Das gehörte Wort … „Der Fall Charles Dexter Ward“ von H.P. Lovecraft – Hörbuch-Besprechung

Neun Monate H.P. Lovecraft neigten sich im Dezember 2017 dem Ende entgegen. Der letzte Streich war für mich der neunte Teil der ‚Bibliothek des Schreckens‘ aus dem Hause LPL records mit einer wohl sehr bekannten Geschichte Lovecrafts: ‚Der Fall Charles Dexter Ward‘. Und soviel darf vor der Besprechung gespoilert werden: es war der gelungene Abschluss einer düsteren Reise.

Marinus Bicknell Willett ist der Name des Hausarztes der Familie Ward. Und wie so oft im lovecraftschem Horror ist der Erzähler nicht derjenige, den der Horror befällt. So musste Willett zuschauen wie der Sprößling der Familie, Charles Dexter, von einem intelligenten und aufgeweckten jungen Mann zu einem sichtlich gealterten und gestörten Individuum mutiert. Er beginnt Nachforschungen anzustellen darüber was Charles Dexter in letzter Zeit getrieben hat und findet heraus, dass der junge Mann seinem Vorfahren Joseph Curwen auf der Spur war. Einem Industriellen, dem grausames nachgesagt wurde.

Auch hier ist es wieder sehr zu empfehlen nicht zuviel zu verraten, da eine Eigenschaft Lovecrafts ist, dass in vielen Geschichten eine Bemerkung vorausgeschickt wird, die den Horror andeutet. Und dass passiert in dem Hörbuch sage und schreibe innerhalb der ersten Minuten. Selbst nach so langer Beschäftigung mit Lovecraft bin ich mir nicht sicher, ob dieses Verhalten zur Zeit des Erscheinens der Geschichten Lovecrafts subtiler wirkte und nicht so schnell erraten wurde oder ob es gar eine gewollte Andeutung des Horrors ist. In manchen Geschichten ist es der Geschichte zuträglich, in anderen nicht und wird sicherlich höchst subjektiv aufgefasst. In diesem Fall spoilert es meines Erachtens nach tatsächlich die Geschichte und Auflösung. Dass das einem nicht den Spaß an der Geschichte nimmt, liegt v.A. daran, dass Willetts Nacherzählung seines detektivischen Bestrebens einige Etappen hat. Die losen Fäden von Charles Dexters Leiden und dem Entdecken der Geschichte rund um Joseph Curwen werden nach und nach verbunden. Die Entdeckung von Curwens Missetaten und alchemistischer Fähigkeiten spannend anzuhören bis man irgendwann wieder bei dem ehemals jungen, einst gesunden Mann in der Zelle einer Nervenheilanstalt ankommt.

Das aber wahrscheinlich größte Plus der Geschichte ist die Konfrontation. Dieses Mal gibt es, ziemlich klassisch, einen Bösen und einen Guten. Im Gegensatz zu vielen H.P. Lovecraft-Erzählungen treffen hier aber beide aufeinander und es gibt einen Dialog, eine Offenbarung und jemand, der sich gegen den Horror zur Wehr setzt. In den meisten lovecraftschen Erzählungen hatte der „Gute“ meistens keine Chance, weil der Horror und der „Böse“ längst gegangen sind, als sich das volle Ausmaß des Grauens entfaltet. Und das ist, was diese Geschichte von anderen absetzt und trotz ihres klassischen Aufbaus zu etwas besonderem unter den Lovecraftschen Geschichten macht. Denn zu oft ist der Erzähler ein hilfloser Beobachter und Chronist eines Horrors, der längst über alle Berge ist. David Nathan spricht auch hier wieder das Hörbuch spannend und abwechslungsreich, er hat mal einen Anlass Stimmen zu variieren. Nach wie vor fehlt mir trotz der gelungenen Einspieler ein bisschen die Geräuschkulisse, die das Hörbuch auch hier wieder atmosphärischer gemacht hätte. Allerdings hat es auch ca. sechs Hörbücher gebraucht bis mir das aufgefallen ist … .

Zu den bisherigen Lovecraft-Hörbuch-Besprechungen:

„Der Cthulhu Mythos“ (H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens #1)
„Necronomicon – Horrorgeschichten von H.P. Lovecraft“ (H.P. Lovecrafts Bib. d. Schreckens #8)
„Der Schatten über Innsmouth“ (H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens #2)
„Das Ding auf der Schwelle & Die Ratten im Gemäuer“ (H.P. Lovecrafts Bib. d. Schreckens #3)
„Der Flüsterer im Dunkeln“ (H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens #4)
„Der Schatten aus der Zeit“ (H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens #5)
„Jäger der Finsternis“ (H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens #6)
„Berge des Wahnsinns“ (H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens #7)

Das war es! Ein Dreiviertel Jahr Lovecraft. Es war eine spannende Reise mit Auf und Abs. Vor Allem war es aber mal interessant sich ausgiebig eines bestimmten Autors zu widmen und fühlte sich nicht wie eine trockene Studie an – da haben es mir die Hörbücher leicht gemacht. Aber ein wichtiger Punkt ist noch offen: wie fühlt sich der geschriebene Lovecraft an!? Da habe ich im inzwischen nicht mehr ganz so jungen, neuen Jahr definitiv noch ein Date vor mir. Kann mich aber noch nicht entscheiden, ob es lieber eine Geschichte sein soll, die ich nun schon in der Hörbuchfassung kenne oder eine mir unbekannte? Vielleicht Beides. Frage an die Leser: welche Geschichte Lovecrafts muss ich unbedingt lesen, die nicht oben in der Liste ist? Und kennt ihr die Hörbücher? Was war eure erste Begegnung mit Lovecraft?

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