Das übergeordnete Thema scheint heute Romantik zu sein. ^^ Schon relativ ungewöhnlich für mich. Es kommt selten vor, dass ich bei dem Genre nichts zu meckern habe. Man darf also gespannt sein wie das ausgeht für den gehypten Comic „Heartstopper“ und den Manhwa „Night Crying Crow“. Die Besprechungen halte ich spoilerfrei, was heute erstaunlich leicht fällt.
„Night Crying Crow“ Bd. 1; Jihye Woo, Aquavit (Egmont Manga)
Der Schauspieler Cheon Woogang stellt eines nachts eine Einbrecherin in seinem Apartment. Überraschenderweise hat sie es nicht mal auf ihn oder seine Wertsachen abgesehen, sondern will die Nachbarwohnung abhören. Er lässt sie machen, flirtet mit ihr und versucht ihr zu entlocken, was ihr Auftrag ist. Als sie weg ist, sagt der Klappentext, hat sie sein Herz gestohlen. 🙂 Da ist was dran. Cheon Woogang ist wortwörtlich von ihr betört. Ich weiß kaum, ob ich das romantisch oder dämlich finden soll. Schließlich sieht er wenig von ihr, er kennt sie nicht, worauf fußt wohl die Anziehung? Auf Spannung, einem signifikanten Hauch Gefahr und ihrem Körper? Das müssen Lesende selber werten, genauso die Frage wie schwer die Logiklücken für euch wiegen. Es liegt jedenfalls nicht nur am Zufall, dass er und sie sich wiedersehen.
Cheon Woogang legt es darauf an, selbst wenn das bedeutet, dass er sich in Gefahr bringt. Gegen Ende des Bandes bekommt man dankbarerweise einen klareren Eindruck, was es mit der Einbrecherin auf sich hat. Auch wenn der erste Band aber vielleicht noch etwas zu wenig an Story hergibt, schafft er es sogar sehr gut die Anziehung der Beiden zu transportieren. Auch wenn ich nicht frei von Kritik bin, gibt das bestimmt noch ein nettes Katz-und-Maus-Spiel und Band 1 hat seine Reize. Klar ist aber auch, dass der Zufall ihnen hier enorm viel in die Hände spielt. Die Handlung entwickelt sich in dem recht dick wirkenden Band nicht wahnsinnig weiter und manches ist sehr dünn und konstruiert. Andererseits: ich bin eben eine mäkelige Romance-Leserin. 😉 Vielleicht habt ihr da draußen wesentlich mehr Freude damit.
Etwas mehr Stirnrunzeln verursacht das Konvertieren des Webtoons auf Papier. Webtoons werden ja für vertikales Scrollen an digitalen Endgeräten entwickelt. Dort erlaubt man sich oftmals Freiheiten sehr langgezogene, vertikale Panels einzubauen, die beim Scrollen dann auch was hermachen. Entsprechend sind solche Webtoons im Allgemeinen und leider auch Night Crying Crow Band 1 in der Printversion an einigen Stellen sehr unvorteilhaft geschnitten. Über das Problem kann ich diesen lesenswerten Beitrag empfehlen: Finding Format, CBJ, 25. Mai 2022. Da gibt es einige Mankos, die schon stärker auffallen als in anderen Webtoon-to-Print Konvertierungen. Ich denke da an On or Off uvnm., die sicherlich aber auch den Vorteil haben, dass sie allgemein wenige lange, vertikale Panels beinhalten. Ob das Feedback nun an Egmont Manga geht oder die Visuals aus einer anderen Veröffentlichung übernommen wurden, kann ich nicht beantworten. Davon abgesehen ist der größer formatige Band (A5) ein Hingucker, hochwertig aufgemacht, aber eben auch mit 16€ nicht so billig.
„Heartstopper“ Bd. 1-2, Alice Oseman, Loewe Graphix
Ja, was soll ich noch sagen? Wahrscheinlich bin ich sowas wie die drittletzte Person, die Heartstopper noch nicht gelesen hat. 🙂 Überhaupt habe ich von der Reihe nur durch die Aufregung in den sozialen Netzen erfahren als die Netflix-Adaption des Comics a) angekündigt und b) der Cast bekannt wurde. Animiert dadurch schaute ich zuerst die Serie, weil der Comic offen gestanden vom Zeichenstil her nicht so meinen Geschmack traf. Und nachdem ich die Serie Heartstopper supertoll fand, konnte/wollte ich nicht Jahre auf eine Fortsetzung warten mit dem Wissen, dass es die Comics gibt. Und da sind wir nun. Ich entschied mich für die deutsche Ausgabe, aus dem ziemlich idealistischen Impuls heraus, den Vertrieb von Comics im Allgemeinen und insbesondere welchen mit Fokus auf LGBTQ+ auf dem deutschen Markt zu unterstützen. Auch wenn das bedeutet, dass ich auf Band 3 und 4 noch warten muss (erscheinen im August und November).
Worum geht es aber überhaupt? Für alle die bisher weder über die Serie, noch Comic stolperten: Heartstopper handelt von dem britischen Schüler Charlie Spring, der an seiner Schule jüngst sein Coming-Out als schwul erlebte und Mobbing durchstand. Als die Klassen im neuen Schuljahr gemischt werden, wird er neben den „Rugby Burschen“ Nick Nelson gesetzt. Der ist viel netter als Charlie anfangs erwartet hatte und beide werden Freunde. Charlie lässt sich sogar überreden dem Rugby Team beizutreten, obwohl er das nie für sein Ding hielt. Allerdings verliebt sich Charlie auch in Nick. Der ist doch aber sicher hetero und Herzschmerz vorprogrammiert?
Und wie war es nun? Der Heartstopper Comic ist genau die warmherzige, empathische und vielseitige Auseinandersetzung mit Coming Out, Akzeptanz (bzw. auch dem Gegenteil davon) und erster Liebe, der man der Reihe nachsagt. Da die Seiten wenige Panels beinhalten und sich sehr durch Emotionen und Subtext mitteilen, ist ein Band rasend schnell gelesen. Schon fast wieder schade 😉 Die Serie scheint sich relativ stark an ihre Vorlage zu halten, mit kleineren Abstrichen auf beiden Seiten. Klar: Serie und Buch sind unterschiedliche Medien und können und müssen nicht deckungsgleich sein. Die Serie fokussiert die Nebencharaktere mehr und erzählt beispielsweise die Geschichte von Tara, Darcy und Elle aus. Das dient der Sache, adressiert lesbische Beziehungen und Transgender nochmal umso mehr und ich sehe das als kleines Upgrade zum Buch. Es gibt auch Aspekte des Buches, die ich in der Serie vermisse. Beispielsweise gibt es ein paar „Rugby Lads“, die sehr wohl Charlie leiden können und keine Witze über ihn machen. Ich empfand das in der Serie schon als einen Tick zu schwarz-weiß-gedacht.
Rein optisch ist der Comic immer noch nicht 100% mein Fall und mein erster Eindruck hat mich nicht getäuscht. Die Seiten beinhalten viele schnell „hingeklatscht“ wirkende Hintergründe und auch mal krumme oder wackelige Linien. Wegen sowas bin ich früher mal mit meiner Mappe bei Manga-Mappensichtungen von Verlagen abgewiesen worden.* Das restliche Artwork ist solide, das Character Design sehr schön und divers. Man erkennt aber einen deutlichen Unterschied zwischen Seiten, für die sich Oseman Zeit genommen hat (Schlüsselmomente) und solchen, für die es nicht drin war. Generell scheint sich Osemans Zeichenstil aber zu Band 2 zu steigern. Das Gespür für Schlüsselmomente, die Bedürfnisse der Community und die Wachstumsschmerzen beim Heranwachsen ist in jedem Fall da und Heartstopper wie schon zu erwarten ein großer Tipp. 🙂
* Keine Bange, aus mir spricht keiner Bitterkeit, das ist alles lange her. Kennt ihr die beiden Reihen? Wie gefallen sie euch? Habt ihr schon ähnliche Beispiele erlebt, in denen ihr den Wechsel von Webtoon-Format zu Print-Format nicht gelungen empfindet? Und kennt ihr auch „Heartstopper“ als Serie und Buch? Was sind für euch die nennenswertesten Unterschiede? Gibt es für euch einen klaren Gewinner? Für mich nicht wie man oben vielleicht schon herausgelesen hat. Beide sind meines Erachtens nach in ihren jeweiligen Medien wirklich richtig gut. Ich spiele übrigens mit dem Gedanken Band 3 und 4 hier nicht zu besprechen, sondern mir für eine gebündelte Review der ganzen Reihe aufzuheben. Es sei denn jemand fragt danach. 😉
In „angelesen“ sammle ich die Eindrücke von Buchreihen, die ich lese. D.h. insbesondere von Manga und Comics, die ich noch nicht abgeschlossen habe und deswegen nur als Teil eines Ganzen betrachten kann. Wer andere Literatur sucht und die Meinung zu abgeschlossenen Reihen, findet die in ausgelesen, einer weiteren Rubrik hier im Blog. 🙂
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