‚The Americans‘ ist meiner Meinung nach eine der Serien, die irre gut ist, aber unter dem Radar der breiten Masse zu fliegen scheint. In schöner Regelmäßigkeit erscheint etwa jedes Jahr eine Staffel in der amerikanischen Heimat und mit einer Verzögerung von zwei Staffeln bzw. Jahren eine auf Netflix Deutschland. Und ich finde, dass sich die Serie jedes Mal steigert. Deswegen stand es sogar in meinem Kalender als die dritte Staffel in das Programm von Netflix aufgenommen wurde. Und dann schaut man es innerhalb von ein paar Tagen und darf wieder ein Jahr oder so warten. Wer weiß. Vielleicht ist diesmal was anders. Seufz. Aber immerhin. Haben oder nicht haben. Review ist spoilerfrei, enthält Spoiler für die erste und zweite Staffel.
Schön, wenn sich Serien steigern. Bei viel zu vielen geht der Strudel nach hinten raus nur noch abwärts. Im Spion-Drama The Americans spitzen sich aber die Probleme der Nicht-Oder-Doch-Scheinidentität zu. Wir erinnern uns: The Americans spielt in Amerika inmitten des Kalten Krieges und widmet sich Elizabeth (Keri Russell) und Philip Jennings (Matthew Rhys), die eigentlich russische Spione sind. Die Handlung setzt in der ersten Staffel damit ein, dass Philip gesteht Elizabeth wirklich zu leben und dass ihr Schein-Leben als nettes Paar mit zwei Kindern und einem kleinen Reisebüro für ihn mehr ist als Fassade. Nachdem Beide anfingen sich zu öffnen und mehr als nur ihre Berufung zu sein, wurde ihnen in der zweiten Staffel schmerzlich bewusst, dass ihr Leben als Familie schnell auf der Kippe steht. Die Frage „was, wenn die Kinder es erfahren?“ wird mehr als real für beide als sie am Ende der zweiten Staffel darauf hingewiesen werden, dass das „Center“ gern ihre 14-jährige Tochter Paige (Holly Taylor) rekrutieren möchte. Genau da setzt die dritte Staffel ein und dreht sich um moralische Dilemmata, die seit zwei Staffeln unter der Oberfläche brodeln.
„The Americans Season 3 Trailer“, via iflix Malaysia (Youtube)
Ob Elizabeth und Philip (aka Nadezhda und Mikhail) ihrer Tochter erzählen, dass sie Spione sind, ist nur eine von vielen Fragen, die sich plötzlich von selber lösen, aber einen Berg von Problemen mit sich bringen. Wie reagiert man auf die berechtigten und naheliegenden Fragen des eigenen Kindes. Bin ich nur eine Cover-Story? Habt ihr schon mal jemanden getötet? Wie kann ich euch auch nur irgendwas glauben, das ihr sagt? Nicht unbedingt einfacher wird es dadurch, dass Paige schon längst wo anders rekrutiert wurde. Nämlich von der Kirche. Und da sie auf deren Werte viel gibt, dürfte es schwer werden sie zum lügen, töten und fremdgehen für einen angeblich höheren Zweck zu trainieren. Während Philip die Frage stellt, ob Elizabeth dieses Leben allen ernstes für ihre Tochter will (er will es ganz klar nicht), kämpft Elizabeth mit sich. Die eine oder andere Begegnung während der Staffel dürfte ihr zumindest zum Teil ihre regime-treuen Auge öffnen. Die Szene in der sie selbst es nicht über sich bringt eine alte Frau zu töten, die sie bei Ausführung eines Auftrags ertappt, sorgt für das ungute Gefühl in der Magengegend des Zuschauers, das noch mindestens bis zum nächsten Tag anhält.
Für Philip stellt ein neuer Auftrag eine besonders große Herausforderung dar. Jemand soll abgehört werden und man sucht sich ja gerne das schwächste Glied in der Kausalkette, um zu infiltrieren. So wird er auf eine gerade mal 16-Jährige angesetzt, die sich in ihn verliebt. Soll er sie verführen? Oder geht es anders? Es ist schwer anzusehen wie sie miteinander umgehen. Einerseits könnten sie Vater und Tochter sein, andererseits kratzen sie an der Schwelle zur Pädophilie. Und das schlimme ist: Philip ist sich dessen bewusst und es fällt ihm schwer. Der Zuschauer sieht es und weiß, dass seine eigene Tochter nicht viel jünger ist als Kimmy. Es wird bei einigen der Aufträgen eng. Auch Alison Wright mimt wieder Martha Hanson, die ohne es zu wissen in einer Scheinehe lebt, die platzt wie ein Blase. Oder doch nicht? Gerade die Frauen bekommen anspruchsvolle Storylines, die dem Bechdel-Test mit Leichtigkeit strotzen. Neben Elizabeth, Paige und Martha ist auch noch Nina Sergeevna Krilova (Annet Mahendru) zu nennen. Man musste fast befürchten, dass nach Staffel zwei ihre Geschichte schon zu Ende erzählt wäre. Aber weit gefehlt. The Americans hat schon immer gut mit Spannung, Drama und moralischen Fragen jongliert. In der dritten Staffel laufen einige davon aber zu einem Höhepunkt auf, vor dem man sich lange gefürchtet hat. Denn in der Zwischenzeit hat man verstehen gelernt wie wenig Elizabeth aus der Haut kann, in der sie nun mal aufgewachsen ist. Und man weiß wie sehr Philip nach diesem normalen, amerikanischen Leben strebt. Die Jennings sind uns ans Herz gewachsen, obwohl wir seit der ersten Sekunde wissen, wer sie sind. Und wir können sie nicht als Feinde betrachten. Mein bisheriger Kritikpunkt an der Serie, dass sie USA zu gut weg kommen und die Sowjetunion nur als Schurkenstaat dargestellt wird, hat sich ganz langsam relativiert und führt jetzt endlich richtig deutlich die entwaffnende Menschlichkeit von Mikhail und Nadezhda vor Augen. Und gerade das könnte die vierte Staffel angesichts des fiesen Cliffhangers ziemlich hart machen.
(9/10)
Habt ihr die Staffel schon gesehen? Und wie hat sie euch gefallen? V.A. in Hinblick auf die vergangenen Staffeln? Habt ihr auch den Eindruck, dass sich die Serie steigert? Findet ihr Elizabeths Regime-treue nachvollziehbar? Und zum Schluss und weil es so schön ist … Staffel 2 Blooper.
„The Americans Season 2 Bloopers“, via Carol (Youtube)
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