Kurz vor Weihnachten zieht Mutter Suzanne (Bracha van Doesburgh) mit ihren Kindern um. Neuer Job, neue Stadt, näher am Opa (Jan Decleir). Während ihre kleine Tochter fragt, wann sie den Weihnachtsbaum aufstellen, sie dekorieren und wann der Weihnachtsmann kommt, ist für ihren älteren Bruder Jules (Mo Bakker) Weihnachten kein Thema mehr. Seit des Todes ihres Vaters wird Weihnachten eh nie wieder so sein wie früher, sagt er. Für Suzanne doppelt schwer, weil vollkommen gegensätzliche Meinungen und mittendrin sie, die doch eigentlich auch trauert. Während sie ihre ersten Tage in der Vorweihnachtsschicht in einer Plätzchenfabrik bewältigen muss, sind die Kinder erstmal beim Opa. Jules findet dort eine seltsame Schneekugel, die ihn in kürzester Zeit an alle möglichen Orte auf der Welt bringt – inklusive einer Hütte am Nordpol, wo ihm dann langsam aufgeht: Opa ist der Weihnachtsmann.
„De Familie Claus | Officiële trailer | Netflix“, via Netflix Nederland & België (Youtube)
Als Opa dann von der Leiter fällt und sich verletzt, braucht er dringend Hilfe für die Auslieferung der Geschenke auf der ganzen Welt. Jules übernimmt mit gemischten Gefühlen. Weihnachten erinnert ihn stets und ständig an seinen Vater und daran wie sehr er ihn vermisst. Aber warum soll Weihnachten für alle ausfallen, nur weil Jules lieber Reißaus nehmen würde? Währenddessen kämpft seine Mutter einen etwas anderen Kampf für familiäre Werte, Kollegialität und Kreativität an ihrer neuen Arbeitsstelle. Es sind viele kleine Botschaften in Die Familie Claus und man muss nicht alle davon gut finden.
So kann man sich die Frage stellen, ob es denn wirklich so wichtig ist, dass Jules unbedingt in die Fußstapfen der Familie Claus steigen muss? Oder ob es für alle wirklich Weihnachten ruiniert, wenn keine Geschenke unter dem Baum liegen? Ok, fair enough, für manche schon, wenn es in die Richtung „verletzter Glaube“ oder „enttäuschte Hoffnung“ geht. Ein anderer Aspekt ist: muss man von einem Weihnachtsfilm erwarten, dass er darauf eingeht, dass man nicht Weihnachten feiern muss, um glücklich zu sein? 🙂 Wahrscheinlich sollte man das nicht erwarten. Tatsächlich gibt der Film aber den einen oder anderen Wink durch Jules Mutter und deren Mutter, die ihre Tochter dafür tadelt, dass sie noch keinen Weihnachtsbaum aufgestellt hat und keinen Weihnachtsbraten fertig hat, weil „das gehört sich doch so“. Darüber herrschen dankbarerweise geteilte Meinungen. Ein wenig kratzt der Film also schon an der klassischen Vorstellung wie Weihnachten gefälligst zu sein hat.
Sicherlich könnte Die Familie Claus in manchen Belangen moderner sein und hätte andere als die ausgetreten Weihnachts-Harmonie-Pfade gehen können. Aber ein Teil von mir möchte die eben doch ganz gern in einem Weihnachtsfilm sehen. Insbesondere, wenn sich Opa in seiner Spielzeugwerkstatt als Kunden vorbeikommen von dem einen oder anderen Stück nicht trennen kann, auch wenn es kaputt oder nicht vollständig ist, bekomme ich gerade diese Vibes. Gedenken, Erinnerung und die Gefühle, die wir mit etwas verbinden, kann uns schließlich keiner nehmen. Auch Jules nicht, der seinen Vater vermisst. Die Familie Claus sensibilisiert für Verlust und Trauerbewältigung. Spricht sich dafür aus, das alles nicht wegzuschlucken, aber eine Form zu finden wie man weitermachen kann. In einer wie ich finde sehr starken Szene erteilt das Nachbarsmädchen Jules darüber eine Lektion. Es liegt an uns wie wir damit umgehen wollen. Gedenken ist nicht wegwerfen, verdrängen; Gedenken ist nichts schlimmes. Trauer sind die Spuren der Liebe, die da ist, man aber nicht mehr auf dieselbe Weise ausdrücken kann. Für Comic Relief sorgen die teils mürrischen teils überenthusiastischen Wichtel und für Stimmung Opas Hütte am Nordpol und sein Spielzeugladen in Belgien, wo die Familie wohnt. Ein schöner Weihnachts-Familienfilm, der Stand heute beim großen N gestreamt werden kann und dessen zweiter Teil (ich wundere mich nicht), schon in den Startlöchern steht.
Die Familie Claus (OT: De Familie Claus), Belgien, 2020, Matthias Temmermans, 96 min
Header image uses a Photo by Kilyan Sockalingum on Unsplash
Jeden Monat stelle ich einen Film vor, den ich für einen fantastischen Film halte – losgelöst von Mainstream, Genre, Entstehungsjahr oder -land. Einfach nur: fantastisch. 😆
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