Es waren mehrere Leute, die mir sagten, dass ich als Stephen-King-Fan etwas verpasst habe, wenn ich die Dunkler-Turm-Reihe nicht gelesen habe. So erfuhr ich auch, dass die Reihe später deutlich meta wird und der King gar selbst in irgendeiner Form auftritt. Tatsächlich hatte mich dieser sanfte Spoiler damit geködert. Als dann auch noch der Kinofilm mit Idris Elba als Gunslinger bzw. Der Revolvermann in die Lichtspielhäuser einzog, war ich schon fast versucht den Film zu schauen. Schlechte Reviews hielten mich zurück. Sollte ich mir den Eindruck dieser von einigen legendär genannten Reihe kaputt machen lassen? Lieber nicht. Und dann fing die liebe Kathrin an die Dunkler-Turm-Reihe zu lesen. Irgendwann sagte ich mir dann: so, es wird Zeit. Und fasste den Plan Schwarz, den ersten Teil der Dunkler-Turm-Reihe so wie er in Deutschland erschien, als eines meiner 8 Bücher für 2018 zu lesen. Das war anders als erwartet.
Der Mann in Schwarz und der Revolvermann
Das Buch beginnt mit einem Satz, der erstens bezeichnend für die Sprache ist, die Stephen King für Schwarz gewählt hat und zum Anderen auch noch die Handlung sehr prägnant zusammenfasst.
„Der Mann in Schwarz floh durch die Wüste, und der Revolvermann folgte ihm.“ S.1
Das steht wirklich für die gesamte Handlung des Buches (bis hierher ohne Wertung). Der Hauptcharakter ist Roland, der zu einer Art Stamm oder Gilde von Revolvermännern gehört, einer inzwischen ausgestorbenen Kultur. Er folgt dem sogenannten Mann in Schwarz, einer Art Zauberer, der sich seines Verfolgers bewusst ist und Roland Fallen stellt und teilweise in die Irre führt. Zuerst verfolgt Roland ihn durch eine karge Wüste und erzählt rückblickend welchen Untaten er schon ausgesetzt war. So hat der Mann in Schwarz das gesamte Dorf Tull verhext. Die Bewohner haben sich in einer Art religiösem Wahn auf Roland gestürzt, woraufhin er alle erschoss, selbst Kinder. Er sammelt einige Hinweise über den Mann in Schwarz und seine Taten und durchlebt einige Rückblicke. So erfährt der Leser nach und nach über Rolands Vergangenheit und die Welt, in der er lebt. Was genau Rolands Intention ist, bleibt unscharf umrissen, abgesehen davon, dass der Mann in Schwarz als böse und listig dargestellt wird.
Oh Herr, lass es mich durchstehen.
Das erste Drittel des Buches ist mehr als holprig. Und der Eindruck bleib haften, obwohl ich bereits die überarbeitete Ausgabe gelesen habe. Dass die Sprache des Buches sehr einfach gehalten ist, kann man noch als Kniff erkennen. Roland ist unter vielen Menschen, die er trifft, noch der gebildetste. Der Stern der Bildung steht nicht besonders hoch in der Welt, in der er lebt. Das karge und entbehrungsreiche Leben der Menschen äußert sich in Sprache und Mentalität ihrer Bewohner. Sie sind einfach und derb. So ist die Sprache geprägt durch einfache Hauptsätze und Verallgemeinerungen und Slang dominieren. So wird Besitz (den man mit sich rumträgt) als Gunna bezeichnet, sofern ich das richtig gedeutet habe. Das ist noch ein Ausdruck des world building, der auch wirklich zur Atmosphäre beiträgt. Aber die ansonsten sehr einfache Sprache die der Beschreibung dient ist regelrecht ungeschickt und wirkt unfreiwillig komisch (natürlich v.A. dann wenn man sie aus dem Kontext reißt so wie ich jetzt).
„Ein Wasserschlauch aus Tierhaut ging ihm wie eine pralle Wurst um die Leibesmitte.“ S.2
Besonders haarsträubend und abstrus sind die Metaphern, die Stephen King wählt wie
„Der Wind heulte wie eine Hexe mit Magenkrebs.“ S. 8
Sind solche dürftigen Konstrukte auch Ausdruck des world buildings? Die Metaphern wirken naiv und kindisch und zusammen mit der Handlung des ersten Drittels geben sie ein sehr einfach gestricktes Bild ab. Es dient einzig der Einführung einiger weniger Figuren in einem Fantasy-Kosmos, die durch Starke-Mann-Attitüde und Derbheit gekennzeichnet ist („Der Revolvermann pustete ihm den Kopf weg.“). Ein anderer Eindruck kann kaum entstehen, wenn man dazu noch von Rolands Ausflug nach/durch Tull liest und wie er eine ganze Stadt abmetzeln musste, wobei die Bedrohlichkeit der Situation narrativ leidlich rüberkommt. Kurzum: das Buch ist anfangs alles andere als sympathisch, es wirkt eher krude, naiv-brutal und zu gewollt. Und dann kommt noch ein Lektorat bzw. eine deutsche Übersetzung hinzu („Das war gewesen, als er und Jake […]“ S. 167), bei der ich mich doch ernsthaft fragen muss, ob da jemand den Stil des Buches unterstreichen wollte und in die falsche Richtung gearbeitet hat oder einfach gepennt hat?
„‚Nun gut‘, sagte der Revolvermann, und dann stellte er die älteste Frage der Welt. ‚Werde ich mein Ziel erreichen? Werde ich ans Ziel gelangen?’“ S. 297
Werde ich mein Ziel erreichen und das Buch zu Ende lesen?
Tatsächlich wird dranbleiben belohnt. Das Buch gewinnt in der zweiten Hälfte viel an Substanz. Tull ist vergessen. Roland trifft in der Wüste einen Jungen namens Jake, der nicht weiß wie er dorthin gekommen ist und Dinge redet, die uns bekannter vorkommen als Roland. In seinen Erzählungen von seinem Zuhause erkennen wir eine Großstadt mit Wolkenkratzern wieder und bspw. Fernsehgeräte. Roland weiß mit dem „Tevau“ nicht viel anzufangen und auch Jakes Erinnerung schwindet. Es deutet sich an, was mit dem Jungen passiert sein könnte und das hat weitreichende Konsequenzen für die Sicht auf die Welt in der Roland lebt und macht die Handlung deutlich spannender. Hier wird das erste Mal klar: es ist mehr an der Geschichte dran als Köpfe wegpusten.
Neben der brennenden Frage inwiefern Rolands Welt mit „unserer“ bzw. Jakes zusammenhängt und was die Rolle des Mannes in Schwarz ist, erfahren wir auch mehr über Roland. Beispielsweise dass der Stadtstaat, in dem Roland seine Kindheit verbracht hat, Gilead heißt, was wiederum eine deutliche Anlehnung an die Bibel ist. Im folgenden Geschehen nimmt Roland Jake mit und sie durchqueren weitere Landstriche mit wechselnder Gestalt (von Dschungel bis hin zu Überbleibseln einer Zivilisation), was zur Abwechslung maßgeblich beiträgt. Und natürlich müssen sie sich mehr Fallen des Mannes in Schwarz stellen. Für Roland, der in Jake inzwischen fast einen Sohn sieht, deutet sich aber an, dass eine schwere Entscheidung vor ihm liegt, was auch andere Seiten am Hauptcharakter eröffnet als die derbe, brutale und schonungslose.
„Der Junge ist deine Pforte zum Mann in Schwarz. Der Mann in Schwarz ist deine Pforte zu den dreien. Die drei sind dein Weg zum dunklen Turm.“
Letzten Endes eröffnet auch der Mann in Schwarz andere Perspektiven auf seine Intention, verwischt die Grenzen von Gut und Böse und das Buch endet mit vielen Andeutungen und offenen Fragen, aber auch einem durchaus lesenswerten Endszenario. Zum Schluss deutet sich aber auch eine gewisse Willkür an. Warum mussten soviele Menschen sterben? Ist alles angesichts der Reise zum Dunklen Turm egal? Worin liegt die Bedeutung all dieser Opfer und Zermürbungen? Natürlich ist der nebulöse Charakter auch gleichbeduetend mit einem Versprechen oder der Hoffnung auf Auflösungen und Abenteuer in diesem komplexen Kosmos. „Drei. Das ist deine Schicksalszahl.“ bekommt Roland vom Mann in Schwarz gesagt und Drei heißt auch der zweite Teil der Reihe. Nach einem wenig ansprechenden ersten Drittel, spannenderem und zufriedenstellenderem Rest und vielen losen Enden stellt sich die Frage, ob es sich lohnt die Reihe weiterzuverfolgen. Vielleicht das schwierigste an dem Buch (genauso wie bei den meisten Reihen). Für mich war die Frage entschieden als ich den Tipp bekam noch mindestens das zweite Buch zu lesen, weil King da erst warm wird.
„Er floh das Licht und das Wissen, das es in sich barg, und fand so wieder zu sich selbst. Nicht anders, als wir Übrigen das tun; nicht anders als die Besten das tun.“ S. 297
Fazit
Durchwachsener Start einer Fantasyreihe mit einem Versprechen auf Besseres in Folgeteilen
„ausgelesen“ ist eine Kategorie meines Blogs, in der ich immer zwischen dem 15. und 20. eines jeden Monats ein Buch unter die Lupe nehme. Der Begriff „ausgelesen“ ist sehr dehnbar. So wie die Themenvielfalt meines Blogs. Ein „Buch unter die Lupe nehmen“ schließt Belletristik, Sachbücher, Manga, Comics unvm mit ein. 🙂
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