Zuerst hatte ich richtig Bock auf „Falcon and the Winter Soldier“, dann nicht mehr. Dann hatte ich richtig Lust auf „Shadow & Bone“. Und dann plötzlich nicht mehr, sobald ich den Feedreader oder Twitter geöffnet hatte. Es ist leider so, dass ich immer weniger Lust habe populäre Serien zu schauen – und das bedauere ich auch zum Teil. Woher kommt der Trend?
Alle reden über dasselbe
Genau daher. Das hat mich schon immer unheimlich abgeturnt. Auf Twitter und überall schlägt mir der immerselbe Hashtag entgegen und soviele Gifs und Screencaps, dass ich das Gefühl habe die Serie schon gesehen zu haben. Mein Feedreader quillt über, weil gefühlt alle zur selben Zeit dieselben Serien schauen, nämlich wenn sie gerade frisch rausgekommen sind. Das alles fördert bei mir nur eine immense Fatigue zutage. Als man sich noch mit den Kollegen im Büro getroffen hat, war das noch schlimmer. Gefühlt habe ich immer eine Liste von Serien, die ich schauen will. Ich bin ein Listen-Typ. Und da lasse ich selten alles stehen und liegen, wenn eine neue Netflix-, Amazon- oder Disney+-Serie rauskommt. Die Müdigkeit entsteht dadurch, dass gefühlt schon jeder eine Meinung zu irgendeinem neuen, heißen Scheiß hat, wenn mich davon noch 5 Folgen meiner aktuell geschauten Serie trennen.
Zu Zeiten, wo man jede Woche vor dem Fernseher sitzen musste, um die neuste Folge von LOST zu sehen, war das ja tatsächlich noch etwas anders. Nur leider langsam und auf andere Weise furchtbar nervig. Aber es ist nicht nur der leichte Delay, sondern v.A. auch die Masse. Wenn gefühlt jeder schon eine Meinung hat, dann verliere ich erschreckend schnell das Interesse. Die umstrittenen Punkte wurden gerade schon in der Kaffeeküche besprochen und die Bloglandschaft bildet das meist auch ab. Dann bekommt man das Gefühl als ob alles interessante an der Serie schon gehört oder gesehen wurde. So als ob es da nichts mehr zu entdecken gibt. Das hatte ich schon immer! Es ist der Grund, warum ich bis heute nicht Breaking Bad gesehen habe, The Walking Dead nie ernsthaft in Erwägung zog und auf den Game of Thrones und Witcher Zug erst aufgesprungen bin, als sich der Staub da schon etwas gelegt hatte.
FOMO wo das Auge hinblickt
Wie kommt das denn nun immer mit diesem Hype!? Zum Einen werden wir natürlich rundum damit beschallt. Werbung hier und da, Influencer werden engagiert die frohe Botschaft zu verbreiten, Serienportale nehmen sich natürlich des neusten heißen Sh*ts an, usw. Was allgegenwärtig ist, wird eben eher wahrgenommen als die prämierte Nischenserie. Das klappte auch schon bevor es Serien-Youtube und Influencer gab. Es ist nicht neu, dass der Mensch stets von dem neuen angezogen wird. Das ist brisant, da hat man was zu erzählen, aber das ist auch irgendwie etwas einfach, oder? Wenn ich nur von dem Neuen angezogen werde, dann treffe ich nicht wirklich eine Auswahl nach meinem Geschmack, mache mir keine Gedanken über das Genre oder meine Erwartungen an den Inhalt? Ein Bekannter meinte neulich es gäbe auf Netflix gar nichts zu gucken. Auf Nachfrage („Aber das Angebot ist doch riesig, oder?“) kam dann raus, das es nix neues interessantes gäbe und klar wäre das Angebot groß genug. Aber ich will hier gar nicht die Geschmackspolizei spielen, denn wie wir wissen lässt sich darüber nicht streiten. Ich werfe eher mal FOMO in den Raum.
FOMO steht für Fear of missing out. Mitreden zu können scheint wie ein Statussymbol des eigenen Medienkonsums zu sein. Was ist denn aber mit Qualität!? Der Witz ist doch: wenn ich mit Köpfchen meine Begleitmedien wie Podcasts, Blogs, Youtube-Kanäle oder was weiß ich für Profile konsumiere, dann bekomme ich auch ein Bild ohne mich durch 8 bis 25 Folgen einer gesichtslosen Fantasyserie zu quälen. Oder wenn ich die Köpfe zusammen stecken kann und frage: was schaut ihr so!? Das sind die Kaffeeküchen-Gespräche die ich vermisse, wenn jeder was anderes zu erzählen hat. Klar, das muss ich auch zugeben: es hat schon einen gewissen Reiz, wenn man sagen kann: hast du schon die Folge x gesehen und was denkst du darüber? Man ist eben auf demselben Stand. FOMO scheint aber auch manchmal in dem Wahn abzugleiten, dass man mitreden können muss. Vielleicht hat das Informationszeitalter und die Geschwindigkeit mit der uns Medien erreichen alle zu Kritikern gemacht, die ihre Meinung vor den anderen gebildet haben wollen. Und dann haben die so Podcasts oder Blogs, in denen sie … warte ähm. Hups. ^^
„Aber davon Leben doch Blogs, oder? ODER?“
Ja könnte man denken und dann kommen wir bei mir und der Frage an, warum ich denn nur so arschlangsam Serien gucke, ich habe doch schließlich auch einen Blog, in dem ich meine Meinung über Serien kund tue. Zum Einen: ich bin nicht langsam, nur unempfindlich für Hypes. Vor Allem dann, wenn sie das Label „neu“ tragen. Klar, kommt von einer meiner Lieblingsserien die neuste Staffel raus, kann ich es kaum erwarten. Aber ansonsten finde ich es eigentlich ganz schick erstmal zu hören wie die Stoffe sind. Genauso gibt es viele, die ich unbeeinflusst von Meinungen anderer sehen will. Und: Es gibt soviele Serien, die ich schauen möchte, die nicht brandneu sind. Tatsächlich werde ich öfter gefragt, warum ich denn so eine „alte Serie“ schaue (gemeint war in dem Gespräch Mad Men) oder warum ich so ein altes Buch lese!? Zu der immer mal wiederkehrenden Diskussion habe ich eine Hassliebe entwickelt. Witzig ist sie auch manchmal.
Warum lesen wir denn Klassiker? Warum schauen wir alte Filme!? Weil sie an Reiz nicht verloren haben. Und wenn man in die Geschichte zurückschaut, dann gibt es abertausende Stoffe zu entdecken. Für Blogger*innen, die mit ihrem Blog Geld verdienen wollen ist das eine ganz andere Sache. Die haben Auflagen bis sie was schauen und besprochen haben müssen und um erfolgreich zu bleiben, ist es eben notwendig die Hypes zu bedienen. Ich? Ich mache das hier aus reinem Spaß. Und Spaß bedeutet für mich nicht etwas geschaut haben zu müssen bis zu einem bestimmten Datum. Die Ausnahme sind Filmfeste o.Ä., das gehört dort eben dazu.
No Hate If No Spoilers
In erster Linie ist das alles jetzt natürlich mein Problem, ich will gar niemanden ändern. Naja, vielleicht ein bisschen. 😉 Wenn du Leser*in da draußen es immer schaffst in zwei Tagen die aktuellste Netflix-Serie durchzubingen: gut für dich! Macht euer Ding! Macht, was euch Spaß macht! Ich komme mit meiner Hype-Müdigkeit schon klar, auch wenn ich jetzt schon weiß, dass mich in sechs Monaten irgendjemand grinsend fragt „Wie? Du schaust jetzt erst ‚Falcon and the Winter Soldier‘?“. Ich denke dann einfach an die guten anderen Serien, die ich geguckt habe und es wird mir egal sein. Aber wenn ich um eine Sache bitten dürfte: wenn ihr über den neusten Sh*t Tweets oder Blogposts schreibt: kennzeichnet Spoiler. Ich hatte extrem viel Lust auf Falcon and the Winter Soldier, weil ich schon immer den Winter Soldier im MCU interessant(er) fand (als Captain America). Nachdem aber einige Tweets in meiner Timeline das Ende der Serie gespoilert haben, fühlte sich das schon richtig mies an. Dadurch das besagte Tweets keinen Hashtag der Serie enthielten, sondern einfach nur Spoiler, hätte ich auch keine Chance gehabt dem zu entgehen, wenn ich die Hashtags stumm geschalten hätte. Ich dachte auch eigentlich man weiß, dass man nicht spoilern sollte. Gerade „wir“. Denn was uns Serienliebhaber*innen verbindet ist doch die Liebe zu Serien.
Jetzt interessiert mich umso mehr: wie steht ihr zu Hypes? Seid ihr dafür empfänglich oder eher nicht? Und warum? Was ist der Reiz? Oder warum auch für euch eher der Abturner? War das früher auch schon so als man noch auf die nächste Folge von „xyz“ im Free-TV warten musste? Wie hat sich euer Medienkonsum entwickelt von damals zu heute, wo alles irgendwie verfügbar ist? Was ist gleich geblieben? Was nicht?
Immer zwischen dem 5. und 10. eines jeden Monats mache ich einen kleinen Ausflug in die Serienlandschaft. Ob aktuelle Serien, all-time-favorites, irgendeine TOP-5 oder einfach ein paar zerstreute Gedanken: es ist alles dabei :).
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