Eigentlich hörte ich zuerst von Julia Schochs Das Liebespaar des Jahrhunderts in einem Podcast. Dann wohnte ich zwei Lesungen von ihr bei. Dann inhalierte ich sowohl den ersten Teil von Biografie einer Frau mit dem Titel Das Vorkommnis, dann den zweiten – dieses Buch. Dann wurde ich Julia Schochs Fangirl. Einfach und geradlinig oder? Genauso wie die Prämisse des Buchs. Die Protagonistin, die wir schon aus dem ersten Teil kennen, setzt direkt zu Beginn mit einem kräftigen Hieb an. Sie will ihren Mann verlassen. Und im Grunde wäre das ja auch ganz einfach – „Ich verlasse dich“ sind nur drei Worte. Kurz und prägnant. Wenig Raum für Spekulation. Gedacht hat sie die viele Male, gibt unsere Protagonistin zu, ausgesprochen bisher noch nicht.
„Im Grunde ist es ganz einfach: Ich verlasse dich. […] Am Anfang habe ich zu dir gesagt: Ich liebe dich. Drei Wörter am Anfang, drei Wörter am Ende. Wie es aussieht, lässt sich das Wichtigste im Leben mit sehr wenigen Wörtern sagen.“
p. 7 „Das Liebespaar des Jahrhunderts“, Julia Schoch
Wir erkennen die Protagonistin bereits auf S. 11 als diejenige aus Das Vorkommnis wieder. Ähnlich wie im ersten Teil merken wir kaum, dass es keinen roten Handlungsfaden gibt. Beginnend mit dem Gedanken „Ich verlasse dich“ erzählt unsere Protagonistin davon wie sie ihren Partner kennenlernte, sie nie heirateten, sie Kinder bekamen, sie sich irgendwo verloren. Sie erzählt vor Allem von dem, was dem Satz „Ich verlasse dich“ vorangeht: eine Liebesgeschichte. Von dem titelgebenden Gefühl, dass man gemeinsam unbesiegbar ist. Andere Paare? Ach, das was wir haben – das ist was besonderes! Steile Behauptung: alle, die schon mal geliebt haben oder aufmerksam einen Liebesfilm geschaut haben, erkennen dieses Gefühl. Eben das Gefühl eines Möchtegern-„Liebespaar des Jahrhunderts“. Und eigentlich ist es ja auch ganz schön, dass sich Liebe anfangs so anfühlt.
Später aber dann erzählt sie davon wie sich dieses Gefühl wie von selbst „einer rätselhaften Ordnung folgend“ (p.68) abschwächt und man sich plötzlich fühlt wie alle anderen Paare. Wo ist es abgeblieben das Gefühl gemeinsam unbesiegbar zu sein? Der Gedanke, dass das Schicksal einen zusammengeführt hat? Die Protagonistin reiht danach zig Situationen gepaart mit ihren Gedanken aneinander, die von Alltag handeln, vom Verlieben, von sich auseinander leben, vom Altern und von Kindern, für die man irgendwann nicht mehr cool genug ist.
Es berührt mich, wenn sie davon erzählt, welche Tasche sie nehmen wollte, um auszuziehen. Dass sie sich schon darüber Gedanken gemacht hat, was sie einpackt. Wie konkret, wohlüberlegt, fast routiniert all das ist. Ich gestehe: ich habe gelacht als die Protagonistin davon schreibt wie sie mit Absicht ihren Partner zur Weißglut treibt und es wie Zufälle aussehen lässt. Ebenso habe ich Tragik, Nostalgie und Verlust empfunden, wenn die Beiden beginnen nebeneinander herzuleben statt weiter das Liebespaar des Jahrhunderts zu sein. Aber auch das seltsame Gefühl anderer Möglichkeiten und offener Türen zelebriert, wenn da die Aussicht auf ein Leben „danach“ ist. Obwohl es nicht diesen einen Handlungsbogen gibt, der uns von Anekdote zu Anekdote begleitet, führt uns die Erzählerin aber sehr natürlich und bruchfrei von Moment zu Moment.
Wie bereits der erste Teil von Biografie einer Frau löst es die ganze Palette an Gefühlen aus. Noch mehr, wenn es an Anekdoten geht oder das, was Julia Schoch besonders gern tut: Aufzählungen. Es hat mich beeindruckt zu sehen wie viele Autos, Computer, Umzüge und Krankenhausaufenthalte dieses Leben als Paar und als Familie gesehen hat. Es könnte machen, dass sich das alles sehr alltäglich oder nichtig anfühlt. Aber mit jedem Punkt mehr in der Aufzählung, fühlte es sich für mich stattdessen umso größer an.
„Da war etwas, das mir als mein eigentliches, ungelebtes Leben erschien. Es gab ganz klar andere Möglichkeiten meines Lebens. Möglichkeiten eines Lebens ohne dich.“
p.76 „Das Liebespaar des Jahrhunderts“, Julia Schoch
Was kann dann nun aber am Ende all der Aufzählungen und Gedanken stehen? Werden die großen, gewichtigen drei Worte noch ausgesprochen? Wie reagiert dieser Mann, den wir nun aus zwei Büchern bereits kennen? Oder diese Kinder? Das „Das Liebespaar des Jahrhunderts“ findet dafür ein Ende, das so viel hoffnungsvoller ist als es der Anfang vermuten lässt.
Wie geht es wohl weiter mit der Biografie einer Frau? Ob so angedacht oder nicht, scheinen sich die beiden ersten Teile Rollen im Leben einer Frau zu widmen. Die Protagonistin habe ich im ersten Teil Das Vorkommnis vor Allem als Tochter bzw. Schwester erlebt. Im Liebespaar des Jahrhunderts als Partnerin. Aber komplett strikt getrennt sind sie nicht. Die Beziehung zu ihrem Mann spielt auch im ersten Teil eine Rolle, wo sie gar überlegt sich während eines beruflichen Aufenthalts in den USA auf eine Affäre einzulassen. Die Kinder spielen hier im zweiten Teil eine Rolle. Vielleicht widmet sich der dritte dann der Rolle als Mutter? Ich bin gespannt, was die Biografie einer Frau als nächstes für Gedanken offenlegt. Wie aber die ineinander verzahnten Rollen hier zeigen, sind in der Biografie einer Frau (und eines Menschen) diese nicht so einfach abzugrenzen. Viel mehr sind sie fließende und ineinander verschlungene Pfade.
Fazit
Eine Beziehung im Zeitraffer – mit viel Gefühl erzählt
„Der Lehrsatz der Thermodynamik besagt, Energie geht nicht verloren, sie wird bloß umgewandelt. Ich habe mich immer gefragt, zu was sie in unserem Fall wird.“
p.85 „Das Liebespaar des Jahrhunderts“, Julia Schoch
Besprochene Ausgabe: ISBN 978-3-423-28333-5, dtv
„ausgelesen“ ist eine Kategorie meines Blogs, in der ich immer zwischen dem 15. und 20. eines jeden Monats ein Buch unter die Lupe nehme. Der Begriff „ausgelesen“ ist sehr dehnbar. So wie die Themenvielfalt meines Blogs. Ein „Buch unter die Lupe nehmen“ schließt Belletristik, Sachbücher, Manga, Comics unvm mit ein.
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