Es ist selten, aber heute ist es der Fall: keine Manga, heute werden nur Comics besprochen. 🙂 Dabei geht es heute um zwei Reihen. Eine neu begonnene, eine fortgesetzte. Zum Einen haben beide etwas mit Netflix zutun. „Sandman“ wurde dort bereits als Live Action Serie umgesetzt, „Something is killing the Children“ wird das noch. Zum Anderen gibt es eine weitere Gemeinsamkeit, ein geteiltes Dilemma, das einigermaßen morbide ist. Soll ich es verraten? Das wäre ja viel zu einfach. 😉 Aber soviel tue ich: anmelden, dass die nachfolgenden Besprechungen keine Spoiler enthalten.
„Something is killing the Children“ Bd. 1, James Tynion IV/Werther Dell’edera, Splitter
Die amerikanische Kleinstadt Archer’s Peak wird Schauplatz von zahlreichen Kindsmorden, die zudem auch noch unfassbar blutig sind. Mit James gibt es nun das erste Mal einen Augenzeugen, aber niemand glaubt ihm. James behauptet nämlich, dass es Monster gewesen sind, die die Kinder und Teenager so zugerichtet haben. Lediglich eine junge Frau glaubt ihm, die gerade erst in die Stadt gekommen ist. Sie nennt sich Erica Slaughter und klebt ständig am Smartphone, um mit jemanden zu reden, der wie sie sehr wohl an Monster glaubt. Und die im Gegensatz zu anderen Erwachsenen auch sehen kann. Gemeinsam mit James versucht sie das Morden zu beenden.
Ich gestehe: so richtig hat mich die Prämisse von Something is killing the Children nicht gecatcht. Das Grundprinzip erschien mir als oft gehört, zu oft gesehen. Eigentlich griff ich nur zu dem Comic weil mir das Artwork des Prequels House of Slaughter (besser) gefiel. Und Prequel lesen ohne Hauptserie zu kennen, erschien mir unvollständig. Die Netflixadaption war dann nun der Stein des Anstoßes, den es noch gebraucht hat. Obwohl der hektische Zeichenstil Werther Dell’ederas nicht 100% meinen persönlichen Geschmack trifft, hat der visuelle Stil ein hevorragendes Pacing und versteht es den Gore gekonnt in Szene zu setzen. Wer gern Gedärme um die Ohren gehauen bekommt und Erica mit der Kettensäge hantieren sehen will, kommt auf den Geschmack. Es gibt aber genauso subtilere, atmosphärische Momente, in denen ein einzelner Blutklecks die Szene bestimmt und das Grauen zusammenfasst. Es ist also keineswegs ein subtil-gruseliger Comic, sondern vom Format eines Slashers mit ordentlich Gore. Zwar kann ich das ab, aber was mich mehr interessiert ist die Organisation, die hinter Erica steht und alles was ringsrum angedeutet wird. Beispielsweise warum Erica mit einem Plüschtier redet. Hier gehts übrigens zur Leseprobe bei Splitter
„Sandman – Die Gütigen“ (Sandman Bd. 9), Neil Gaiman et. al., Panini
Nachdem auch nicht gerade milden Foreshadowing in Band 8 Worlds‘ End war schon klar, dass im nächsten Teil der Reihe große Dinge passieren. Der beginnt sehr zu meinem Ärgernis mit einer allumfassend spoilernden Einleitung von Frank McConnell. Man kann nun argumentieren, dass einige Aspekte des Story Arcs eh klar waren. Aber warum man in einem Vorwort quasi das Buch zusammenfassen und den Rest auch noch spoilern muss, verstehe ich nicht. Denjenigen, die ähnlich ticken wie ich und die das weder für einen Kunstgriff, noch eine Gefälligkeit halten, empfehle ich daher die Einleitung zu überspringen und später zu lesen. Danach öffnet der Sammelband mit einem kurzen Comic-Prolog, der schon gekonnter gesetzt ist. Denn in Das Schloss erleben wir eine kleine Führung durch Morpheus Anwesen im Träumen und alle seine Bewohner:innen. Da die folgende Geschichte um Die Gütigen sie alle aufgreift ist das besonders praktisch und wie eine angenehme Wiederauffrischung, dann auch noch mit großartigem Artwork.
Was passiert nun also!? Daniel, der Sohn Lyta Halls wird entführt. Wir erinnern uns an Lyta aus The Doll’s House bzw Das Puppenhaus und daran, dass ihr Sohn quasi ein Teil des Träumens ist, weil er dort (je nach Version von Sandman) seinen Ursprung hatte. Als nun Daniel verschwindet, durchlebt Lyta einen Zusammenbruch. Noch mehr als man ihr zuträgt, dass er tot sei. Sie macht dafür Morpheus verantwortlich, da er immer davon sprach, dass Daniel „sein“ ist und er ins Träumen gehören würde. Lyta sucht also Rache und wendet sich an die Furien (oder auch Eumeniden). Der Titel des Story-Arcs erklärt sich daher, dass ihr nahegelegt wird die Furien lieber die Gütigen zu nennen. Tatsächlich fühlen die sich so semi hilfsbereit. Lyta und Daniel würden sie nichts angehen, fällt nicht in ihr Ressort. Allerdings hat Morpheus etwas anderes getan, das die Furien dann doch verärgert.
Was danach kommt ist jede Menge Gewalt und Verzweiflung, aber auch ein rundes Weitererzählen vieler Storylines rund um die Figuren in Sandman. Wir erleben natürlich wie es für Lyta und Daniel weiterging, auch wer wirklich hinter Daniels Verschwinden steckt. Rose Walker begibt sich weiter auf Spurensuche und kommt ihrer Vergangenheit sehr nah. Einige alte Versprechen werden eingelöst und Flüche aufgehoben. Es gibt reichlich wiedersehen mit Charakteren aus Seasons of Mist, Doll House und anderen Story Arcs. Zur Auflockerung gibt es eine Nebenhandlung rund um Delirium, die ihren Hund sucht und der auch die Anzeichen bevorstehender Ereignisse nicht entgehen. Nachdem was Morpheus zuletzt widerfahren ist, will er eigentlich nicht noch mehr Bürden auf sich laden und wirkt innerlich zerrissen. In der Zwischenzeit ist ihm seine eigene Verletzlichkeit bewusst geworden. Aber auch, dass er umso mehr verletzt, wenn er diese nicht eingesteht und folglich anderen weh tut. Morpheus vergangene Taten haben nun Konsequenzen. Er könnte all dem entgehen, wenn er sein Verantwortungsbewusstsein ablegt. Wenn er tut, was andere vor ihm getan haben. Verneinen, türmen, … aber wer ist er, wenn er das tut?
Damit beendet der neunte Sammelband einige Handlungsbögen auf angenehme Weise, andere auf recht brutale. Ich war sehr schockiert über so manches Ende von Lieblingscharakteren. In Summe ist es aber meisterlich wie all die Geschichten über soviele Bände hinweg ineinandergreifen und Morpheus tatsächlich in ein Dilemma epischen Ausmaßes stürzen. Was am Ende bleibt, birgt einen Neuanfang mit einer etwas anderen Prämisse, auf die ich sehr gespannt bin. Kontrovers ist für mich immer der Artstyle, v.A. wenn durch wechselnde Zeichner:innen. Bei Sandman mag das schon eher funktionieren als bei anderen Reihen. Schließlich sind wir hier im Träumen. Und das kann je nach Träumer:in anders aussehen. Aber ich werde mit den meisten Stilen nicht warm, leider auch nicht in diesem Band. Zu den Zeichnern dieses Arcs gehören Marc Hempel, Richard Case, D’Israeli, Teddy Kristiansen, Glyn Dillon, Charles Vess, Dean Ormston und Kevin Nowlan. Zum Vergleich: Kevin Nowlans Das Schloss fand ich wunderbar und hätte mir den ganzen Band so gewünscht. Das Lettering übernahm Todd Klein. Einer bleibt noch übrig und den schließe ich gern an. Obwohl Sandman ja immer ganz gern damit beworben wird, dass man die Bände auch einzeln lesen kann, würde einem hier vieles entgehen. Aber möglich ist das sicherlich schon, ja.
Die Besprechung zum Sandman-Comic ist dann doch etwas länger geworden, weswegen ich verzichtet habe hier wie sonst eine dritte Review aufzunehmen. Ich kann es kaum erwarten die Ereignisse des neunten Bands vertont oder in der Serie zu sehen. Sollte es die Serie soweit schaffen. Bei Netflix kann man sich ja nie so ganz sicher sein. Apropos … „Something is killing the Children“ wird durch die Serienschöpfer von Dark und 1899 für Netflix adaptiert. Irgendwie fast schon zu geradliniger Stoff für Baran bo Odar und Jantje Friese, aber andererseits habe ich auch noch nicht soviel davon gelesen (Quelle: whats-on-netflix.com, Stand April 2023). Kennt ihr die beiden Reihen und was ist eure Meinung?
In „angelesen“ sammle ich die Eindrücke von Buchreihen, die ich lese. D.h. insbesondere von Manga und Comics, die ich noch nicht abgeschlossen habe und deswegen nur als Teil eines Ganzen betrachten kann. Wer andere Literatur sucht und die Meinung zu abgeschlossenen Reihen, findet die in ausgelesen, einer weiteren Rubrik hier im Blog. 🙂
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