Serienlandschaft: „Lost“ Season 1 (Rewatch & Box-Review)

Lange schon lief ich um mein Box-Set mit der kompletten Serie „Lost“ herum und wollte die rewatchen. Schließlich war „Lost“ trotz späterer Schwächen lange Zeit meine Lieblingsserie. Ob es das noch ist, wollte ich schon länger herausfinden. 🤔 Neuere Serien waren lange verlockender als dieses „Experiment“ – ich bin keine Rewatcherin. Bis mein Mann nachgab. Ewig versuchte ich ihn zu überzeugen wie großartig die Serie ist und dass er die gesehen haben muss. Zwei Fliegen mit einer Klappe …!?

„Lost“ Season 1 Review

Lost beginnt mit einer surreal wirkenden Szene. Ein Mann im Anzug wacht in einer tropisch anmutenden Umgebung auf. Wir stolpern mit ihm in ein wahrhaft alptraumhaftes Szenario. Offensichtlich war er an Bord eines Flugzeugs, das gerade auf diesem Landstrich abgestürzt ist. Die Trümmer liegen überall, brennen stellenweise, es herrscht ein Höllenlärm. Menschen irren traumatisiert umher, Schmerzensschreie ertönen, Rufe nach Vermissten – willkommen in der Hölle. Der Mann im Anzug ist Dr. Jack Shephard (Matthew Fox) und versucht sofort wo er kann erste Hilfe zu leisten. Schnell scharen sich andere helfende Hände um ihn. Man versucht das Chaos zu sortieren, danach die Situation zu verstehen.

Was danach folgt ist der Versuch einer Gruppe wahllos zusammengewürfelter Menschen sich zu formieren. Die Hoffnung, dass sie gerettet werden, läuft lange mit. Jedenfalls bis ihnen irgendwann im Laufe der Staffel aufgeht, dass niemand kommt und sie tatsächlich verschollen (lost) sind. Neben Fragen des Überlebens sind da aber auch Fragen des Zusammenlebens. Sie vermuten, dass unter ihnen ein:e Verbrecher:in ist, da ein Marshal an Bord war, der offensichtlich jemanden in Handschellen überführt hat. Auch die einen oder anderen Charaktere wie der spröde und scheinbar auf den eigenen Vorteil bedachte Sawyer (Josh Holloway) polarisieren. Zwischen ihm, Jack und der resoluten Kate (Evangeline Lilly) entspinnt sich eine schwer zu entfädelnde Dreiecksbeziehung. Andere haben ganz andere Probleme: der Musiker Charlie (Dominic Monaghan) leidet an Entzugserscheinungen, für die hochschwangere Claire (Emilie de Ravin) rückt der Geburtstermin näher, das koreanische Ehepaar Jin (Daniel Dae Kim) und Sun (Kim Yoon-jin) ist wiederum lost in translation – sie sprechen nur Koreanisch.

Das ist bei Weitem nicht das Einzige, was neben der Frage von Unterkunft, Sicherheit, Gesundheit und Versorgung mit Lebensmitteln Unsicherheiten schafft. Die Insel auf der sie gestrandet sind, birgt nämlich einige Überraschungen. Surreale Kräfte scheinen ganzen Bäume auszureißen, ein Eisbär kommt aus dem Nirgendwo, seltsames Flüstern im Dschungel verunsichert sie und ein Funkspruch, der schon 16 Jahre in Dauerschleife läuft, lässt tödliche Gefahren auf der Insel erahnen. Würden sie mehr miteinander reden, wüssten sie auch, was noch alles seltsam an der Insel ist. Insbesondere der überraschend gut vorbereitete Survivalist John Locke (Terry O’Quinn) hätte da was zu erzählen. Aber das ist auch gerade einer der Aufhänger, der Lost so gut macht. In stetigen Rückblicken erfahren wir etwas über die Menschen, die das Schicksal hier auf so brutale Weise zusammengeführt hat. Jede Episode zentriert mindestens eine Person und bildet oft großartige Parallelen zwischen Rückblick und Gegenwart. Sie helfen die Motive und Dilemmas der einzelnen Personen zu verstehen, machen Lost gehaltvoller, uns empathischer.

Eine weitere Stärke der Rückblicke und vielen Charaktere ist Abwechslungsreichtum. So kann man einigermaßen überrascht sein wie witzig und tragisch Hurleys (Jorge Garcia) Hintergrundgeschichte ist oder wie unerwartet mysteriös die der schwangeren Claire. Sie lassen uns verstehen warum John Locke so überzeugt ist, dass die Insel ein besonderer Ort ist und man beginnt wieder an Schicksal zu glauben. Lost hat aber auch darüber hinaus geholfen fortlaufende Serienhandlungen cool zu machen und den Serien-Boom der 2000er Jahre befördert. Zwar gibt es einzelne Episoden, die in sich geschlossene Themen haben (ich erinnere mich gern an die, in der Sawyer eine sehr persönliche Fehde mit einem Wildschein austrägt 😉), aber die fortlaufende Handlung ist von der Insel wegzukommen, einen Funkspruch abzusetzen – irgendwas.

Dabei finden die Serienschöpfer:innen viele Wege die Insel zu einem mysteriösen und gefährlichen Ort zu machen. Hier soll darüber aber nicht gespoilert werden. Es wird ereignisreich und erweckt immer mehr den Verdacht, dass unsere Gestrandeten dort nicht allein sind. Die erste Staffel von Lost erschien 2004. Zwanzig Jahre danach hat sie nichts an Dramatik und Mystery eingebüßt. Die Charaktere sind liebenswert, das Szenario spannend und die Serie war ihrer Zeit in einigen Dingen voraus. Frauen sind keine Damsels in Distress und der Cast verzeichnet unterschiedliche Hautfarben, Geschlechter, Typen, Sichtweisen, Nationalitäten, Religionen. Manche erfüllen Klischees, andere arbeiten angenehm gegen diese. Sayid (Naveen Andrews) wurde am Flughafen nur wegen seiner Hautfarbe wie ein Terrorist behandelt – er ist am Ende einer der fähigsten auf der Insel und die Slurs verstummen dankbarerweise. Es gibt Differenzen, aber am Ende hält man zusammen. Auch das macht, dass Lost Season 1 gut gealtert ist, man es gern schaut, es gut unterhält.

Lost Season 1 Bloopers, via tsol147852, Youtube

Lediglich gegen eine Sache kann sich Lost nicht wehren. Klar wurde meisterlich über viele Szenarien nachgedacht und vieles scheint realistisch und clever geplant, realitätsnah dargestellt. Aber hin und wieder verlässt sie die Logik – vielleicht merkt man das auch nur, wenn man die Serie ein zweites Mal schaut. Woher wissen sie eigentlich, dass sie auf einer Insel gestrandet sind? Kurz vor dem Absturz im richtigen Moment aus dem Fenster geschaut? Sie schreiten die Insel nämlich erst ab, nachdem sie beginnen davon als „Insel“ zu sprechen. Kamen sie nie auf die Idee, dass sie bewohnt sein könnte? Auch den Vorwurf auf shock value zu setzen, muss sich Lost bei seinen hammerharten Twists gefallen lassen. Aber andererseits geht die Formel in Staffel 1 eben noch verdammt gut auf. (9/10)

Sternchen-9

Box Review

… ja das wird der erste, aber nicht der letzte Blick auf die DVD-Box sein. So richtig Sinn macht das erst nach dem wir alle sechs Staffeln rewatched haben. Vorab aber so viel: die Box kann sich sehen lassen. Mit reichlich Extras und einer reichlichen Auswahl an Ton- und Untertitelspuren hat man hier eine Menge zu bestaunen. Zu den Extras gehören u.a. Behind the Scenes Berichte ausgewählter Episoden, ein Making-Of mit Interviews oder auch ein Set-Bericht Jimmy Kimmels, der ziemlich witzig ist. Recht beeindruckt war ich von dem stimmungsvollen DVD-Menü, das stets Momente aus den jeweiligen Episoden in Szene setzt und die Menü-Texte sind entsprechend gesetzt. Nichts wirkt wahl- oder lieblos.

Natürlich drängt sich auf, warum um alles in der Welt ich eine DVD- und keine Bluray-Box habe? Würde ich mich auch fragen, aber ich habe sie vor mit Sicherheit über zehn Jahren bei einem Black Friday günstig ergattert. Zu dem Zeitpunkt hatte ich tatsächlich noch keinen Bluray Player. Heute finde ich das auch sehr schade und bevorzuge Blurays. Auch sehe ich den Unterschied, wenn ich mal ins Streaming einschalte. Denn ja, aktuell kann man Lost auch beim Mäusekonzern streamen. Aber es ist weder so, dass ich etwas verpasse, noch wirklich bedauere die DVDs statt der Bluray Discs zu haben.

Aus heutiger Sicht und mit Blick auf andere Box-Sets wären sicherlich nach oben keine Grenzen gesetzt. Stimmungsvolle Karte der „Insel“? Symbole der Dharma Initiative einweben und auf Verschwörungs-Atmosphäre setzen? Sicherlich. Wenn es also besser ginge, dann so. Andererseits sind das eben auch vorrangig Gimmicks. Was mich überrascht hat: mindestens eine Staffel ist FSK 18 und ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, warum. Daher ist offenbar auch die ganze Box FSK 18 gelabelt.

„Lost“ und ich

Erschreckenderweise ist Lost so „alt“, dass ich online keinen Trailer zur ersten Season finden konnte. Es war eben auch vor dem Social Media Boom und bevor nahezu alles auf Youtube hochgeladen wurde. Schreibe ich. Was ich denke: so alt bin ich. Lost läutete durch das Erzählen einer zusammenhängenden Handlung statt eines „plot of the week“ und des großen Casts den Serienboom ein. Natürlich zusammen mit anderen Vorreitern. Ich saß damals noch jeden Montag(?) vor dem Fernseher und wartete auf eine neue Episode Lost. Es war lange vor Streaming, lange vor meiner Eigenständigkeit, ich war quasi noch ein Kind. Hach. Damit gehen Erinnerungen einher. Ich verlor damals übrigens den Faden, weil Lost irgendwas ins Spätprogramm rutschte und schaute erst Jahre später das Finale. Wobei man sowieso Jahre zwischen den Staffeln warten musste… .

Das Schauen der ersten Staffel hat so viel Spaß gemacht wie ich es in Erinnerung habe. Zwar konnte ich mich an einige Twists und Tode von Seriencharakteren noch erinnern, aber bei Weitem nicht an alles. Manchmal kam die Erinnerung auch erst beim Sehen zurück. Es war ein schönes Wiedersehen. Das von der Sorte, die Freude machen. Wie oben geschrieben ist Lost meines Erachtens nach gut gealtert. Natürlich könnte die Nostalgie, die ich damit verbinde einiges ausmachen. Aber dafür habe ich immerhin denjenigen neben mir sitzen, für den es das erste Mal ist. Und der wollte Lost doof finden – und konnte es dann gar nicht erwarten die zweite Staffel zu sehen. 😉

Was ist eure Geschichte mit „Lost“? Was ich ja auch mal droppen kann: ich hatte damals ein Poster der Davidoff Cool Water Werbung mit Josh Holloway. So, jetzt wäre das Fangirling auch geklärt. 😊 Mit welcher Serie, die ihr kürzlich rewatched habt, verbindet ihr ähnlich viel?

Immer zwischen dem 5. und 10. eines jeden Monats mache ich einen kleinen Ausflug in die Serienlandschaft. Ob aktuelle Serien, all-time-favorites, irgendeine TOP-5 oder einfach ein paar zerstreute Gedanken: es ist alles dabei.

4 Antworten

  1. Oh, das klingt fantastisch! Obwohl ich mit dem Finale inhaltlich nicht wirklich zufrieden war (wer war das schon?) wollte ich die Serie auch schon immer einmal wieder komplett sehen. Gerade weil ich die ersten Staffeln liebe und ganz tolle Erinnerungen damit verbinde. Freut mich sehr, dass „Lost“ immer noch so gut zu funktionieren scheint!

    Die Blu-ray-Box wollte ich mir auch immer noch zulegen. Mal sehen, ob ich den Schritt nochmal gehe. Schaust du tatsächlich die DVDs (also die reinen Folgen, abseits vom Bonusmaterial) oder greifst du dann doch zum HD-Stream?

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Tatsächlich war ich mit dem Finale von „Lost“ zufrieden! Nicht mit allen Aspekten gegen Ende, aber die größeren Probleme hatte ich mit Lost tatsächlich eher in der Mitte der Serie. Aber ich bin selber gespannt wie ich das heute nach so vielen Jahren bewerte und ob ich das noch genauso sehe.

      Ich schaue tatsächlich die DVD-Episoden inkl. Bonusmaterial (allerdings nicht alles an BtS-Material, sondern nur was mich interessiert). Was die Bildqualität betrifft, vermisse ich den HD-Stream oder die BluRays gar nicht.

  2. Ich mochte „Lost“ damals auch sehr gerne, es ist allerdings so eine Serie, die ich wohl nicht re-watchen werde. Für mich hat vor allem die Spannung, was als Nächstes passieren würde, die Serie ausgemacht, und jetzt, wo diese verpufft ist, habe ich nicht so das Bedürfnis, alles noch mal zu sehen. Kann aber kaum fassen, dass das echt 20 Jahre her ist.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ja, das mit den zwanzig Jahren gibt mir auch zu denken 😀 Aber ich habe das Finale „erst“ vor vielleicht zehn Jahren gesehen … von daher … .

      Das mit der Spannung kann ich nachvollziehen, das macht bei Lost wirklich sehr viel aus. Aber inzwischen habe ich doch einige kleinere Zusammenhänge und Handlungsbögen vergessen, was es gerade dann eben doch noch spannend genug macht.

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