Neulich im Kino … Filmbesprechung zu „Dream Scenario“

Die besten Ideen kann man in einem Satz erzählen, hat mir mal jemand gesagt. Das trifft auf Dream Scenario nach einem Drehbuch des norwegischen Regisseurs Kristoffer Borgli zu, der den Film auch selbst inszenierte. Darin taucht Paul Matthews (Nicolas Cage) plötzlich in den Träumen unzähliger Menschen auf. So weit so ungewöhnlich.

Natürlich braucht es eine Weile bis Menschen überhaupt darüber reden und Paul selber das mitbekommt. Im Leben außerhalb der Träume ist er ein etwas unscheinbarer Mann mittleren Alters, der als Professor an einer Universität lehrt. Es triggert ihn ungemein, dass er teil so vieler Träume anderer Menschen ist, aber er dort vollkommen passiv bleibt. Ähnlich passiv fühlt er sich in seinem Leben. Forschungspublikationen hatte er schon lange nicht mehr und seine Kinder finden ihn uncool. Als ihm also so etwas außergewöhnliches passiert, ignoriert er die Warnung seiner Frau Janet (Julianne Nicholson) und schwimmt auf dem Hype mit.

DREAM SCENARIO Trailer German Deutsch (2024) Nicolas Cage, KinoCheck, Youtube

Dass der Film ab hier über weite Strecken inhaltlich vorhersehbar bleibt, ist Teil der Kritik, aber wird von Kristoffer Borgli gekonnt versucht zu umschiffen. Er stellt all die richtigen Fragen. Wie würde das ausgehen und was würde die Presse berichten? Verschwurbelte Theorien von Astralprojektion laufen im Fernsehen, es ist auch mal die Rede von einer Traum-Epidemie. Was würde passieren, wenn die Stimmung umschlägt? Wenn Paul in den Träumen doch aktiv wird? Vielleicht sogar Dinge tut, die uns nicht mehr nur kalt lassen. Wenn Dinge passieren, die eigentlich nicht real sind, aber die Wahrnehmung anderer von Paul komplett verschieben? Das passiert in dem Film. Und es ist nicht beeinflussbar, denn Träume sind leider schließlich diese eine Sache, die wir nicht wirklich zuverlässig beeinflussen können.

Natürlich leidet darunter Pauls Geltungsbedürfnis und vielleicht sogar sein Leben. Das was daran so erschreckend sein soll ist, dass wohl jeder von uns ein bisschen von diesem Wunsch Pauls teilt etwas besonderes zu sein. Bei manchen sicherlich sehr ausgeprägt, bei anderen kaum. Gegen Ende des Films gibt uns Kristoffer Borgli aber auch noch den Hinweis, dass das nicht nur eine Erzählung nach dem Prinzip „be careful what you wish for“ ist und uns von Berühmtsein erzählt, sondern möglicherweise auch von Influencer-Dasein und cancel culture. Das sind aber nur ein paar von vielen Motiven, die dafür sorgen, dass man sehr lange darüber nachdenken muss, wovon der Film eigentlich wirklich handelte.

Das liegt v.A. daran, dass der Film so viel Zeit in Momente der Selbsttäuschung investiert. Warum, wenn der Film von cancel culture und Geltungsbedürfnis handelt? Weil er das nicht tut. Er handelt eigentlich nur von Selbsttäuschung. Davon, dass Fremd- und Selbstwahrnehmung sich unterscheidet und oft nicht hinterfragt oder fehlinterpretiert wird. Davon, dass wir uns eigene Wünsche nicht bewusst machen und „fälschen“, statt sie wirklich anzugehen. Man nehme nur Paul, der sich einredet sein großes, wissenschaftliches Buch (übrigens über den Hive Mind, auch spannend) zu schreiben, kaum dass eine alte Studienkollegin das tut. Oder seine Frau, die ihren Kollegen bittet bei einem bestimmten Projekt mitarbeiten zu dürfen, aber Paul erzählt, dass sie gefragt wurde. It’s just Be careful what you wish for.

Diese mehreren verfolgten Motive machen es etwas schwer den Finger auf die vielen Reize zu legen, eine eindeutige Position zu Paul zu beziehen oder zur Handlung. Aber sie laden definitiv ein nach dem Film zu diskutieren, „Was hättest du gemacht?“ zu fragen. Etwas schade ist, dass der Film außer Acht lässt wie unzuverlässig diese Augen-Träumer-Berichte sind. Wer kann sich schon 10 Minuten nach dem Aufwachen wirklich an die Gesichter der Bystander in einem Traum erinnern? So oder so ist Dream Scenario ein faszinierendes Gedankenspiel, das eben nur etwas Arbeit erfordert all das Gesehene einzusortieren. Wo andere sehr wenig erzählen, erzählt Dream Scenario zuviel. Vor Allem dann, wenn man sich jetzt auch noch fragt: welche Bestandteile des Films waren noch Träume, die man anfangs für Realität halten könnte (Stichwort Lichtschalter)? Nicolas Cage spielt die ungebremste Abwährtsfahrt Pauls ohne Schamgefühl. Er umarmt die Rolle des „Normalos“ Paul und liefert ab. Ich bin froh, dass ich mich nicht erinnern kann, was ich nach dem Kinobesuch geträumt habe.

Dream Scenario, USA, 2023, Kristoffer Borgli, 123 min, (7/10)

Sternchen-7

Da das oben zu kurz kam: ich habe auch die verschiedenen Traumsequenzen sehr genossen. Dass der Film von Ari Aster koproduziert wurde, überrascht nicht. Schließlich hat das sehr bald Albtraumpotential. Eine meiner liebsten Wortneuschöpfungen in dem Film war wohl „Paultergeist“. Wie hat euch „Dream Secnario“ gefallen?

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