In meiner Besprechung des fünften Bandes der Reihe urteilte ich, dass ich sehr gespannt bin, aber auch eine Pause von mindestens einem halben Jahr brauche. Das war dann auch in etwa so. 🙂 Vielleicht sind ein paar Monate Luft für mich ein gutes Maß um mich wieder auf die Welt zwischen den Welten, die Balken und den dunklen Turm einzulassen. Was ich immer großartig finde ist unser Ka-Tet aus Roland, Eddie, Susannah, Jake und Oy. Genau genommen inzwischen auch dem Pere Callahan. Das macht den sechsten Band eingangs noch spannender, schließlich muss unser Team jetzt mit Trennung und Ungewissheit umgehen. Selbstredend, dass die nachfolgende Besprechung Spoiler für die Bücher 1-5 der „Dunkler Turm“-Reihe enthält, aber ich versuche auf Spoiler zu Buch 6 neben einer kurzen Inhaltsangabe zu verzichten.
Getrennte Wege
Der fünfte Band ließ uns an einem Punkt zurück, an dem die schwangere Susannah verschwunden ist. Susannahs Körper ist von einer Entität besetzt, die sich „Mia“ nennt und Susannah wie auch Detta (mehr oder weniger) verdrängt. Für Mia ist das Hauptanliegen das Kind zu schützen und im New York des Jahres 1999 zur Welt zu bringen. Sehr spezifischer Plan? In der Tat. Warum möchte auch Susannah wissen. Und nach wessen Plan Mia handelt. Beide können sich darauf einigen, dass sie koexistieren. Schließlich ist Mia fremd in der Welt und auf Susannahs Hilfe angewiesen, um nicht sofort in New York festgenommen zu werden oder aufzufallen. Währenddessen steht der Rest des Ka-Tets vor zweierlei Aufgaben. Zum Einen wollen sie Susannah finden, zum Anderen das Grundstück im New York der 1977er Jahre retten, auf dem die Rose steht. Immer noch in der festen Annahme, dass wenn die Rose zu schaden kommt, alles vorbei ist. Wie poetisch. 🙂 Den Grundstein dafür haben sie gelegt, aber es gilt noch einige Schritte zu gehen. Was tun mit beiden Aufgaben, bei denen die Zeit ein wichtiger Faktor ist? Sich nochmals trennen und beides angehen.
Natürlich hatte Eddie gehofft sich auf die Fährte seiner Frau zu begeben. Allerdings kommt es anders. Er und Roland versuchen stattdessen den „Rosen-Deal“ festzumachen und landen im Maine des Jahres 1977. Dort machen sie auch noch eine andere, überraschende Begegnung. Derweil verschlägt es Callahan, Jake und Oy ins New York des Jahres 1999 – auf der Suche nach Mia. Alle drei Geschichten zu verfolgen ist abwechslungsreich. Der interessanteste war für mich trotzdem der Rolands und Eddies, die sich mit störrischen Büchersammlern auseinander setzen müssen. Der Handlungsstrang um „Susannah-Mia“ war für mein subjektives Empfinden zu gestreckt und zu sehr mit nicht relevant erscheinendem Füllstoff unnötig angereichert. Das Mia sich irgendwie in der Welt zurechtfinden muss ist eine Notwendigkeit. Aber nachdem wir schon so vielen Leuten bei diesen Wachstumsschmerzen zuschauen mussten (allen voran Roland), hätte ich das nicht ein weiteres Mal gebraucht. Immerhin: wir bekommen Antworten wer Mia ist. Die ergeben Sinn, enthüllen Aspekte, die noch große Konsequenzen nach sich ziehen werden und belohnen diejenigen, die sich noch gut an die früheren Bücher erinnern können. Kleiner Tipp: meine Theorie war, dass Mia eine Art Rachegeist Susan Delgados ist, instrumentalisiert vom roten König. Da lag ich falsch.
„Zorn ist das nutzloseste aller Gefühle“ (p.42)
Und Zorn wird hier viel empfunden. Eddie aus Angst, dass Calvin Tower und Kumpanen seine Zeit verschwenden, wo er doch eigentlich lieber seine Frau suchen würde. Zorn über das Abhandenkommen der eigenen Autonomie Susannahs. Ein starkes Motiv, dass eine weiße Frau hier droht eine schwarze zu entmündigen. Callahan und Jake werden vielleicht nicht von Zorn geleitet, aber sie begeben sich früher oder später in der Erzählung an einen Punkt, von dem sie erwarten nicht zurück zu kommen. Es sind drastische Gefühle, mit denen alle an ihre Missionen gehen. Es wurde aber auch durch allerlei Foreshadowing klar: Song of Susannah (so der englische Titel des Buches) ist ein Abgesang auf das Ka-Tet wie wir es kennen. Eine Trauerballade und Grabrede, bittersüß. Tatsächlich macht auch der Originaltitel des Buches in anderer Hinsicht mehr Sinn, da jedes Kapitel mit einer Strophe eines Liedes endet.
„Wenn der König kommt und der Turm fällt, Sai, werden all die hübschen Dinge wie die Euren vernichtet. Dann herrscht nur noch Dunkelheit, in der nichts als das heulen von Discordia und die Schreie der Can Toi zu hören sind“ p.123
Stellt sich die Frage, wo uns dieser Abgesang zurücklässt? Bei nichts konkretem. Es wird sehr viel Spannung aufgebaut, aber die wenigstens der Konflikte gelöst. Wir bleiben an einem weiteren, noch krasseren Cliffhanger kleben. Sicherlich hat der sechste Band einen notwendigen Bogen geschlagen um das Finale vorzubereiten, aber er lässt frappierend viel offen bei überschaubar viel Fortschritt im Gegensatz zum Beginn des Romans. Fairerweise ist er mit nur 493 Seiten einer der eher dünneren der Dunkler-Turm-Bücher. Wer die Muße hat gleich weiterzulesen, entgeht dieser Frustration. Bei mir war die über soviele Seiten mit wenig Fortschritt zu groß, um direkt zum nächsten Buch zu greifen. Das ist keine Überraschung – so geht es mir seit jeher mit der Reihe. In auffallender Zuverlässigkeit gefällt mir auch ein Band, der nächste nicht, der darauffolgende wieder, usw. Und da Wolfsmond mir größtenteils sehr gefallen hat, ist das wohl alles Ka, oder? 😉 Wenn du als Leser:in dieser Besprechung also bisher mehr Freude mit den Büchern hattest, dann zaudere nicht aufgrund meiner Besprechung.
„Hab keine Aufregung nich erwartet.“ (p.185)
Aufregung kommt neben dem Aufsplitten des Teams v.A. durch zwei Aspekte ins Spiel. Zum Einen wird es nochmal gehörig meta. Wer die vorherigen Bücher aufmerksam gelesen hat, tat vielleicht einiges als Eastereggs sponsored by Stephen King ab. Pere Callahan und Salems Lot als Ganzes könnte ein solches sein. Es wird aber definitiv mehr im sechsten Band und sehr persönlich. 😉 Der vielleicht spannendste Bestandteil des Buches. Ein anderer liegt in der Viele-Welten-Theorie. Es wird mal kurz unübersichtlich, wenn ein weiterer Jack Andolini und seine Männer unsere Wege kreuzen. Oder besser gesagt die von Roland und Eddie. Die Erklärung ist denkbar einfach, sorgt aber für einigermaßen drehende Zahnrädchen im Oberstübchen. Dieser Andolini ist der einer Welt, in der er den Showdown mit Roland und Eddie überlebt hat.
Zwischendrin bleibt sich Stephen King treu. Zwar fehlt anders als in anderen Ausgaben der deutschen Taschenbuchreihe aus dem Heyne-Verlag eine Einleitung und man muss sein Gedächtnis bemühen. Aber auch der sechste Band der Dunkler-Turm Reihe ist meta (es gibt zahlreiche Referenzen auf Stephen King und auf andere literarische Werke wie Edgar Allen Poes Maske des roten Todes), geschwätzig, ausufernd, Fantasy par excellence und belohnt, wenn man Ausdauer hat und sich noch an die vorhergehenden Teile erinnern kann. Auch arbeitet King wie so oft mit Bildern und Metaphern, in denen sich die Gedankenwelt und Psyche unserer Charaktere manifestiert. Das wohl stärkste Bild (neben der Rose): die Zustandsanzeige Susannahs/Dettas/Mias Körper als pfeifende, sirrende Anlage. Wie kann bei all dem das Fazit lauten? Wie folgt:
Fazit
Klassischer Füllstoff, um auf das Finale hinzuarbeiten, der durch seine Meta-Aspekte gewinnt.
Besprechung zu Teil 1 „Schwarz“
Besprechung zu Teil 2 „Drei“
Besprechung zu Teil 3 „tot.“
Besprechung zu Teil 4 „Glas“
Besprechung zu Teil 5 „Wolfsmond“
Besprochene Ausgabe: ISBN 978-3-453-43103-4, Heyne Verlag
„ausgelesen“ ist eine Kategorie meines Blogs, in der ich immer zwischen dem 15. und 20. eines jeden Monats ein Buch unter die Lupe nehme. Der Begriff „ausgelesen“ ist sehr dehnbar. So wie die Themenvielfalt meines Blogs. Ein „Buch unter die Lupe nehmen“ schließt Belletristik, Sachbücher, Manga, Comics unvm mit ein. 🙂
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