Fantastischer Film: Die Königin und der Leibarzt
Inhalt
Caroline Mathilde (Alicia Vikander) von Hannover verläßt ca. 1766 ihre Heimat Großbritannien und heiratet den dänisch-norwegischen König Christian VII (Mikkel Boe Følsgaard). Schon beim ersten Aufeinandertreffen merkt sie, dass die Chemie zwischen ihnen nicht stimmt. Der überdrehte und abweisende König ist offensichtlich nicht besonders von ihr angetan. Christian VII. benimmt sich wie ein Kind und kann es nicht ertragen, wenn jemandem mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als ihm. Zudem treibt er sich fast mehr im Bordell rum. Die Zustände sind nur schwer für die junge Königin zu ertragen. Von einer längeren Reise bringt sich Christian einen neuen Leibarzt und Vertrauten mit: den Deutschen Johann Friedrich Struensee (Mads Mikkelsen). Der schließt sich dem König auch mit dem Hintergedanken an, die Ideale der Aufklärung am Königshof zu verbreiten. Was ihm nach und nach tatsächlich zu gelingen scheint. Für Caroline Mathilde wird er nach anfänglichen Zweifeln schnell ein Bezugspunkt und bald kommen sich beide näher. Sowohl die Affäre, als auch die Beeinflussung des Kabinetts sind aber nur schwer zu vertuschen. Die Liebenden bewegen sich auf sehr dünnem Eis.
Hintergrund
Als ich anfangs in der Kinozeitschrift meines Vertrauens von dem Film las, erinnerte mich die Geschichte stark an Die Herzogin mit Keira Knightley. Ich musste dann aber feststellen, dass es auch nur in der Kurzzusammenfassung so klingt. Beides basiert übrigens auf einer wahren Geschichte. Im Falle von Die Königin und der Leibarzt sind sogar viele Schilderungen und Geschehnisse geschichtlich nachweisbar. Und dümmer wird man übrigens bei dem Film auch nicht: Struensee führte tatsächlich die Pockenimpfung ein. Drehbuchautor und Regiesseur ist der Däne Nikolaj Arcel, auf dessen Konto einig Drehbücher anderer herausragender Filme gehen. So zum Beispiel Verblendung (2009) und Melancholia (2011). Die Königin und der Leibarzt war für den Academy Award als bester ausländischer Film und den Golden Globe in derselben Kategorie nominiert, ging aber leider leer aus.
Meinung
Tatsächlich ist Die Königin und der Leibarzt ein Film, der die perfekte Mischung aus Liebesgeschichte, Historie und Drama findet. Mich konnte schon sehr lange kein Liebesfilm mehr so wirklich vom Hocker reißen — nun hat das ein dänischer Historienfilm getan. Ich habe geheult wie ein Schlosshund und fasst auf den Fingernägeln gekaut und gehofft, dass das Glück der Beiden unentdeckt bleibt. Dabei fängt der Film ziemlich seicht an, gewinnt aber u.a. Tiefe durch die Schilderung der Zustände im Königreich Dänemark der damaligen Zeit und die Bestrebungen aufklärerisches Gedankengut in das Königreich zu pumpen. Mehr und mehr gipfelt das Geschehen in einer Spannungskurve, die mir den Atem wegbleiben ließ wie kein anderes Historiendrama zuvor. Die Leistung der Hauptdarsteller Mads Mikkelsen, Alicia Vikander und Mikkel Boe Følsgaard ist herausragend. Sie stellen die Ménage à trois unverkitscht glaubwürdig und ergreifend dar. Mehr als ein Kostümfilm.
Jeden Monat stelle ich einen Film vor, den ich für einen fantastischen Film halte – losgelöst von Mainstream, Genre, Entstehungsjahr oder -land. Einfach nur: fantastisch. 😆
Das Vergnügen lässt sich nochmal intensiv wiederholen mit dem Buch von Per Olov Enquist: „Der Besuch des Leibarztes“. Hier wird die gleiche Geschichte erzählt, nur nicht aus dem Blickwinkel der Königin, gewürzt mit der sehr guten Schreibkunst von Enquist. Da ich es schon gelesen habe, gönne ich mir jetzt den Film (danke für die Anregung, ich hatte ihn schon mal auf der Liste, und dann ist irgendwie weit nach hinten gerutscht).
Und einen Tipp zurück zum Thema Literatur, Historie und Film: Momentan läuft bei der BBC die Serie „Wolf Hall“ an, die Geschichte von Heinrich, dem 8. und seinem Frauendesaster, aber aus der Sicht seines Kanzlers Thomas Cromwell, der viel im Hintergrund arrangieren musste. Auch das hat einen tollen Roman zur Vorlage: Wolf Hall von Hilary Mantel. Kaum Blut, kaum Action, aber viel Einblick in reale Figuren in einer unsäglichen Situation. Bis es davon eine deutsche Fassung gibt, kann man sich den Roman noch schnell reinziehen.
Interessant, dass du das Buch ansprichst. Ich hoffe, dass ich es jetzt nicht verwechsle, aber ich habe mal gelesen, dass man ursprünglich Olovs Buch verfilmen wollte. Da lagen aber die Rechte bei anderen Truppenteilen, weswegen das nicht möglich war.
Also danke nochmal für den Tipp, aber mein SUB ist zu hoch, der wankt schon bedrohlich, ich werde es vorerst wohl nicht lesen. Wie hat es dir gefallen?
Und danke für die anderen Tipps, ich denke drüber nach. Aber ich muss gestehen, dass ich kein so riesengroßer Fan von Kostümfilmen bin.
Es ist laut Wikipedia das Buch von Enquist, aber nachdem es einen Streit um die Rechte gab (ich glaube eher, Enquist wollte keinen Film) blieb dem Drehbuchautor nichts anderes übrig, als sich juristisch akzeptabel vom Original zu entfernen. Also hat man alles aus dem Blickwinkel der Königin erzählt. Und da auch im Buch das meiste sich an die Historie hält, ist man damit schon ausreichend weit vom Original weg.
Die Panik vor Kostümfilmen ist mir unverständlich (höre ich öfter). Ich bin ja ein Augenmensch, und solange alles stimmig ist, habe ich nichts zu meckern. Heißt das dann, dass du keine Themen vor 1920 im Film sehen möchtest? Kein „Boardwalk Empire“ (totaler Ausstattungswahnsinn, vor allem die Kleidung)? Sogar „Mad Men“ ist ja eine wunderbare Kostümserie. Das England im 16. Jahrhundert darf man nicht mit Frankreich im 18. Jahrhundert verwechseln. Da waren die Klamotten noch sehr schlicht und unauffällig. Der Film über Königin Elizabeth I., die – glaube ich – kurz nach Heinrich regierte, der war allerdings fast schon barock ausgestattet, das kam mir sehr übertrieben vor, obwohl einige Kleider nach alten Gemälden angefertigt wurden. Aber da hat mich die Pracht etwas erschlagen, dafür war ja dann die Geschichte etwas dünn. In England hat man es damit nie wirklich übertrieben. Bin ich aber nicht Fachmann genug dafür. In „Wolf Hall“ kommt alles sehr protestantisch grau und einfach rüber (obwohl sie zu der Zeit noch voll katholisch waren, aber nebenan in Irland wäre zur gleichen Zeit das Grau noch grauer gewesen und am französischen Hof haben sie sich dafür schon ordentlich in teure Textilien gewickelt. Aber das ist jetzt tatsächlich eine Frage persönlicher Vorlieben. Ich hasse Filme mit österreichischem Adel im 19. Jahrhundert, ohne zu wissen warum. Also ich weiß, was ich an denen verabscheue, aber eben nicht warum, denn der Rest der Welt kommt damit gut klar.
Es gibt so Filme, die das Interesse wecken, man aber trotzdem immer und immer wieder daran vorbeiläuft, weil man sie nicht kaufen will.
Toll, ich glaube jetzt hast du für mich die Entscheidung getroffen… 😉
Oh, und das Buch hat mir gut gefallen. Aber nach dem Film hat es natürlich nicht mehr so viel Reiz. Es ist ja eine ergreifend traurige Geschichte aus einer irrealen Welt – wie auch die Geschichte um Heinrich dem Achten, von der volkstümlich nur übriggeblieben ist, dass er irgendwie ein Frauenheld war. Leider war es anders: er war so gefangen in einem fürchterlichen Regelwerk und musste – um einen Bürgerkrieg zu vermeiden – einfach nur einen Sohn zustande bringen. Da er nur Töchter konnte und man natürlich nicht wusste, dass es an ihm lag – waren logischerweise die Frauen schuld, die musste er als König aber heiraten, denn alle schauten auf ihn, da muss es schließlich ordentlich zugehen. Aber wie wird man sie wieder los, wenn es nicht klappt? Wenn Scheidung vom Papst untersagt wird? Wenn die anderen Tricks versagen? Man erklärt sie zu Verschwörern und richtet sie hin. Es gab keinen anderen Ausweg. Hat ihn selber genervt und hat sich dann vom Papst losgesagt um ein eigenes, englisches Scheidungsrecht einzuführen, mit dem er dann die Hinrichtungen vermeiden konnte. So wurde wegen zu langsamer männlicher Spermien eine Religion gegründet. Klingt lächerlich oder wie ein altes Märchen, ist aber komplizierte Politik. Wie es auch in Dänemark keinen Ausweg aus der verrückten Situation gab. Aber wie ich in meiner Umgebung merke, sind solche Geschichten meist schon zu komplex um noch allzu große Neugier zu wecken oder eine größere Zuschauerschaft zu erreichen. Bei vielen steckt das hinter der Abneigung gegen Kostümfilme. Ohne Vorkenntnisse sieht das halt alles nur irgendwie verrückt aus.
[…] Ein Kostümfilm! Und ein Liebesfilm! Man kann sagen, dass Die Königin und der Leibarzt eine ziemlich konventionelle Mischung zu sein scheint. Aber die Geschichte vom Deutschen Johann Friedrich Struensee (Mads Mikkelsen), der Berater des dänisch-norwegischen König Christian VII (Mikkel Boe Følsgaard) wird und eine Affäre mit der Königin Caroline Mathilde (Alicia Vikander) beginnt, kann mehr. Sie erzählt von den Bestrebungen Struensees das politische Geschehen aus dem Hintergrund zu lenken. Außerdem erzählt sie wunderbar langsam und angenehm die verzweifelte Affäre zwischen der Königin und dem Leibarzt, die wie im goldenen Käfig zu leben scheinen. Von Kritikern wurde der Film mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Die einen lobten ihn über den Klee, die anderen hielten das Kostümdrama für zu einfach und vorhersehbar. Obwohl es auf wahren Begebenheiten basiert. Fakt ist, dass der Film dem breiten Publikum bisher verschlossen blieb und auch für einen 20:15-Uhr-Primetime-Spielfilm noch zu indie ist. Mehr zum Film. […]