Nicht, dass ich die Golden Globes besonders hypen würde, aber dieses Jahr hatte die Veranstaltung ein bisschen mehr Zündstoff als sonst. Ich erinnere da gerne an den Natalie-Portman-Moment, den ich sehr gefeiert habe. Geschaut habe ich sie übrigens nicht, aber es gibt genug Best-of im Internet 😉 Und dass Fatih Akin mit ‚Aus dem Nichts‘ den Preis für den besten fremdsprachigen Film abgeräumt hat, freut mich sehr. Und was ist noch gut daran? Dass der Gewinn einige lokale Kinos davon überzeugt hat, den Film nochmal ins Programm aufzunehmen. Mein Glück, denn beim ersten Mal in 2017 habe ich den Film einfach verpasst. Review ist spoilerfrei.
Der Film beginnt mit der Hochzeit von Katja (Diane Kruger) und Nuri (Numan Acar) im Knast. Pardon, in der Justizvollzugsanstalt. Nuri hat eingesessen, weil er mit Drogen gehandelt hat. So hat auch Katja ihn kennengelernt. Jahre später ist der Knast vergessen. Nuri hat ein Übersetzungs- und Steuerbüro und er und Katja haben einen wunderbar neunmalklugen Sohn: Rocco (Rafael Santana). Katja lässt Rocco bei ihrem Mann um etwas mit ihrer hochschwangeren Schwester (Samia Chancrin) zu unternehmen. Als sie wieder kommt, sind ihr Mann und ihr Sohn tot. Eine Nagelbombe ist unmittelbar vor dem Geschäft explodiert.
„AUS DEM NICHTS Trailer German Deutsch (2017)“, via KinoCheck (Youtube)
Natürlich nehmen die Ermittler an, dass sich Nuri Feinde gemacht hat. Vorbehalte kommen auf, wegen seiner Abstammung – er ist Kurde und arbeitet in einem Viertel Hamburgs, in dem viele Türken, Kurden, Muslime ihre Geschäfte haben. Hat er vielleicht sogar noch mit Drogen gehandelt? Zu seinen Kunden zählen viele Menschen, die mit dem Gesetz in Konflikt stehen. Fragen, die wie Messerstiche sind für die traumatisierte Katja. Letzten Endes kam die Gefahr und Bedrohung aus dem Nichts. Resozialisierung und Eingliederung in die Gesellschaft sind Begriffe, die Katjas und Nuris Leben kaum beschreiben. Sie stehen da drüber. Junge Eltern, die die Kurve gekriegt haben, glücklich waren und aufgeschlossen, modern, ein bisschen aufrührerisch und non-konform. Sie kannten beide Seiten und konnten mit beiden umgehen. Katja steht vor den Scherben ihres Lebens – eindrucksvoll gespielt von Diane Kruger. Fatih Akins Film könnte dabei kaum aktueller sein: er bezieht sich auf die NSU-Mordeserie, die zwischen 2001 und 2006 stattfand und derzeit immer noch verhandelt werden(!). Auch in der Fiktion sind es Nazis, die Katja ihre Familie genommen haben.
In drei Teilen widmet sich der Film der Geschichte Katjas. Im ersten überwiegen Schock und Drama. Was sich Katja von den Menschen in ihrem Umfeld anhören muss, seien es die Fragen der bemühten Ermittler oder die Kritik aus dem eigenen Kreis der Vertrauten, schlägt das Fass den Boden aus. Die eigene Familie wird zur Geißel, als ihre Schwester ihr Kind bekommt und Katja es kam ertragen kann das neue Leben zu sehen, während sie noch den Tod ihrer Familie verarbeiten muss. Im zweiten Teil wird Aus dem Nichts ein Gerichtsfilm und Justizthriller, der den Zuschauer entweder vor den Kopf stößt oder vor vollendete Tatsachen stellt, je nachdem wie man es betrachten will. Ist so das Gesetz? Man weiß nicht, ob man das dargestellte für realistisch, gut oder schlecht halten soll. Und im dritten Teil folgt: das Meer.
Am Ende erlaubt sich der Film einen Bogen und Hinweis. Es wird zwar nicht ausgesprochen, aber anfangs wird Katjas Mann indirekt unterstellt ggf Extremist zu sein und sich Feinde gemacht zu haben. Verdächtigungen stehen im Raum, die Katja mit etwas beantwortet, was v.A. ausdrückt: verzweifelte Maßnahmen folgen meist extremen Situationen. Niemand ist gefeit davor zu solchen zu greifen, wenn man ihm derart den Boden unter den Füßen wegzieht. Eine schockierende Bilanz mit einer alarmierenden Botschaft.
Aus dem Nichts, Deutschland/Frankreich, 2017, Fatih Akin, 106 min, (8/10)
Dass der Film nicht für einen Oscar nominiert wurde, kann nur an starker Konkurrenz liegen, die mit Sicherheit auch verdient nominiert ist. Das gilt es bis zur Verleihung der Goldjungen im März zu erkunden. In jedem Fall hat mich ‚Aus dem Nichts‘ dahin getroffen wo es weh tut. Nämlich in das „Was-wäre-wenn“-Zentrum meines Kopfes. Erschütternd. Habt ihr den Film schon gesehen? Wie hat er euch gefallen?
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