Wenn man sich noch nicht übermäßig viel mit Akira Kurosawas Filmen auskennt, aber ungefähr weiß in welche Zeit man ihn oder seine Filme einordnen muss, wird man bei den ersten Minuten überrascht feststellen: Oh. Farbe. Damit kommt die Erkenntnis, dass es sich bei dem Film um eine der letzten Filme Kurosawas handeln muss. Richtig. Es war der letzte Monumentalfilm, an den sich der für seine Samurai-Historienfilme (Jidai-geki) wie beispielsweise Die sieben Samurai berühmte Kurosawa wagte. Es gab noch drei weitere, aber keine vom Kaliber Rans. Ran bedeutet in der Lesart soviel wie Aufruhr und das beschreibt es sehr passend, was der alte Fürst Hidetora Ichimonji (Tatsuya Nakadai, hier in Maske kaum zu erkennen) auslöst, als er bekannt gibt, dass er sich zur Ruhe setzt. Er will seine Güter und eroberten Burgen an seine Söhne verteilen. Der älteste soll sein Nachfolger und das offizielle Familienoberhaupt werden. Er selbst möchte seinen Lebensabend zusammen mit den Söhnen auf deren Anwesen verbringen. Aber letzten Endes hat jeder der Söhne und so manche der Umstehenden eine ganz eigene Agenda. Ichimonjis gut und vorausschauend gemeinte Tat, sowie die Kriege und Ausbeutung die er in seiner Vergangenheit angezettelt hat, verfolgen ihn und stürzen ihn in eine tiefe Krise bis hin zum Wahnsinn. Das aus dem Gleichgewicht geratene Machtgefüge mündet in Krieg und Chaos.
Man sieht, dass hier ein Meister am Werk war. Zu Beginn des Films sitzen der Vater und die Söhne mit dem Gefolge auf einer satten, grünen Anhöhe. Die Farben in denen die Söhne gekleidet sind, sind die ihrer Wappen und Fahnen, die später das Kriegsfeld dominieren werden. Die einzigen anderen Farben werden das verwaschene Schwarz der Leichenberge und von Ruß und das leuchtende Rot von Blut sein. Kenner erinnert die Handlung vielleicht an etwas: Es ist Shakespeares King Lear, das Kurosawa sich vornahm und in das Japan des 16. Jahrhunderts versetzte. Der Film vereint viele Attribute und Labels: Kostümfilm, Drama, Historienfilm (Jidai-geki) und auch Monumentalfilm. Denn, was wie ein Drama mit einer ordentlichen Prise Pathos und Ethos beginnt, mündet in einem sauber choreografierten Krieg in dem die Treue und das Ehrgefühl der Samurai in krassem Gegensatz zu den niederen Motiven ihrer Herren stehen: Macht, Gier, Träume von Status und Ruhm. Dass das nicht zwangsläufig glücklich macht, zeigt Hidetora Ichimonji selber. Nicht selten wandert die Kamera zum Himmel wie um zu zeigen, dass die Götter zuschauen – oder wem diese Deutung lieber ist – es keine gibt und niemand in das Unglück einschreitet. Einzig und allein die Länge des Films ufert aus und Hidetora Ichimonjis Maske und die des blinden Tsurumaru wirken befremdlich. In Ichimonjis Fall unterstreicht es zumindest gekonnt seinen fortschreitenden Wahnsinn.
Ran (OT: 乱, „Ran“), Japan/Frankreich, 1985, Akira Kurosawa, 160 min, (8/10)
„RAN – New Trailer – Restored in Stunning 4K – In Cinemas April 1“, via StudiokanalUK (Youtube)
Jeden Monat stelle ich einen Film vor, den ich für einen fantastischen Film halte – losgelöst von Mainstream, Genre, Entstehungsjahr oder -land. Einfach nur: fantastisch. 😆
Schreibe einen Kommentar