Menschen. Kannst nicht ohne sie, kannst nicht mit ihnen. So oder so ähnlich könnte man das Dilemma der Protagonistin im südkoreanischen Film Aloners bezeichnen. Auf den ersten Blick ist Jina (Gong Seung-yeon) zu cool für sie alle. Ihre Arbeit im Call-Center erledigt sie routiniert und freundlich. Sobald sie Feierabend hat, kommen die Kopfhörer rauf, der Tunnelblick ist Programm. Selbst in der Mittagspause schlürft sie ihr Essen weg während sie Videos auf dem Smartphone schaut. Sie erweckt den Eindruck nicht so recht was mit den anderen zutun haben zu wollen. Für den Nachbarn, der draußen eine raucht und sie begrüßt, hat sie keine Zeit. Als Jina erfährt, dass eben dieser Nachbar vor Kurzem alleine in seiner Wohnung umkam und sie eine neue Arbeitskollegin einarbeiten muss, fällt die Maske und zu Trage tritt: Einsamkeit.
Hong Sung-euns Film Aloners passt in keine Genreschublade. In Ermangelung eines Begriffs, würden die meisten aber wohl zu Drama greifen. Dafür ist der Film aber viel zu ruhig und unaufgeregt. Erlaubt sich durch das Ableben des Nachbarn ein kurzes Nicken in Richtung Geisterfilm – ist aber keiner. Durch Gong Seung-yeons fein nuanciertes Schauspiel und den alltagsbewanderten Stoizismus ihres Charakters Jina ist der Film unterschwellig amüsant. Aloners kann das alles.
Aloners ist v.A. auch die Geschichte von Bildschirmen und Gadgets hinter denen wir uns vor der wachsenden Nähe in Städten und Alltag verstecken. Die unsichtbaren Mauern mit denen wir versuchen andere auf eine (gedachte) Armlänge Abstand zu halten. In der wir versuchen unsere Eigenständigkeit zu behalten, unseren „private space“, unsere Konfliktscheue. Um dann zu vergessen auch ab und zu mal wieder jemanden in unser Leben zu lassen.
Man brauch ein wenig um dahinterzukommen, dass Jinas augenscheinliche Coolness vor Allem ein Schutzmechanismus ist. Vieles stürzt gleichzeitig auf sie ein und zeigt wie komfortabel und einsam der Platz hinter dem Bildschirm ist. Aloners findet dafür eine Sprache, die dankbarerweise mehr empfinden lässt und weniger erklären muss. Der Film macht wieder ein bisschen empfindsam und Lust vielleicht doch wieder ins Büro zu gehen, mit Kolleg:innen mittag zu essen statt auf den Handybildschirm zu gucken. Und vielleicht ja sogar mal mit den Nachbarn ein Gespräch anzufangen. Derzeit kann Aloners bei MUBI gestreamt werden.
Aloners (OT: 혼자 사는 사람들), Südkorea, 2021, Hong Sung-eun, 91 min
Header image uses a Photo by Kilyan Sockalingum on Unsplash
Jeden Monat stelle ich einen Film vor, den ich für einen fantastischen Film halte – losgelöst von Mainstream, Genre, Entstehungsjahr oder -land. Einfach nur: fantastisch. 😆
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