ausgelesen: Hiromi Kawakami „Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß“

Als masuko13 das Buch von Kawakami besprach, war ich überrascht. Denn auf meiner Wishlist bzw To-Read-List stand es bereits. Allerdings die Manga-Version von Jirō Taniguchi. Ich wusste bis dahin nicht, dass es eine Roman-Version gibt, die Pate für den Manga stand. Irgendwie wurde ich neugierig mal wieder wieder etwas von einem anderen japanischen Autor oder einer Autorin zu lesen als von denen, die ich bereits kenne. Und dann war es abgemacht. Das Buch handelt von Tsukiko, einer Frau die Baseball mag, gerne nach der Arbeit einen trinken geht und einen etwas spröden aber auch melancholischen Charakter hat. Sie trifft eines Tages zufällig ihren alten Japanischlehrer. Die Wege kreuzen sich öfter. Sie trinken schweigsam nebeneinander in der Kneipe. Bald beginnen sie etwas zusammen zu unternehmen und langsam aber sicher verliebt sich Tsukiko in den um einige Jahre älteren Mann.

Die kleine Inhaltsangabe hat vielleicht schon klargemacht, dass es sich bei Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß nicht um eine rührseelige, blumige, verkitschte Schmonzette handelt. Der Ton ist ruhig und gediegen. Tsukiko und ihr ehemaliger Lehrer sind wie geheime Verbündete, die über ihre Koalition nicht reden. Es ist als ob sie ihre Einsamkeit gemeinsam durchstehen würden und erst sehr langsam merken wie wichtig der andere für sie geworden ist.

„Bisher war ich doch immer ganz vergnügt allein durchs Leben gekommen. Was war nur los mit mir? […] Hatte ich wirklich so vergnügt gelebt? Vergnügt. Traurig. Behaglich. Süß. Bitter. Salzig. Kitzlig. Kratzig. Kalt. Heiß. Lauwarm. Wie hatte ich überhaupt gelebt?“ p. 156

Die Sprache des Buches hat aber zumindest mich am Anfang etwas vor den Kopf gestoßen, weil sie verglichen mit anderen Büchern etwas einfacher ist. Ähnlich spröde wie Tsukiko, die sich auch meistens sehr kurz fasst und auf das wichtigste beschränkt. „Aha“ wird zum geflügelten Wort mit dem sie zahlreiche Gespräche quittiert. Undzwar gerne auch mal nur mit „Aha“. Metaphern und andere rhetorische Mittel sind spärlich gesät. Auch die Themen, derer sich die Charaktere widmen wirken spröde, einfach und bodenständig. Aber der tiefere Sinn und die Schönheit dieser schlichten Dialoge offenbart sich dann meistens zwischen den Zeilen.

„Schließlich könne man Batterien, die einem so brav gedient hätten, nicht einfach wegwerfen. Das wäre herzlos. Es sei nicht anständig, sie, die bis dahin Licht und Töne erzeugt hätten, in den Müll zu schmeißen, nur weil sie leer seien.“ p. 11

Wenn man mit der Arbeit von Ursula Gräfe als Übersetzerin vertraut ist (zum Beispiel durch die zahlreichen von ihr übersetzten Bücher von Haruki Murakami), dann spürt man deutlich: ja, Übersetzer haben eine verantwortungsvolle Aufgabe. Sie müssen mehr tun als blankes übersetzen, sie müssen auch den Stil des Autors wiedergeben. Und ich gebe an dieser Stelle zu ein Ursula-Gräfe-Fangirl zu sein, spätestens seit ihrem interessanten Vortrag auf der Nippon Connection. Kawakamis Stil befremdet zu Beginn, wird dann aber etwas geschmeidiger. Immer noch sehr kurzgefasst und spröde, aber mit einer realistischen und einfachen Schönheit. Hat man mehrere Kapitel gelesen, kommt einem ihr Stil näher am Menschen vor als der vieler anderer Bücher. Und sie schreibt mit einem Augenzwinkern.

„Übrigens hat mal ein Kollege zu mir gesagt, meine Art, Sake einzuschenken, sei nicht gerade betörend. Ich fand sowohl seine Wortwahl als auch die Idee, eine Frau solle „betörend“ Sake einschenken, ziemlich von gestern und starrte ihn entgeistert an. Auf dem Heimweg fiel dem Knilch auch noch ein – weiß der Himmel, was er sich dachte -, mich im Dunkeln küssen zu wollen. Nicht mit mir.“ p. 17

Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß ist übrigens kein Haiku, obwohl der Sensei ständig welche zitiert. Sonder es ist ein Auszug aus einem Skifahrer-Lied. Das singt Tsukiko, verzweifelt, deprimiert, einsam und etwas angetrunken, als sie durch die Nacht irrt. Ihr fällt beim besten Willen nicht ein wie das Lied weitergeht. Als sie wieder einmal still nach dem Sensei ruft, der plötzlich auftaucht und das Lied vervollständigt, da weiß man, dass es Liebe ist. Sein muss. Dabei ist der Sensei immer sehr ruhig und lässt sich nicht in die Karten schauen im Gegensatz zu Tsukiko, deren Innenleben wir mitbekommen. Manchmal war ich mir nicht mal sicher, ob er sie liebt. Aber so ist das wohl. Oder wie hat Hayao Miyazaki einmal gesagt. Liebe ist das größte und vielleicht auch einzige große Rätsel der Menschheit.

„Gehen Sie nach Hause und legen sich ins Bett.“
„Das werde ich nicht tun.“
„Reden Sie doch nicht so unvernünftig daher.“
Aber ich will nicht vernünftig sein. Weil … ich liebe Sie.“ p. 117

Und obwohl ich die einfache Sprache wie sie du und ich sprechen anfangs so spröde fand, hat mich das kurzweilige Buch kalt erwischt, sehr berührt und mich bedauern lassen, dass man die angenehm kurzen und kurzweiligen Kapitel so schnell bis zum Ende durchliest.

„Sensei!“ rief ich verzagt.

„Tsukiko, ich habe ihnen doch gesagt, ich bin immer bei ihnen.“ p. 46

Fazit

Kurzweilige, wunderschöne Liebesgeschichte. V.A. für die Menschen, die sich schon Mal verloren gefühlt haben und glaubten nicht zum Rest der Welt zu passen.

„ausgelesen“ ist eine Kategorie meines Blogs, in der ich immer zwischen dem 15. und 20. eines jeden Monats ein Buch unter die Lupe nehme. Der Begriff „ausgelesen“ ist sehr dehnbar. So wie die Themenvielfalt meines Blogs. Ein „Buch unter die Lupe nehmen“ schließt Belletristik, Sachbücher, Manga, Comics unvm mit ein. 🙂

Eine Antwort

  1. […] Booleana für uns bereit: Zum einen legt Steffi uns den ungewöhnlichen, eher stillen Liebesroman „Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß“ ans Herz, der später von Jiro Taniguchi als Manga umgesetzt wurde. Wer es lieber etwas düsterer […]

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