Wenn ich der Meinung bin, dass ein Absatz über das Buch reicht, dann hat es mir mit großer Wahrscheinlichkeit nicht so gut gefallen. So wie die nachfolgenden Bücher, zu denen ich nun zumindest kurz ein Stimmungsbild abgeben will. Sei es auch nur um damit emotional abzuschließen. 😉 Heute mit dabei: ein Sachbuch über Finanzen und ein Buch, das am Label „Selbstverwirklichungsbücher“ kratzt.
Natascha Wegelin „Wie Frauen ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen können“
Natascha Wegelin ist auch bekannt als Finanzcoach und -Podcasterin Miss Moneypenny. Sie und ihr Buch kreuzten meinen Weg auf Empfehlung einer Freundin hin zu einem Zeitpunkt als ich selber schon angefangen hatte mich mit Anlagen und diesem abstrakten und etwas ekligen Begriff Vermögen zu beschäftigen, womit ich einfach ganz klar schon nicht mehr Zielgruppe ihres Buchs bin. Das Buch ist eher ein Mindset-Ding für Personen, die eben noch nicht die Motivation entwickelt haben ihre Finanzen strukturiert anzugehen. Von der Darreichungsform her ist der Aufhänger des Buches eine Art fiktionalisierter Pep-Talk Wegelins an ihre Schwester während eines Grillabends mit den Eltern. Darin erklärt Wegelin, warum es insbesondere für Frauen so wichtig ist ihre Finanzen in die Hand zu nehmen und sich nicht auf andere (beispielsweise Lebenspartner:innen) zu verlassen. Dabei erklärt Wegelin einige grundlegende Finanzbegriffe, beispielsweise was ein Depot oder eine Aktie ist. Hätte ich es vor 10 Jahren gelesen, wäre es vielleicht grandios für mich gewesen. So habe ich nicht viel neues gelernt und war offen gestanden auch nicht so angetan von dem etwas gestelzten Grillabend-Setting. Es gibt natürlich jede Menge gute Denkanstöße für Leute, die gerade anfangen über Anlagen und Vermögensgenerierung nachzudenken. Clever: es gibt immer am Ende eines Kapitels eine Challenge, die auffordert einen ersten Schritt zu machen, womit Lesende dann auch den Arsch hochkriegen die Themen anzugehen. Trotzdem kann man sich nicht gegen den Gedanken wehren, dass Wegelin hier eben auch kräftig Werbung für ihre eigenen Seminare macht und dass sie ihren eigenen Ansatz in Humankapital zu investieren noch mehr leben könnte, indem sie sich beispielsweise jemanden für die Buchgestaltung (Grafiken, Diagramme, usw.) engagiert, um dem eine hochwertigere Aufmachung zu spendieren.
Besprochene Ausgabe: ISBN 978-3-49963374-4, Rowohlt Taschenbuch Verlag
John Strelecky „Das Café am Rande der Welt“
Oben beschrieb ich Das Café am Rande der Welt als „ein Buch, das am Label Selbstverwirklichungsbücher kratzt“. Eigentlich finde ich, dass das ein gutes Genre ist. Wir stellen uns vielleicht viel zu wenig die Frage, was wir wirklich wollen und wie wir da hinkommen. Das Café am Rande der Welt aber ist ein müder Versuch so etwas sein zu wollen, sogar ein problematischer. Darin verfährt sich ein gestresster Manager namens John und landet in einem Café, indem ihn einige Menschen in Gespräche verwickeln. Ich fand das beim Lesen schon furchtbar aufdringlich und gestelzt, aber das sei mal dahingestellt. Während dieser Situationen öffnen sie ihm die Augen über den Zweck seiner Existenz und den Sinn des Lebens. Dazu erzählen sie anekdotenhafte Geschichten und hinterfragen ihn – coachen ihn, wenn man so will. Die Essenz des Buches ist dann: tue, was du liebst und du wirst glücklich. Nice. 🙄 Kündige deinen Brotjob! Mach, worauf du Bock hast, auch wenn du am Hungertuch nagst und nicht weißt wie du deine Strom- und Arztrechnung bezahlen sollst! Das ist für sehr privilegierte Menschen geschrieben und tarnt sich scheinheilig als Allround-Lösung, die v.A. noch mehr Bücher und Einnahmen für Strelecky generiert und sich einen Spiegel-Bestseller-Aufkleber damit verdient. Das Buch nimmt keine Rücksicht auf Lebensumstände, persönliche oder kulturelle Aspekte. Es stellt „den Sinn des Lebens“ als ein universelles Ziel dar, das erfüllt werden muss, um ein wirklich glücklicher Menschen zu sein und keine Abstriche neben sich duldet. Ich will keine Spielverderberin für diejenigen sein, die daraus Inspiration ziehen, aber man möchte Strelecky schon fragen, was er über Armut, Krankheit und Gewalt denkt? Vielleicht müsste man dazu seine anderen zwanzig Bücher kaufen – nein, danke.
Besprochene Ausgabe: ISBN 978-3-423-20969-4, dtv Verlag
Diesen Tweet von Kit Yates sah ich vor Jahren und hätte den gern Strelecky gezeigt:
Header image/photo credit: Janko Ferlič
Kein Happy Post, ich weiß. Aber immerhin habe ich es dieses Mal wirklich geschafft nur einen (langen) Absatz zu schreiben. 😅 Beim letzten Mal blieb es noch sehr wortreich. Dieses Mal ging es v.A. deswegen so kurz und knapp, weil es im Falle von Miss Moneypennys Buch klar war, dass ich nicht die Zielgruppe bin – also no hard feelings. Den Strelecky musste ich einfach drei Jahre liegen lassen, bis ich nicht mehr wütend war. Ich finde es unfassbar, das es in so vielen Auflagen erschienen ist und so einen Hype für so ein Gequatsche Privilegierter generiert hat.
Welche Gefühle habt ihr über die Bücher? Kleine Anmerkung: falls das Bücher sind, die euch weitergeholfen oder euer Leben bereichert haben, ist das natürlich vollkommen okay und ich spreche euch das keinesfalls ab. Der Post spiegelt letzten Endes mein Erlebnis damit wieder. Falls aber die Bücher was für euch bewegt haben: erzählt gern davon in den Kommentaren! Hier geht es übrigens zu allen anderen Literarischen Fundstücken.
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