angelesen: „Navillera“ Bd. 1 & „Der Sommer, in dem Hikaru starb“ Bd. 2

Heute wird es slice of life-ig und vollfarbig bunt. Zumindest in einem von zwei Manga/Manhwa, um die es heute gehen soll. Der andere kommt eher mit einer Portion Melancholie und Mystery daher. Welcher ist wohl welcher? 😉

„Navillera“ Bd. 1, Hun / Jimmy, Altraverse

Navillera war im letzten Monat eins meiner top feelgood-Bücher. Obwohl darin bei Weitem nicht alles nur eitel Sonnenschein oder frei von Reibungspotential ist. Der Manhwa handelt vom Rentner Deok-Chul, der beschließt trotz oder gerade wegen seines stolzen Alters von 70 Jahren Ballett zu erlernen. Seine Familie ist entsetzt. Manche finden es obszön und denken, dass dadurch er oder die Familie zur Lachnummer werden. Andere sorgen sich einfach wegen der Verletzungsgefahr oder verstehen seine Motivation nicht.

„Lass gut sein“, „setz dich zur Ruhe“, „genieß deinen Lebensabend entspannt“ – derlei Ratschläge sind bestenfalls inhaltsleer für den Siebzigjährigen. Dass Deok-Chul sich nach einem entbehrungsreichen Leben einen Herzenswunsch erfüllen will, scheinen die wenigstens zu verstehen. In einer Ballettschule in seiner Umgebung findet er nach anfangs ähnlichem Unverständnis doch noch Unterstützung. Und in dem viele Jahre jüngeren Tänzer Chae-Rok einen Lehrer wider Willen.

Ich bin absolut begeistert von Navilleras Genremix und Artwork. Die Zeichnungen sind sehr dynamisch und stilistisch absolut selbstsicher. Ein großes Plus ist das vielfältige Charakterdesign und v.A. auch dass die älteren Personen so gut getroffen sind. Navillera ist ein südkoreanischer Comic (Manhwa), der wie hier typisch vollfarbig umgesetzt ist. Neben den Ballettszenen und dem Charakterdesign gefallen mir besonders auch die Hintergründe. Es gibt mehrere Einzelseiten nur mit Stadtmotiven, die wirklich routiniert und einfach nur schön sind.

Die Geschichte macht stimmungstechnisch den Spagat zwischen rührenden Charaktermomenten, Comedy und ernsteren Situationen wie der Auseinandersetzung mit Familie und den Motivationen der einzelnen Charaktere. Auch der junge Tänzer Chae-Rok hat so sein Päckchen zu tragen. Sport-Manga/Manhwa sind natürlich der Königsweg, der in bestimmten Bahnen verläuft oder verlaufen muss. Wenn sich aber der Comic auf diesen bewegt, dann wissen die Schöpfer:innen durch Charaktere und Comedy die Situationen etwas aufzulockern oder zu überraschen, sodass es nie zu vorhersehbar wird. Gefällt mir supergut. Hier findet man bei Altraverse eine Leseprobe zum ersten Band.

„Der Sommer, in dem Hikaru starb“ Bd. 2, Mokumokuren, altraverse

Der erste Band von Der Sommer, in dem Hikaru starb war für mich eine der größten und angenehmsten Überraschungen diesen Frühjahrs. Darin vermutete der Schüler Yoshiki richtig, dass sein Freund Hikaru längst nicht mehr ist. Wer oder was ist aber das Wesen, das jeden Tag mit ihm zur Schule geht? Nachdem Yoshiki in Band 1 und 2 den einen oder anderen Blick auf die wirkliche Gestalt des Wesens erhascht, ereilen ihn schnell Schuldgefühle und Trauer. Dieses Etwas ist offensichtlich nicht sein bester Freund und kann den auch nicht durch so tun als ob wiederbringen. Im zweiten Band findet Yoshiki für das Dilemma eine überraschende Antwort.

Wie er damit umgeht, ist schon Ausdruck dessen, dass er wenig Bock auf Konflikt hat und dafür die eine oder andere Warnung übergeht. Andererseits ist sein Verhalten auch empathisch nachempfindbar. Währenddessen bekommt aber auch der „neue“ Hikaru einen Eindruck, was Yoshiki für ihn bedeutet. Und: die Anwesenheit des Wesens in Hikarus Gestalt scheint auch andere Seiteneffekte zu haben. Es geschehen seltsame Dinge, die die Dorfbewohner dazu veranlassen Maßnahmen zu ergreifen. Ich muss gestehen, dass sich die Ereignisse etwas langsamer entwickeln als ich das nach dem ersten Band erwartet hätte. Vieles wird angedeutet, aber weniges nimmt sehr konkrete Formen an. Das ist etwas schade, aber passiert in einer Form, die bei Laune hält. Gute Teaser.

Immerhin macht der Manga einen ich möchte sagen Quantensprung was die Beziehung zwischen Yoshiki und dem „neuen Hikaru“ betrifft. Zumindest für einen von beiden nimmt das aber auch Züge an, die Der Sommer, in dem Hikaru starb schon zarte Untertöne eines Boys Love Titels verleihen. Ob es das gebraucht hätte, sei mal dahingestellt. Ob man das so lesen muss, ebenso. Der neue „Hikaru“ erkennt nämlich seine Einsamkeit. Oder viel mehr die Einsamkeit, wenn Yoshiki nicht bei ihm ist. Wohingegen Yoshiki lernt Hikaru und „Hikaru“ zu trennen, was seiner Trauerverarbeitung maßgeblich hilft.

Rein optisch bleibt der zweite Teil gut, aber weniger stark als der letzte. Die Höhepunkte und Fokuspanels sind weiterhin atmosphärisch und fabelhaft. Mokumokuren läuft zu Hochformen auf, wenn die Panels dunkle Umgebungen und Naturszenen enthalten. Strecken dazwischen wirken manchmal deutlich skizzenhafter, haben aber trotzdem ein gutes Niveau. Ich bin sehr gespannt wie es weitergeht. Im Juni ist wohl in Japan erst der dritte Teil erschienen und es lässt sich keine zuverlässige Aussage finden, ob das der Abschluss der Reihe ist. Aktuell scheint es noch kein Veröffentlichungsdatum für den dritten Band in Deutschland zu geben. Hoffentlich müssen wir nicht zu lange warten, denn der zweite Band hat einen formidablen Cliffhanger.

Obwohl beide Bände bei Altraverse erschienen, handelt es sich bei dem Beitrag hier übrigens nicht um bezahlte Werbung. Beide Manga haben mir wie man denke ich oben herausliest gut gefallen. „Navillera“ Band 2 wartet hier schon auf mich und wird sicherlich auch bald gelesen. Kennt ihr die Manga? Und wie haben sie euch gefallen?

In „angelesen“ sammle ich die Eindrücke von Buchreihen, die ich lese. D.h. insbesondere von Manga und Comics, die ich noch nicht abgeschlossen habe und deswegen nur als Teil eines Ganzen betrachten kann. Wer andere Literatur sucht und die Meinung zu abgeschlossenen Reihen, findet die in ausgelesen, einer weiteren Rubrik hier im Blog. 🙂

Eine Antwort

  1. […] unbedingt leichte Lektüre, zudem sehr autobiografisch. Sehr gern gelesen habe ich auch den Manga Der Sommer, in dem Hikaru starb Bd. 2 und Lore Olympus Bd. 1 – eine großartige und dramatische Götter-Telenovela in […]

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