Letztes Weihnachten (ja, ich habe mir das etwas aufgehoben), dachte ich: jetzt mal ein bisschen Weihnachtshorror in Serienform! Vielleicht dachte ich auch: jetzt mal ein bisschen Zachary Quinto in der Bösewichtrolle! Sagen wir mal so: letzteres hat besser funktioniert als ersteres. Die Besprechung zur ersten Staffel ist spoilerfrei, besprochen wird aber die ganze in zwei Staffeln abgeschlossene Serie. Auf nach Christmasland. 🎄
Falls ihr (wie ich) nicht gleich drauf gekommen seid, den Titel der Serie spricht man Nosferatu und sie hat so ihre monströsen Twists. Zu Beginn der ersten Staffel sieht man wie ein Kind mit Weihnachtsgeschenken aus seinem Zuhause und in einen alten Rolls Royce mit dem Kennzeichen NOS4A2 gelockt wird. Der sehr alte Fahrer des Wagens heißt Charlie Manx (Zachary Quinto) und verspricht dem Kind eine Fahrt nach Christmasland. Dort ist jeden Tag Weihnachten und man hat jeden Tag eine gute Zeit. Nie muss jemand traurig sein. Kaum ist der Junge mit dem Auto davongefahren, vollzieht sich eine seltsame Verwandlung mit ihm, während der Manx stetig jünger wird. Die Eltern des Kindes werden umgebracht. Manx und seine Handlanger haben das offenbar nicht das erste Mal gemacht. Denn angekommen in Christmasland (was nicht nur eine Metapher ist), sind dort jede Menge Kinder. Und sie haben verdammt spitze Zähne.
Season 1
Nach diesem Take auf Vampirismus (Manx Verjüngung wie auch die Verwandlung der Kinder), lernen wir auch Vic McQueen (Ashleigh Cummings) kennen, die eigentliche Protagonistin der Serie. Sie lebt in Haverhill, Massachusetts in einer langsam auseinanderfallenden Familie und versucht ihre Eltern davon zu überzeugen sie die Kunsthochschule besuchen zu lassen. Als sie enttäuscht von ihnen wieder einmal mit ihrem Motorrad Reißaus nimmt, entdeckt sie, das sie übersinnliche Fähigkeiten hat. Die werden dafür sorgen, dass sich ihre und Charlie Manx Wege kreuzen. Die Serie legt hier den Grundstein für eine Erzfeind-Beziehung. Vic muss ihre Fähigkeiten und die Kosten die damit einhergehen erst noch austesten lernen, was ihren eh schon schwierigen Alltag nicht gerade einfacher macht. Sie erhält Hilfe von Maggie (Jahkara Smith), die ihr erklärt wie ihre Fähigkeiten funktionieren und die auch selber welche hat – die ausgesprochen cool sind, sei schon mal gesagt.
So oder so widmet sich die erste Staffel aber der Findung all dessen und der Charakterisierung der Personen. Es ist nicht uninteressant all die Eckdaten verstehen zu lernen und zu sehen wie sich Vic, Maggie und Charlie Manx immer mehr annähern. Man arbeitet quasi gemeinsam darauf hin. Aber es ist eben leider auch nicht gerade so spannend, dass man auf dem Sitz hin- und herrutscht. Und das obwohl Charlie Manx eine große Metapher auf Kindesentführung aufspannt. Sein Angle ist, dass er stets Kinder aus ihren scheinbar unglücklichen Haushalten herausholt in eine angeblich bessere Welt. Wobei all das eben auch nur Charlie Manx kleinlaute Vorstellungen von einem „moralischen“ Haushalt sind. Und dann Christmasland: das ist schon ein Anblick mit all den kleinen Vampiren und ihren grausamen Kinderspielen zwischen Lichterkette und Lebkuchenhaus (oder so).
Dass das alles trotz der interessanten Motive und des Worldbuildungs nicht besser funktioniert und nicht spannender ist, liegt an der Aufblähung der Serie mit Vics Ringen um ihre Familie und ihre eigene Zukunft. Da ich auch mal Kunst studieren wollte, war es schon sehr triggernd zu sehen wie sie händeringend versucht trotz fehlender finanzieller Mittel und fehlender Unterstützung ihrer Eltern ihre Begabung zu ihrer Zukunft zu machen. Was dort alles nicht funktioniert ist leider bittere Realität. Ihre Eltern werden gespielt von Ebon Moss-Bachrach und Virginia Kull, die wie Gewichte an Vics Füßen sind. Sie werden so aufgestellt, dass sie das Bild eines bestimmten Milieus erzeugen wollen und man weiß manchmal nicht, ob das gut gelungen ist. Allzu stereotyp. Trinken, keinen Job haben, die Frau schlagen. Dies als Schwächen erkennen und irgendwie den Brückenschlag schaffen, dass man doch eigentlich die Familie liebt? Schwierige Darstellung oder ein Hauch Realismus? Man weiß zwischendurch kaum, ob man jetzt emotional mehr in Vics Struggle investiert sein soll oder das Verhindern von Charlie Manx. Man fragt sich aber auch: warum erzählt mir die Serie das so kleinteilig?
Es hemmt das Tempo und die Spannung sehr, die ganze Dramaturgie hat ein immenses Zeitproblem. Aber klar ist, dass es ein kleiner Take auf Klassenunterschiede, Nature vs Nurture sein soll und dass Vics Familie Charlie Manx entgegensetzen soll, dass nun mal nicht alle Familien perfekt sind. Dass auch Eltern Fehler machen, aber dass das nicht bedeutet, dass die Kinder weniger geliebt werden. Vielleicht ist es eine überstarke Metapher, dass das Weglaufen vor diesen Problemen selten etwas einfacher macht. So richtig gut geht all das dann aber erst in der zweiten Staffel auf und ja: eine besonders gute Weihnachts-Horror-Serie ist es leider auch nicht, weil man Christmasland nur eine Handvoll Male kurz sieht. Warum dann die erste Staffel schauen? Am ehesten für Vics hürdenreiche Heldinnenreise, für Maggie und ihre coolen Fähigkeiten und für das Entdecken ihrer Welt dieser Serie. (6/10)
Season 2
Den Showdown im Finale der ersten Staffel zwischen Vic und Manx, hat dieser geradeso überlebt. Wie sich herausstellt, aber auch nur, weil der Wraith überlebt hat. Die Rolle Bings darin ist auch nicht gerade klein. Es tat mir schon in der ersten Staffel leid, dass Bing (Ólafur Darri Ólafsson) zum Gegenspieler in der Serie wurde und sich auf Manx Seite schlug, aber desto mehr man über ihn erfährt, desto einleuchtender wird das leider und spielt in die ganze Nature vs Nurture Debatte. Genauso wie am Ende Vic selber. Sie befindet sie sich nun in einer eigentlich liebevollen Beziehung, wiederholt aber die Fehler ihrer Eltern unter denen sie litt. Sie lebt mit ihrem Mann Lou (Jonathan Langdon) und ihrem inzwischen achtjährigen Sohn Wayne (Jason David) abgeschieden und weit weg von ihren Eltern. Eigentlich könnte alles cool sein. Dann aber bekommt sie mit, dass Manx zurück ist und setzt ihre persönliche Vendetta fort.
Was daran falsch ist? Nun, Rachegelüste sind das eine, dass sie geschworen hat die ganzen Kinder aus Christmasland zu befreien das andere. Dass sie aber ihre Familie dafür wortwörtlich hängen lässt, spannt eben den Bogen dazu wie sie selber aufgewachsen ist. Damit geht die Serie zwar einen auf dem Papier nachvollziehbaren, aber sehr bedauerlichen Weg. Natürlich ist es schon interessant, wenn sich Serien trauen ihre einstigen Protagonisten mit hehren Zielen etwas von ihrem einstigen Glanz zu nehmen. Nur spielt es leider auch in das Muster des ewigen Hin und Hers, das schon die erste Staffel nutzte, das künstliche Drama und das Trope, dass wenn Menschen einfach mal miteinander reden würden, vielleicht alles anders ausgegangen wäre. Man riecht doch schon auf zehn Meilen Entfernung, dass Vic durch ihre Vendetta ihren eigenen Sohn in Gefahr bringt!?
Cool an der zweiten Staffel ist, dass Christmasland deutlich mehr auftaucht und eine Rolle spielt, was auch der Atmosphäre der Serie insgesamt hilft und sie ein Stück weit mehr in die Richtung Horror als Drama verschiebt. Auch dass Jonathan Langdon es vom Finale der ersten Staffel in die zweite geschafft hat, freut mich. Die Batman- und Superheldenverweise auf Vics Sohn und dessen Namen sind zudem ganz cool. Dass Charlie Manx eine Background Story bekommt ist überfällig und ganz gut gelungen aber wie alles narrative sehr gedehnt. Schade, dass die Serie nicht mehr in die Welt der „Shorter Ways“ und „Strong Creatives“ abtaucht. Ich hätte zudem ein Spin-Off mit Jahkara J. Smith als Maggie Leigh geschaut. Die Serie wurde nicht um eine dritte Staffel verlängert, bietet aber auch ein akzeptables Ende, dass man auch als genau solches betrachten kann. (5/10)
Header image uses a photo by Karsten Würth on Unsplash
Übrigens ist die Serie eine Adaption eines Romans von Joe Hill, der wiederum ein Sohn Stephen Kings ist. Und das merkt man auch der Adaption an. Liest man noch ein bisschen mehr darüber, dann fallen einem auch die Parallelen auf. Mysteriöse Autos, andere Dimensionen, fancy Begriffe für Fähigkeiten und Orte („Shorter Way“, „Strong Creative“), reichliche Querverweise auf andere Geschichten Joe Hills – japp, man sieht es. Wenn ihr heraushört, dass NOS4A2 nicht meine Lieblingsserie war, dann stimmt das. Aber sie war irgendwie „interessant“ in manchen Aspekten. Auch das steht wohl sinnbildlich für King wie auch für Hill. Habt ihr die Serie gesehen? Dieser Post ist Teil des Booleantskalenders 2024. Unter dem Link findet ihr alle Türchen, d.h. alle Beiträge aus der Vorweihnachtszeit. 🎄
Schreibe einen Kommentar