Serien-Besprechung: „Legion“ Season 2 (Rewatch)

Die erste Staffel der Serie „Legion“ machte uns Vertraut mit dem Mutanten David Haller und seinem Ringen zwischen großen Fähigkeiten und großen mental health issues. Die Serie endete mit einem ordentlichen, tragischen Cliffhanger. Da will man doch gleich weitergucken. Und weiter reviewen. 😉 Die Besprechung ist wie gewohnt spoilerfrei.

„If we get lost, we get lost together.“

Die erste Staffel von Legion endetet damit, dass David (Dan Stevens) und seine Freunde zwar den Shadow King alias Amahl Farouk (Navid Negahban) aus seinem Kopf herausbekamen, aber leider entkam er in Olivers Körper (Jemaine Clement). Als ob das noch nicht schlimm genug ist, wird David entführt. Scheinbar nur kurz. So ganz weiß David also nicht, was ihm geschieht als er durch die Tür der neuen Division 3 tritt. Syd (Rachel Keller), Ptonomy (Jeremie Harris), Kerry/Cary (Amber Midthunder/Bill Irwin) – alle arbeiten plötzlich mit der Regierung zusammen. Wieviel Zeit ist vergangen, seitdem er entführt wurde? Die unangenehme Wahrheit: ein Jahr.

Syd ist zwiegespalten. Einerseits froh, dass er wieder da ist, andererseits entsetzt, dass er gefühlt kommt und geht und dabei ihr Leben beliebig aus den Angeln hebt. Die Parallelen zu Melanie (Jean Smart) und Oliver sind unleugbar. Schließlich wurde auch sie von Oliver verlassen, kaum dass er wieder da war. Nur dass Oliver von Farouk besessen ist. David und seine Freunde haben also alle Hände voll zutun. Der einzige, der David nach wie vor nicht traut, bleibt Agent Clark (Hamish Linklater).

Natürlich will David auf Olivers/Farouks Spur. Da erfährt er, dass die Person, die ihn kidnappte niemand geringeres ist als Syd aus der Zukunft. Und die hat eine schwierige Botschaft. Sie brauchen Davids Hilfe um das Ende der Welt zu verhindern. Und was sie auch brauchen: dass er erstmal mit Farouk zusammenarbeiten muss.

Legion | Season 2 – Official Trailer, Marvel Entertainment, Youtube

„Love is what we have to save if we’re gonna save the world.“

Das ist entsprechend erstmal schwer zu schlucken. Kaum dass David nun wirklich Herr seiner Selbst ist und nicht mehr einen parasitären anderen Mutanten Huckepack trägt, soll er ausgerechnet mit dem zusammenarbeiten? Alle versuchen Farouks Körper zu finden, bevor er das kann und wieder zu voller Kraft kommt. Farouk genießt diese Situation, während David alles daran hasst. Obwohl er nicht mehr in Davids Kopf ist, findet Farouk Wege hinein, indem er das lange Martyrium Davids ausnutzt und versucht ihn zu manipulieren. V.A. mit der Frage: was ist gut und böse, richtig und falsch? Wo steht er, wenn er Farouk hilft? Wie vereinbart er mit seinem Gewissen, dass er Syd gerade versprochen hat sie nie wieder im Stich zu lassen und schon wieder Geheimnisse vor ihr hat?

So wild wie die Allianzen, so wild ist die ganze Staffel. Es gibt Dance-Offs. Es gibt Mönche. Es gibt digitale Entitäten. Es gibt mindestens einen Endgegnerfight – ein Battle, das gleichzeitig cringy und eindrucksvoll ist, weil gesungen wird und es teilanimiert ist! Legion bleibt sich treu in all dem, was es uns reicht. Vor Allem aber etabliert es langsam, was der Serientitel Legion (=Davids Mutanten-Handle aus den Comics) bedeutet. Die Staffel gewährt uns einen Blick auf den David Haller wie er (auch optisch) in den Comics auftritt. V.A. aber zeigt sie, dass sich David eben selbst der nächste ist, wenn sein Umfeld von ihm abrückt. Dan Stevens darf ab hier in einer Mehrfachrolle auftreten und mit seinen anderen Persönlichkeiten streiten. Noch wird der Begriff so nicht verwendet, aber sie sind Legion. Manchmal liegt der Trost in uns selbst? Und es beantwortet die Frage, die seit Staffel eins unscharf umrissen blieb. Ob David begabt ist oder an Psychosen leidet? Beides.

Und wie lebt es sich damit? Ungefähr so schwer wie wenn man gern das richtige tun will und auf dem Weg dahin sehr viele falsche Dinge tut. Warum unsere Charaktere das nicht merken? Das erklärt die Serie fast ab der ersten Episoden mit Einspielern über kognitive bzw. psychologische Phänomene wie kollektive Psychosen und Wahrvorstellungen. Ähnlich schleichend wie die sich in unserer Gruppe Bahn brechen, bemerken wir als Zuschauende nicht wie sich hier gut und böse verschiebt. Und wenn dann die letzte Episode gelaufen ist, muss man das erstmal sacken lassen.

„I’m a good person. I deserve love.“

Was aber auch zu dieser wilden Staffel gehört: nicht alle Umstände werden zufriedenstellend aufgelöst. Beispielsweise warum David genau ein Jahr weg sein musste. Warum ein bestimmter Umstand Lennys (Aubrey Plaza) unumkehrbar ist. Oder was daran so anders ist als die David/Farouk-Situation aus der ersten Staffel. Man weiß zwar schon aus Season 1, dass man einige Dinge hinnehmen muss, aber da es hier plötzlich um so vieles geht und sich eine sehr gewalttätige Storyline entwickelt, braucht man zwangsläufig mehr.

Da die Staffel das nicht durchgängig liefert, lebt man am einfachsten sie so zu nehmen wie sie ist und Spaß zu haben. Denn Legion macht nach wie vor enorm viel Spaß! Die Ideen sind bahnbrechend erzählt. Der Soundtrack ist großartig. Das Design ist sowas wie future retro. Zudem folgt die Staffel der Idee sich selbsterfüllender Prophezeiungen, in denen das Unglück losbricht, gerade weil versucht wurde es zu verhindern. Das allein ist schon eine ordentliche Kopfnuss.

Phänomenal gut ist Legion erneut, wenn es um das visuelle geht. Nun, da David auf full power läuft, kann er zwischen der Astralebene und Realität wechseln wie er lustig ist. Und die Astralebene macht quasi alles möglich. Ihre Gespräche dort channeln alles an Szenarien, was man sich vorstellen kann. Amahl Farouk verfügt in Olivers Körper nach wie vor über Olivers Geist und „Reste von Lenny“, mit denen er eine komisch-verzweifelte Beziehung eingeht. Die an Urlaub erinnernden, stylishen Swimming-Pool-Szenen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier Gewalt stattfindet. Und wenn uns all diese Mindgames nicht ausreichen, dann ist da noch ein tiefes Loch in der Wüste, eine sehr seltsame Running-Sushi-Bar, eine wunderbar emotionale Syd-Folge, Roboter mit lustigen Stimmen und eine Episode, in der wir sehen wie es für David in anderen Multiversen hätte ausgehen können. Sehr sehenswert, aber nicht immer einfach. (8/10 statt früher 7/10)

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Tatsächlich gefällt mir die zweite Staffel von „Legion“ nun Jahre später im Rewatch deutlich besser. Durch eine gewisse Wendung am Ende war ich beim ersten Schauen vor Jahren sehr vor den Kopf gestoßen. Ich fand die nur mäßig gut vorbereitet und war regelrecht „böse“ auf die Serie. Damals habe ich die zweite Staffel nie besprochen, was meistens ein Ausdruck meines Missfallens ist. Vielleicht bin ich inzwischen als Zuschauende etwas gereift. Jedenfalls schätze ich inzwischen, was die Showrunner hier versucht haben. Und was ihnen gelungen ist. Auch wenn ich nicht kritikfrei bin.

2 Antworten

  1. Erneut ein sehr schönes Review zu dieser großartigen Serie. Wobei ich bei der Bewertung ein wenig „widersprechen“ muss. 😉

    Neben all den absolut genialen Details und inszenatorischen Einfällen (Dance-Battle, Frauenroboter mit Schnurrbärten usw.) funktioniert die 2. Staffel für mich auch inhaltlich prächtig. Im ersten Jahr fand David zu sich selbst, im zweiten Jahr wird klar, dass er nicht zwangsläufig der Held sein muss. Dennoch gab es einen Punkt weniger als bei Staffel 1.

    https://www.kino.vieraugen.com/tv/legion-staffel-2/

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Naja, widersprechen kannst du natürlich. Aber das bleibt trotzdem meine Bewertung. Ich kann eben nicht die oben genannten kleineren Ungereimtheiten ignorieren, die bei einer sonst so perfekten und wahnwitzigen Serien so unnötig wirken.

      Trotzdem vielen Dank für deinen Kommentar und den Link zum Vergleich der Standpunkte.
      Was ich zur Spoilervermeidung ja nicht so groß angesprochen habe ist der Punkt mit dem „nicht zwangsläufig der Held sein“. Wie sie das am Ende handhaben ist ziemlich mutig. Und mutiger könnten Serien gerne mal sein.

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