Serien-Besprechung: „Lost“ Season 2 (Rewatch)

Weiter geht’s mit unserem Rewatch. Mein Mann und ich schauen „Lost“ – für ihn ist es das erste Mal, für mich das zweite. Während viele über das Ende der Serie schimpfen, kann ich mich erinnern „Lost“ mittendrin in schlechterer Erinnerung zu haben. War das aber schon in der zweiten Staffel? Die Review ist spoilerfrei.

In der zweiten Staffel machen die Serienschöpfer ganz großartig Gebrauch von deepen the mystery. Mit der Entdeckung eines ominösen Bunkers mitten im Dschungel stellt sich zwischen den beiden entgegengesetzten Polen Jack (Matthew Fox) und John Locke (Terry O’Quinn) die Glaubensfrage. Entsprechend heißt die Auftaktepisode 2×01 „Man of Science, Man of Faith“. Jack ist der Mann der Wissenschaft und plädiert, ganz der Mediziner, für rationales Handeln. John Locke hingegen sieht in der Insel mehr und v.A. einiges, was der rationale Verstand nicht erklären kann. Denn sein medizinisches Wunder behält er immer noch für sich. Was sie in dem Bunker vorfinden, wird aber wohl ihrer beider Welten in dieser Staffel erschüttern. Wie kann Jack noch an rein rationales glauben, wenn ihm dort mit Desmond (Henry Ian Cusick) tatsächlich jemand begegnet, den er aus seinem Leben vor der Insel kennt?

LOST – Season 2 Intro, valyxxify, Youtube

Man kann sich kaum entscheiden welcher Cliffhanger größer ist und was man lieber aufgelöst sehen möchte. Was im Bunker passiert oder was aus Sawyer (Josh Holloway), Michael (Harold Perrineau) und Jin (Daniel Dae Kim), nach Walts (Malcolm David Kelley) Entführung wurde? Die Überraschung ist einigermaßen groß als sie wieder auf der Insel landen, wo sie doch gerade erst mit ihrem selbstgebauten Floß aufgebrochen waren. Und dann noch mit herben Verlusten. Überraschenderweise finden sie andere Überlebende auf der Insel. Doch die haben ganz andere Erfahrungen gemacht als die Gruppe um Jack, Sawyer & Co.

Lost Season 2 DVD Trailer, satam55, Youtube

Es werden also neue Charaktere eingeführt wie die resolute, ehemalige Polizistin Ana-Lucia (Michelle Rodriguez) oder der religiöse Mr. Eko (Adewale Akinnuoye-Agbaje). Mit neuen Charakteren werden auch die Karten neu gemischt und die Handlung verlegt sich auf mehrere Orte auf der Insel. Das Bunker-Mystery ist das eine, die Geschichte um andere Überlebende auf der Insel der zweite Teil und geht nahtlos darin über, dass sich die Staffel mit der Frage beschäftigt, ob es die ominösen „Anderen“ wirklich gibt oder nicht. Eingangs erwähnte ich, dass Lost auf deepen the mystery setzt. Die Geheimnisse werden also mehr. Vielleicht ist die Serie sogar das, was im Drehbuchschreib-Wiki daneben abgebildet sein sollte, wenn man deepen the mystery nachschlägt. Denn mit der Dharma Initiative und so manch anderen gelegten Spuren gibt die zweite Staffel reichlich Raum für Spekulation. Aber immerhin vermeidet sie hier einen großen Fehler und gibt uns eine Lösung an die Hand. Wir werden erfahren, ob die „Anderen“ nur ein Hirngespinst sind oder tatsächlich existieren. Und dafür muss man nicht mal bis zum Staffelfinale warten.

Dafür hat die zweite Staffel einen anderen größeren Mangel. Sie vernachlässigt ihre Charaktere zugunsten ihrer bisherigen Formel. Zwar erfährt man nun endlich mal „was Kate (Evangeline Lilly) gemacht hat“, aber bei so manch anderen Charakteren wirkt ein immer weiterer Rückblick über dasselbe bekannte Dilemma unnötig. Ich denke da v.A. an Charlies (Dominic Monaghan) Story Arc und den von Sun (Kim Yoon-jin) und Jin. Natürlich korrespondieren die meist sehr gut als Parallele zu dem, was die Personen in der Gegenwart auf der Insel durchleben. Trotzdem hat sich dieses Stilmittel für mich überraschend schnell totgelaufen.

Viel schlimmer ist aber wohl, dass man den Eindruck bekommt, dass die Serie mit manchen Charakteren überraschend schnell abgeschlossen hat (oder nicht mehr weiß, was man mit ihnen anfangen soll) und sich derer entledigt. Ja es gibt zum Einen einen gewissen Body Count und zum Anderen werden die Geschichten mancher Charaktere einfach nicht weiter ausgebaut und sie auf teilweise sehr nonchalante Weise aus der Serie geschrieben. Ich denke da u.A. an die von Cynthia Watros verkörperte Libby. Es schreit einem ins Gesicht, dass es da noch mehr zu Erzählen gab.

Zudem gibt es eine gewisse Rumeierei und Wiederholungen der Konflikte. Michael wird einige Male aufbrechen um Walt zu retten (von wo? wie?). Sawyer wird nachdem sein Ruf gerade besser und er weicher wurde wieder zum Intriganten (warum?). Die Grenzen zu den vermeintlichen „Anderen“ werden mehrere Male verlustreich ausgelotet (wozu?). Es wird einige Male Sinn und Unsinn des Bunkers erörtert (immer wieder). Wiederholungen des Bekannten haben Serienstaffeln selten stärker gemacht.

Nichtsdestotrotz gibt es viele Dinge, die ich an der Staffel mag. Beispielsweise das Auftreten Michael Emersons als Charakter, den wir noch einige Male sehen werden und der seine ambivalente Rolle gekonnt verkörpert. Ich sah Emmerson schon immer gern. Egal, ob in Lost, Person of Interest, Evil oder sonstwo. Ich mag wie früh mit dem Rätsel um die „Anderen“ aufgeräumt wird und natürlich den Comic Relief. Vor Allem mag ich die rührenden Momente – wann immer „verloren“ geglaubte sich wiedersehen, trifft Lost in mein emotionales Zentrum. (7/10)

Sternchen-7

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War das nun meine Hass-Staffel? Das wird dann wohl der weitere Rewatch zeigen. Gespannt bin ich ja schon, ob das Finale wieder bei mir besteht. Das war so beim ersten Mal schauen und ist komplett anders als bei vielen anderen, Kritiker:innen-Stimmen und euch da draußen, die mir unter so manch Blogartikeln auch gesagt habt, dass ihr das Ende nicht mochtet. Wie hat euch denn die zweite Staffel gefallen?

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