Als ich neulich krank zuhause rumlag, war ich an mindestens einem Tag nur zu einem fähig: in den Fernseher starren. Das war insofern ganz schön, dass ich u.a. mal die eine oder andere Serie nachholen konnte. „Rematch“ läuft derzeit noch bis zum 23. November in der Arte Mediathek und erzählt von wahren Begebenheiten – einem legendären Schach-Match Mensch vs. Maschine. ♟
Der Auftakt könnte kaum dramatischer sein: eben stand Schach-Großmeister Garry Kasparov (Christian Cooke) noch auf der Bühne und referiert über den Kern des Spiels bzw. Sports, dann erhält er eine Nachricht, die ihn offenbar tief erschüttert. Wir erleben danach rückblickend wie er 1996 dazu eingeladen wurde in Philadelphia gegen den IBM Computer Deep Blue anzutreten und das Match gewann. Aber IBM ließ nicht locker. Insbesondere die IBM-Managerin und Chefin der Abteilung für Research & Development Helen Brock (Sarah Bolger) gibt nicht auf und fordert ihn erneut heraus. Kasparov willigt ein. Doch das Foreshadowing lässt vermuten: wird dieses Rematch Kasparovs Karriere beenden?
Nun ja, ob Kasparov das Rematch gewonnen oder verloren hat, müssen geneigte Zuschauende selber herausfinden. Wer nachschaut, spoilert sich zwangläufig, denn die Serie beruht auf wahren Begebenheiten. Es kam 1997 zum Rematch. Wie aber die Serie auch durch entsprechende Disclaimer klar macht (und die Recherche zeigt): es ist eine fiktionalisierte Serie. Das heißt es gibt eine Menge Eckdaten (wie den Ausgang der Matches 1996 und 1997), die stimmen und einige, die sich etwas anders abgespielt haben. Beispielsweise wurden reichlich Namen geändert. In der Serie nennt sich der Entwickler Deep Blues selber „PC“ (verkörpert von Orion Lee, cooler echter Name!), während in der Realität mehrere Personen an der Entwicklung beteiligt waren. Feng-hsiung Hsu kommt dem Serien-Charakter „PC“ u.a. durch seine Abstammung am nächsten und hat tatsächlich die ersten Prototypen entwickelt, nahm was Deep Blue betrifft auch vielleicht die größte Rolle ein.
Was Rematch nun erzählt ist aber in seinen Grundzügen schon eine krasse Geschichte und ein historisches Ereignis: Mensch und Maschine messen sich in einem Ausmaß, das bis zu diesem Zeitpunkt nicht denkbar war. Nie zuvor hat die Rechenleistung eines Computers für eine derartige Aufgabe ausgereicht. Deep Blue gewährte einen ersten zarten Blick darauf, was Computer leisten können – und dass sie uns vielleicht tatsächlich in bestimmten Aufgaben das Wasser reichen oder ablösen könnten? Was würde das für Schach als Sport bedeuten? Und was für den Großmeister, der (vielleicht) von einer Maschine besiegt wird? Allein das generiert (zu Recht) eine Dramatik, die auch in der französischen Serie angemessen spannend dargestellt wird. Jedes Spiel, jedes Match, jede Herausforderung bietet eine Wendung. Die meisten davon hat tatsächlich das echte Leben gesponsort.
Zu großen Teilen erzählt Rematch auch die Geschichte Kasparovs, seiner Kindheit und wie er sich in der Sowjetunion durchsetzte. Auch seine familiären Beziehungen nehmen viel Raum ein. Dem Gegenüber stehen die Bemühungen der IBM-Managerin Helen Brock der IBM zu Ruhm zu verhelfen (man könnte auch sagen ihren Chef glücklich und sich selber unglücklich zu machen bei dem Versuch Familie und diesen großen Coup unter einen Hut zu bringen) und die Bemühungen der Entwickelnden und Berater rund um Deep Blue. Allen voran „PC“s, der damit hadert, dass ein immer größeres Team in Deep Blues Algorithmus eingreift und dass er nicht die Anerkennung erhält, die er für die Entwicklung bekommen sollte. So weit so vorhersehbar.
Natürlich leuchtet meine Entwicklerinnenseele, wenn es mal eine Serie schafft zu zeigen wie spannend IT ist. Aber auch aufzuzeigen wie mies es sich anfühlt, wenn die Leistungen einzelner untergehen. Zumal die Serie PC als alleinigen Entwickler Deep Blues platziert. Auch das Gewicht der historischen Ereignisse wird wunderbar und dramaturgisch dicht dargestellt. Vieles andere bewegt sich auf Allgemeinplätzen wie die Mär der bösen CEOs oder dass am Ende ein großes Ereignis Familien wieder zusammenführt. Auch kann ich beim besten Willen nicht sagen, ob Rematch eine gute Schachserie ist.
Sie hat jedenfalls einige stilistische Mittel, die auch Das Damengambit erfolgreich anwendete wie die imaginäre Visualisierung von Schachzügen. Ich spiele einfach zu wenig Schach als dass ich das bewerten könnte. Obwohl es Informatik als anderen großen Bestandteil hat, wird es sich wohl nicht in die Serien, die IT können einreihen. Denn es beläuft sich auf IT-Namedropping. Immerhin gutes – ich habe hier wenig Quatsch gehört. Auch der Code, den man sieht, scheint echter Quelltext zu sein, vielleicht in C geschrieben. Doch letzten Endes werden die spannenderen, technischen Aspekte wie Red Herrings fallen gelassen. Beispielsweise die Frage, woher der Code kommt, den PC nicht zuordnen kann. Zwar werden mehrere Vermutungen geäußert, aber an eine Backdoor, Spionage oder Betrug denkt nicht mal jemand. Auch die Frage, ob Deep Blue als KI klassifiziert werden kann, wird irgendwann fallen gelassen. Schade um die geraubten Chancen. Wenn es also nicht klar ist, ob es eine gute Schachserie ist und vermutlich eher keine gute IT-Serie, was ist Rematch dann? Eine wirkliche gute und unterhaltsame Serie, die historische Begebenheiten greifbarer macht. (7/10)
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Was ja wieder einmal dafür spricht wie angenehm Arte-Serien sind, ist wie die Serienschöpfer:innen davon sprechen, dass Arte sie nicht gedrängt habe und sie einfach machen konnten. Wenn solche Serien dabei rauskommen, dann gern weiter so und mehr davon – auch wenn „Rematch“ nicht meine Serie des Jahres geworden ist, hat es mir Spaß gemacht sie zu gucken. Habt ihr „Rematch“ gesehen? Spielt ihr Schach? Oder habt jemals von dem Match und Deep Blue gehört?
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