Kurz vor Weihnachten gibt es nochmal einen Aufschlag mit Manga und Comics, die ich weitergelesen und in einem Fall angefangen habe und für besonders gut verschenkbar halte. Also – idealerweise nicht beginnend mit einem zweiten Band, klar. 😉 Spoiler, die euch vom Lesen und Genießen abhalten, gibt es nicht wegen der Natur der Geschichten.
„VEIL“ Bd. 2, Kotteri!, Carlsen Manga
Den ersten Band von VEIL habe ich ja schon gelobt, aber auch gewarnt, dass er sehr episoden- oder auch anekdotenhaft ist und vielleicht nichts für Fans von nicht kohärent durcherzählten Handlungsbögen. So bleibt das auch im zweiten Band. Wir verfolgen den Alltag eines Polizisten und seiner Kollegin, die blind ist. Beide pflegen eine sehr enge Beziehung zueinander, die um die Frage herumzutänzeln scheint, ob sie mehr als Freunde oder Kollegen sind. Dabei beobachten wir sie nicht bei ihrer Arbeit, sondern ihrer Freizeit. Wochenende, Besuchen im Restaurant, usw. Im Gegensatz zum ersten Band aber gibt es hier weniger Einschübe (seitenweise unzusammenhängende Skizzen, kurze Unterbrechungen durch bisher unbekannte Charaktere, usw.) Damit nähert sich der zweite Band vielleicht doch einer etwas stringenteren Erzählung, die aber trotzdem das besondere Flair und die Nähe der beiden Hauptfiguren beibehält. Das Artwork bleibt außergewöhnlich. Elegant bis hin zu demonstrierter Mühelosigkeit und süßer Melancholie.
„Lore Olympus“ Bd. 2, Rachel Smythe, Bastei Lübbe
So ähnlich wie bei VEIL habe ich mich gefragt, ob mich das Will-they-won’t-they von Lore Olympus wirklich länger bei der Stange hält. Nachdem sich Hades und Persephone in Band 1 kennenlernten, kreuzen sich ihre Wege im zweiten Band erneut. Einige Ränkeschmieder aus Band 1 mussten sehen, dass sie Mist gebaut haben. Andere haben es immer noch nicht kapiert und drängen sich ihnen weiter auf. Was es nicht gerade einfacher macht ist, dass Persephone auf „Anordnung“ von anderen bei Hades anfangen soll zu arbeiten. Das war gut gemeint, macht aber eigentlich alles noch viel komplizierter. Wird er eh schon ständig auf ihrer beider Altersunterschied hingewiesen (offenbar auch bei Göttern ein Thema…), steht nun auch eine Hierarchie zwischen ihnen. Diese Note erscheint mir als ein gut gemeintes, aber sehr formelhaftes plot device und ich schätze es eher weniger.
Was ich schon interessanter fand ist, dass Hades mit seinem eigenen Gewissen konfrontiert wird. Schließlich ist er eigentlich in einer Beziehung mit jemandem. Lore Olympus setzt sich damit auf eine Weise fort, in der man (so krass das klingen mag) ganz gut abbrechen, aber auch ganz gut weiterlesen kann. Wären alle Handlungszweige so formelhaft wie deren kleine Work-Love-Balance, dann hätte ich kein Problem den Comic auf der Stelle in den Wind zu schießen. Aber andererseits erweicht gerade Hades mitsamt seiner Selbstzweifel schon mein Herz und ich würde gern wissen wie es weitergeht. Schönes Dilemma, das Autorin und Illustratorin Rachel Smythe gekonnt zu konstruieren weiß. Dazu kommen Bilder und Farbschemata, die gefangen nehmen.
„Maruspilami – Die Bestie“ Bd. 1, Zidrou/Frank Pé, Carlsen Comics
Marsupilami – Die Bestie ist ein Retelling der Geschichte des Marsupilami, einer von André Franquin entworfenen Figur. Ich kenne das Marsupilami noch aus der gleichnamigen Zeichentrickserie. Muss aber gestehen, dass ich nie ein großer Fan war. Als ich das Cover des Comics von Zidrou, illustriert von Frank Pé, sah, dachte ich aber: was? Bestie? Das ist doch keine Bestie, das ist das Marsupilami! Wie das nun zum Label „Bestie“ kam, ist interessiert. Tatsächlich wählt das Retelling der beiden Comic-Künstler einen anderen, realistischeren und erwachseneren Ansatz. Darin wird das Marsupilami zusammen mit vielen anderen Tieren unter schlimmsten Bedingungen nach Belgien verschleppt und befreit sich. Ein kleiner, tierlieber Junge findet es und will es aufpäppeln. Der Junge und seine Familie sind aber noch schwer gezeichnet vom zweiten Weltkrieg – so wie das ganze Land. Er wird in der Schule schlimm gemobbt und auch seine alleinerziehende Mutter hat es wegen der Verbindung zu einem deutschen Soldaten schwer. Sie sind ähnlich gequälte wie das Marsupilami. Und ähnlich wehrhaft, was zumindest dem Tier dann wohl den Beititel „Die Bestie“ einbringt.
Der Comic hat einige heftige Bilder – hier sind Warnungen angebracht: Gewalt gegen Tiere bis Tiertod, Mobbing. Marsupilami – Die Bestie ist aber auch eine warmherzige Geschichte einer Familie, die immer mehr kränkelnde Tiere aufnimmt, obwohl sie selber in Mangel leben. Und von anderen Menschen, die mit ihnen fühlen und helfen wollen. Die sich über das dumme Geschwätz anderer Leute erheben. Der Zeichenstil ist dabei leicht überzeichnet, aber weitestgehend realistisch und versprüht herrlichen, handgezeichneten Charme. Er ist voller Charaktere, die man von ganzem Herzen lieben oder hassen kann. Am Ende will man dann ganz dringend den zweiten Teil lesen.
Oben habe ich angedeutet, dass ich alle drei Manga und Comics für gute Geschenkideen halte. Im Zweifelsfall, wenn ihr euch selber etwas gönnen könnt und wollt.😉 (Es ist allerdings keine beauftragte Werbung.) Mir stach einfach ins Auge, dass sie verschiedene Lesertypen repräsentieren. „VEIL“ ist etwas für diejenigen, die mal den „besonderen Manga“ suchen. Der in Stimmung und Form etwas heraussticht. „Lore Olympus“ ist ein super gehypter Comic – auch zu Recht. Er verbindet eine Modernisierung und ein Retelling mythologischer Stoffe mit einer nahegehenden Liebesgeschichte. Wer es etwas düsterer mag und wenn Schenkenden etwas mehr Budget zur Verfügung steht, der kann mit „Die Bestie“ einen Comic verschenken, der immerhin in zwei Bänden abgeschlossen ist und einen anderen Take auf eine in der Comicwelt bekannte Figur erzählt.
Vielleicht kennt ihr die Reihen ja schon? Verschenkt ihr dieses Jahr einen Comic oder Manga? Bei dieser Ausgabe von angelesen handelt es sich um ein Türchen im Booleantskalender. 🎄 Der Link bringt euch zu allen anderen Beiträgen aus der Adventszeit.
In „angelesen“ sammle ich die Eindrücke von Buchreihen, die ich lese. D.h. insbesondere von Manga und Comics, die ich noch nicht abgeschlossen habe und deswegen nur als Teil eines Ganzen betrachten kann. Wer andere Literatur sucht und die Meinung zu abgeschlossenen Reihen, findet die in ausgelesen, einer weiteren Rubrik hier im Blog. 🙂
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