die anderen sind drei Männer abhanden gekommen. Iva und ihre Freundin Malin wollen sie finden, denn unter ihnen ist Malins bester Freund und Familie in einem. Er und zwei seiner Kumpels gingen an Board der Nordatlantikführe MS Rjúkandi, aber stiegen nicht wieder aus. Auf Anrufe? Keine Reaktion. Um Malin bei der Suche zu unterstützen, lässt Iva ihre Tochter bei dessen Vater. Nichtsahnend, dass auch sie nicht so schnell zurückkommen wie sie dachten.
Noch ein Pillchen
Von Anfang an läuft alles etwas anders als gedacht. Auf der MS Rjúkandi lernen sie einen Musiker kennen, mit dem Malin sich öfters mal davonstiehlt. Iva hat schlimme Seekrankheit und holt sich Tabletten dagegen aus der Board-Apotheke. Entweder haben die eine sehr spezielle Wirkung oder auf der Fähre passieren seltsame Dinge. Die Barfrau sieht jedes Mal wie eine andere aus. Die Crew ist überbordend schön und glücklich. Und Zeit!? Zeit ist kein Konzept.
„Ein paar Möwen stiegen auf und stellten sich in den Wind. Riesige Möwen. Profimöwen.“
p.30
Alles gut. Keine Probleme hier.
Simone Buchholz‘ erzählt von ihren Protagonisten in wechselnden Textformen. Die meisten Kapitel widmen sich Iva und wie sie die Geschehnisse an Board wahrnimmt. Dazwischen gibt es außerdem auch Tagebucheinträge, die wir bald schon dem Kapitän zuordnen können, der wohl als einziges Crewmitglied nicht nur schön und glücklich ist. Spätere Abschnitte werden rein in Dialogform erzählt, es gibt Verse und später gar Kapitel die wie ein Theaterstück verfasst sind. Der Mix könnte prätentiös sein, aber er passt wunderbar zu dem jeweiligen Inhalt und v.A. dem Humor der Charaktere. Denn wie Iva, Malin und die anderen den Vorgängen auf der MS Rjúkandi begegnen, ist mit dem seltenen Talent geschrieben die Charaktere frei Schnauze sprechen zu lassen ohne dass es prätentiös klingt. Sie sprechen wie wir. Ein bisschen hip, ein bisschen schnoddrig, sind manchmal etwas planlos. In jedem Fall macht es Spaß sie zu begleiten. Der Roman verliert dabei keine Zeit das große Mysterium aufzulösen. Gewissermaßen fangen da aber die Probleme gerade erst an.
„Arschlochschiff“ (p.135)
Eine Lesart ist, dass Unsterblich sind nur die anderen von Erwachsenenscheiß handelt und dem Wunsch alle Probleme zurück lassen zu können. Von der Würfelei des Schicksals, die uns so manche Dinge zuschiebt, die wir dankend ablehnen würden, wenn wir könnten. Wie soll man dem begegnen? Auch lieber verschwinden wie die drei Kerle? Begleitet wird das von der unoffiziellen, aber autorisierten Mystery-Nordatlantikfähren-Playlist von Simone Buchholz, in der wir u.a. La Mer und Leonard Cohens Suzanne lauschen. Obwohl ich es normalerweise nicht mag von Romanen diktiert zu bekommen, welche Musik (und damit einhergehend welche Stimmung) ich während des Lesens im Ohr haben soll, erscheinen mir die Tipps sehr stimmig. So wie alles in dem Roman, der mit soviel Humor von den schwierigen Dingen des Lebens und dem Weglaufen erzählt. Gegen Ende war es mir ein touch too much Fluch der Karibik, aber ich habe die Fahrt ansonsten sehr genossen.
Fazit
Cooles Ding.
Besprochene Ausgabe: ISBN 978-3-518-47276-7, Heyne Verlag
„ausgelesen“ ist eine Kategorie meines Blogs, in der ich immer zwischen dem 15. und 20. eines jeden Monats ein Buch unter die Lupe nehme. Der Begriff „ausgelesen“ ist sehr dehnbar. Ein „Buch unter die Lupe nehmen“ schließt Belletristik, Sachbücher, Manga, Comics unvm mit ein. 🙂
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