Die Bezeichnung Brain Computer Interface (BCI) könnte einem mittelguten Sci-Fi Film entsprungen sein aber es gibt sie wirklich: die Gehirn-Computer-Schnittstelle. Man erhofft sich davon tatsächlich Gedankensteuerung. Funktioniert das? Naheliegende Frage. Im Zuge meiner Bachelorarbeit vor 2 Jahren habe ich mit einem BCI gearbeitet, dem ‚EPOC‘ von Emotiv Systems. Darum soll es heute gehen, außerdem um ein neues Gerät, das einige Kinderkrankheiten von Devices wie dem EPOC aushebeln möchte: Emotiv Systems ‚INSIGHT‘.
Wie funktioniert ein BCI?
Um es kurz zu halten: die Mehrzahl der nicht-invasiven BCIs sind den EEGs nachempfunden. Nicht-invasiv heißt in dem Fall, dass kein operativer Eingriff notwendig ist. Mittels Elektroden werden die Potentialschwankungen entlang des Hirns gemessen – zumindest das was davon außerhalb des Kopfes messbar ist. Dazwischen liegen ja Schädeldecke, Haut, Haare etc. So kann man so etwas wie eine (abstrakte) Karte unser Hirnaktivität bekommen. Dabei sind die meisten BCIs wesentlich weniger ’sorgfältig‘ als ein echter EEG-Versuchsaufbau und höchstwahrscheinlich gar nicht medizinisch auswertbar oder sinnvoll. Aber zumindest ausreichend für Gedankensteuerung? Wahrscheinlich.
Die Arbeit mit dem Emotiv EPOC
Meine Aufgabe war es mit dem Emotiv EPOC Muster zu erkennen. Heißt: der Benutzer testet das Gerät und denkt an etwas bestimmtes (Bilder, Bewegungen, …). Die Ausgaben des BCI liefern Daten der Hinraktivität von verschiedenen Punkten des Kopfes, die man buchstäblich als Muster betrachten kann. Anschließend sollte man nun dank smarter Verfahren der Musterekennung in der Lage sein zu erkennen, ob der Benutzer auch gerade jetzt an eines dieser bestimmten Bilder, Bewegung etc denkt. So könnte man also als Auslöser den Gedanken an eine Rechts- oder Linksbewegung mit der Bewegung eines Cursors gleichsetzen. Mein erstes Fazit aus dieser Arbeit ist, dass nicht jeder gleich gut mit einem BCI arbeiten kann. Ich selber war meine schlechteste Testperson und war allgemein scheinbar nicht gut dafür geeignet. Die Firma Emotiv liefert auch Monitoring- und Traningssoftware bei der man versucht mit den Gedanken einen virtuellen Würfel zu bewegen: nach vorne, nach hinten, seitwärts, drehen etc. Und ich habe mir selten mehr als 6 Muster merken können um sie dann gedanklich auszulösen.
Es gibt einige beeindruckende (und hoffentlich nicht manipulierte) Videos auf Youtube zu sehen die das Szenario verdeutlichen. Ganz ähnlich wie es in meiner Arbeit bestenfalls hätte laufen sollen – nur nicht zwingend mit Angry Birds. (Wäre aber cool gewesen).
Ein Manko der ganzen Sache wird hier schon deutlich. Es ist mühsam. Während ich bei dem Video ausflippe und bewundere wie gut seine Navigation klappt (wohlwissend, dass das schon schwer genug ist bis dahin zu kommen), ist es für die meisten Betrachter wohl eher zu langsam, umständlich und nicht effizient.
Davon mal abgesehen hätte die Arbeit mit dem Gerät auch angenehmer sein können. Damit das alles funkioniert muss man auf die Elektroden in einer Lösung getränkte Pads anbringen. Diese fallen sehr leicht ab, auch die Elektroden sind mehr als nur einmal abgegangen. Zusammen mit meinem langen Haaren war das keine gute Mischung. Die Arbeit war sehr umständlich. Es war enorm cool diese Versuchsanordnungen zu machen und die Ergebnisse zu vergleichen aber im Nachhinein betrachtet war das schon ein ganz schöner Akt.
Meine Ergebnisse waren nicht überwältigend, ich habe aber feststellen dürfen, dass das Gerät zumindest kein Schwindel ist. Ein bischen Misstrauen ist angebracht, wenn Geräte mit dem Schlagwort Gedankensteuerung beworben werden. Was das Epoc besonders gut konnte war die Stimmung des Benutzers einzufangen und die Mimik, da einige der Elektroden so platziert sind, dass sie die Kontraktionen der Gesichtsmuskulatur mitbekommen.
Emotiv Insight
Ende Juli wurde via Rundmail an die Emotiv-Community-Mitglieder(?) der folgende Text und obiges Bild geschickt:
We’re excited to share with you our latest development, EMOTIV INSIGHT- our next generation wearable device that is sleeker, faster, and smarter!
We’ve taken your feedback, and leveraged our knowledge and experience and designed a revolutionary product from the ground up. Emotiv Insight is a 5 channel, wireless headset that features an elegant, light, and user-friendly design, with special polymer sensors that require NO preparation whatsoever. It has advanced electronics that are optimized to produce clean, robust signals during everyday use. It’s also compatible with Android, iOS, OSX, Linux, and Windows platforms.
Emotiv Insight allows you to optimize your brain fitness and performance, measure and monitor your own or your family’s cognitive health & wellbeing, and develop amazing new applications.
Because you’ve been a long time supporter, we’re giving you access to exclusive news: We’re launching a crowdfunding campaign at noon PST on Thursday, August 1st, for Emotiv Insight! On our first day, we’ll have special pricing, exclusive perks, and extra content ONLY for our early supporters. You’ll be the first to receive notice to access these limited Early Bird packages, so look out for an email announcing the launch and a link to our crowdfunding page.
Please mark your calendars and be sure to check in early to reserve your Emotiv Insight.
Cheers,
Tan, gmac and the Emotiv Team
©2013 – Emotiv Lifesciences via email 2013-07-30
In einer weiteren Email vom 09.08. wurde das Kickstarter-Projekt angkündigt, das die Produktion ermöglichen soll. An und für sich klingt der Text sehr vielversprechend. Das umständliche Anbringen von Pads und tränken in einer Lösung erübrigt sich. Das wäre eine meilenweite Verbesserung für die Bedienung und man hat höchstwahrscheinlich auch sehr viel mehr Tragekomfort. Was mich aber stutzig macht ist die Anzahl der Elektroden. Aus der Bekanntmachung geht nur hervor, dass es sich um „5 channel“-BCI handelt. Das bedeutet wahrscheinlich, dass es 5 Elektroden gibt. Das bestätigt sich beim Blick auf Promo-Fotos. Schwierig. Bis jetzt hatte ich immer den Eindruck, dass man ein umso weniger aussagekräftiges Ergebnis erhält, desto weniger Elektroden man nutzt. Geräte die Geräte die über 1 oder 2 Elektroden verfügen wurden schon 2010 sehr viel beworben (‚BCI der nächsten Generation‘), können aber meines Erachtens nur eine zeitabhängige Aussage treffen. Also: liegt ein hohes Signal vor? Und wie lange liegt es vor? Das müssten wahrscheinlich die einzigen aussagekräftigen Ergebnisse sein. Eine ‚Karte‘ der Hirnaktivität bekommt man hier nicht mehr. Bei 5 Elektroden könnte das gerade noch machbar sein!? Das mit der Hirn-Fitness kann ich mir hingegen weniger vorstellen. Ich bin sehr gespannt auf Meldungen über das Insight, auch die Promo-Videos sehen sehr vielversprechend aus, sind aber eben Promo-Videos.
Folgendes Video gibt einen guten Überblick über Anwendungsmöglichkeiten und was mit dem Epoc schon erreicht wurde:
Der Traum von der Gedankensteuerung ist vielleicht noch nicht ganz ausgeträumt, wenn nun die Benutzerfreundlichkeit besser ist. Dennoch denke ich nicht, dass wir in den nächsten 10 Jahren perfekte flüssige Ergebnisse zu erwarten haben und damit bspw. gedanklich in unserem Betriebssystem rumklicken oder andere anspruchsvolle Anwendungen steuern. Zumindest nicht so wie in Film und TV. Es sei denn natürlich, dass das Insight alles verändert. Habt ihr Erfahrungen mit BCI? Oder mit EEG? Was ist euer Eindruck? Habt ihr sowas vllt. sogar mal ausprobiert? Ist Gedankentsteuerung erstrebenswert oder eher etwas dass die Welt nicht brauch (abgesehen von Tetraplegikern u.a.)?
Netzgeflüster ist eine Kategorie meines Blogs in der ich mich immer zwischen dem 10. und 15. eines jedes Monats Themen rund um IT, Forschung, Netzwelt, Internet und eben auch Gerüchten widme. 🙂
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