7ème art: Oscar-Edition (2013)

Heute am 24.02.13 werden wieder die goldenen Jungs verliehen – zu Feier widme ich mich in meinem ersten „7ème art“-Beitrag einigen nominierten Werken in Kurzreviews. Heute ausnahmsweise mal „außer der Reihe“ (die regulären Beiträgen erfolgen zwischen dem 1. und 5. jeden Monats).

Les Misérables

Tom Hooper (The Kings Speech) verfilmte das gleichnamige Musical, dessen Handlung aus der Feder Victor Hugos stammt. Im Zentrum der Geschichte steht Jean Valjean, der im Frankreich des 19. Jahrhunderts aus dem Zuchthaus entlassen wird. 19 Jahre hat er dort unter den strengen Augen des Aufsehers Javert zubringen müssen. Und das nur weil er einen Laib Brot für seinen Hunger leidenden Neffen gestohlen hat. Das Leben spielt ihm auch nach dem Zuchthaus nicht gut mit und er droht seinen Glauben zu verlieren. Durch die Begegnung mit einem Geistlichen und der Güte die ihm entgegen gebracht wird, beschließt er sein Leben zu ändern. Er nimmt eine neue Identität an, steigt zum Bürgermeister einer Gemeinde auf und läßt den Menschen soviel Güte zukommen, wie sie es verdient hätten und wie er sich für seine schweren Jahre gewünscht hätte. Im Laufe der Zeit hat er einige schicksalhafte Begegnungen: beispielsweise mit der armen Fantine und auch mit einem alten Bekannten – Javert. Kann er seine Versprechen halten oder wird seine wahre zuvor Identität aufgedeckt?

Tom Hoopers Umsetzung ist ein wahrhaft bombastisches Machwerk. Russel Crowe (Javert), Hugh Jackman (Valjean), Anne Hathaway (Fantine), Amanda Seyfried (Cosette) und auch Helena Bonham Carter (Mme Thénardier) und Sacha Baron Cohen (Thénardier) unvm singen was das Zeug hält. Denn nicht das Buch wurde verfilmt, sondern das Musical. Dementsprechend wird durchgängig geträllert. Meines Erachtens nach, muss man sich daran in den ersten paar Minuten etwas gewöhnen. Der Grund: auf polierte Studioarbeit und Neuaufnahme der Songs wurde verzichtet und der Gesang während des Drehs mit aufgenommen (Quelle: Cinema 02/2013). Und das hört man auch, nur brauch das ungeübte Ohr ein paar Songs um zu verstehen, dass es nicht poliert klingt aber immer noch überdurchschnittlich gut. Besonders Anne Hathaway, Amanda Seyfried, Hugh Jackman und Eddie Redmayne sind mir als grandiose Interpreten aufgefallen. Und wenn einen der Gesang nicht gefangen nimmt, dann mit Sicherheit die rührende Lebensgeschichte von Jean Valjean und die Motive von Gerechtigkeit und Gnade, an denen es in unserem Zeitalter oftmals fehlt.(8/10)

Sternchen-8

Django Unchained

Quentin Tarantinos Rache-Episode entführt den Zuschauer in den Süden der Vereinigten Staaten. Sklaverei ist an der Tagesordnung und so fristet der Titelheld Django ein Leben unter menschenundwürdigen Verhältnissen, harter Arbeit, Folter und Unterdrückung. Bis Dr. King Schultz seinen Weg kreuzt. Der deutsche Zahnarzt verdient seinen Lebensunterhalt als Kopfgeldjäger und geht einen Deal mit Django ein. Er hilft Django bei dem Unterfangen seine Frau Broomhilda zu finden, wenn er im Gegenzug für ihn ein paar finstere Typen identifiziert. So lernt Django das Handwerk des Kopfgeldjägers, wird das erste Mal seit Jahren wie ein Mensch behandelt und erteilt allerlei Mistkerlen eine Lektion.

Wie einige seiner Vorbilder beschreibt Tarantino scheinbar gerade eine ganze Serie von Filmen die Rache als zentrales Motiv haben (Kill Bill Vol. 1 % 2, Inglorious Basterds, Django). Und nicht nur das: seine Neuinterpretation des Franco-Nero-Django von 1966 ist Homage an den Italowestern und Sklaverei-Drama zugleich. Typische Tarantino-Elemente wie die enormen Mengen Kunstblut, lange Dialoge, Spannungsabfall gegen Ende (wie nannten wir das in der Rhetorik? Antiklimax), ein Cameo, Ehre, skandalöse Szenarien, ein bischen Pathos und jede Menge Lacher machen Django zu einem unvollkommenen Film aber zu einem sehenswerten, von dem sich sanfte Gemüter gerne schockieren lassen. Verglichen mit bisherigen Tarantinos-Filmen empfand ich Django als etwas schwächer in der Umsetzung, obwohl das Thema umstritten ist und Kritik verdient. Der Mix aus Rap und an Italo-Western angelehnte Musik wirkt unstet, der Film hat seine Längen und führt interessante Charaktere zu spät ein (Stephen, Calvin Candie). Die Leistungen von den Darstellern sind große Klasse: Christoph Waltz macht herrlich Spaß. Leonardo DiCaprio ist ein teuflisch guter Bösewicht! Und der Gedanke dass Jamie Foxx demnächst als Präsident der USA (White House Down) im Anschluss an sein Schauspiel als Sklave im Kino zu sehen ist: eine Extra-Freude. (7/10)

Sternchen-7

Silver Linings

Der Film erzählt die Geschichte von Pat (Bradley Cooper), der zuvor aufgrund einer bipolaren Störung in eine Klinik eingewiesen wurde und gerade frisch entlassen wurde. Zurück in seiner Heimatnachbarschaft muss er sich der Beobachtung und dem Getuschel der Leute stellen, wie auch seiner eigenen Familie. Diese trauen ihm den Neueinstieg mal mehr mal weniger zu und haben auch selbst ihr Päckchen zu tragen (der Vater hat scheinbar nicht nur eine Zwangsneurose). Zwischen all dem normalen Wahnsinn versucht Pat vor Allem seine Frau zurückzugewinnen. Was aufgrund der einstweiligen Verfügung sich nicht zu nähern sehr schwer sein dürfte. Nebenbei lernt er Tiffany (Jennifer Lawrence) kennen, die aufgrund eines traumatischen Erlebnisses auch einen Zusammenbruch erlitten hat. Beide gehen einen Deal ein: sie hilft ihm seine Frau wiederzugewinnen und er nimmt mit ihr an einem Tanzturnier teil. Was den beiden Wiederfahren ist, was aus ihnen wird und warum das Turnier noch überlebenswichtig für Pats Familie wird erzählt Silver Linings.

Pats sympathisch durchgeknallte Familie und das nicht minder unnormale Verhalten des Umfelds zeigt uns wie normal das Anders-Sein ist. Bradley Cooper weckt im Zuschauer alle Facetten: mal rührt er uns, mal kann man ihn nicht leiden und mal möchte man ihn knutschen, weil er’s gerade richtig gemacht hat. Und mit Jennifer Lawrences Darstellung der Tiffany hat der Film auch eine schnoddrige Dreckschnauze die ordentlich aufräumt und im richtigen Moment auch so menschlich und verletzbar ist. So muss ein Film über die wahnsinnige Suche nach dem Silberstreif am Horizont sein. (8/10)

Sternchen-8

Der Hobbit – Eine unerwartete Reise

Peter Jackson hat sich (nach Startschwierigkeiten) der Vorgeschichte seiner Herr der Ringe – Trilogie angenommen. Der Hobbit – Eine unerwartete Reise entführt uns wieder in das Auenland, in dem Bilbo Beutlin ein friedliches und vor Allem äußerst gemütliches Dasein fristet. Eine Begegnung mit Gandalf dem Grauen führt ihn anfangs widerwillig in das größte Abenteuer seines Lebens. Mit den Zwergen Balin, Dwalin, Oin, Glóin, Kili, Fili, Dori, Nori, Ori, Bifur, Bofur, Bombur und dem Erben des Zwergenkönigreichs Thorin Eichenschild zieht er los zum Einsamen Berg um den Drachen Smaug aus dem ehemaligen Zwergenreich zu vertreiben. So erzählt der erste Teil fantastische Geschichten von Steinriesen, Trollen, der Bedrohung durch den Nekromanten und die Orks und zeigt uns die schicksalhafte Begegnung von Bilbo und Gollum.

Willkommen zurück in Mittelerde – Peter Jacksons erneute J.R.R. Tolkien Verfilmung beschert uns ein Wiedersehen mit lieb gewonnenen Charakteren wie Gandalf und Bilbo oder auch kurzzeitig Frodo und Galadriel. Manche Begegnungen wurden etwas ausgeschmückt (bspw. Radagast der Braune) und die Handlung hier und da ein wenig ausstaffiert. Gar Charaktere eingeführt, die es in dem Buch gar nicht gibt (ab dem 2. Film bspw. Evangeline Lilly als Tauriel). Nichtsdestotrotz ist Eine unerwartete Reise ein facettenreicher Fantasyfilm mit der richtigen Mischung aus Lachern, Grusel, Buddy-Movie, Abenteuer und einer Portion Lehre. Atmosphärisch empfand ich den Film nicht so dicht und mitreißend wie die drei Herr der Ringe – Filme aber ein so nostalgisches Kinoerlebnis wie die Rückker nach Mittelerde hat man selten. Und Martin Freeman (Sherlock, Tatsächlich … Liebe) verkörpert den Hobbit so einzigartig kleinlaut, gemütlich und mit dem Herz am rechten Fleck! (7/10)

Sternchen-7

James Bond 007: Skyfall

In Daniel Craigs drittem Einsatz als Doppelnull-Agent James Bond ist die Lage mehr als ernst: eine Festplatte mit den Identitäten mehrerer Undercover-Agenten ist dabei in die falschen Hände zu geraten. Das MI6 muss die Enttarnung seiner Agenten fürchten. Bond und seine Kollegin Eve werden auf den Fall angesetzt unter strenger Kontrolle der mehr als angespannten Chefin des MI6 M. Als 007 sich im Handgemenge mit dem Gegner befindet, befiehlt M Eve leichtsinnigerweise zu schießen. Das unvermeidliche passiert: Bond wird getroffen, fällt in einen Fluss und der Gegner entkommt mit den sensiblen Daten. Während Bond als unauffindbar gilt und für tot erklärt wird, zerbricht die Intitution MI-6 rund um M. Die Daten der Undercover-Agenten werden veröffentlicht und das Hauptgebäude des MI-6 wird direkt angegriffen und zerstört. Die Frage kommt auf: Wer ist noch sicher, wenn der Secret Intelligence Service perfide unterwandert wird ohne es zu bemerken? In dieser dunklen Stunde meldet sich der angeschlagene James Bond zurück. Zuvor im Stich gelassen, gesundheitlich angeschlagen und außer Form ist er zwar entschlossen aber immer noch verwundet. War es doch die Institution für die er alles gibt, die auf ihn eine Kugel abgefeuert hat. Er begibt sich dennoch auf die Jagd nach dem Terroristen, der die Angriffe zu verantworten hat. Ein Verdacht drängt sich auf: nur ein Eingeweihter oder ehemaliger Agent kennt sich so gut mit den Strukturen der Behörde aus. Dieser Fall wird für Bond ein Kampf in dem es kein schwarz-weiß gibt und gleichzeitig sein persönlichster Fall.

Der 23. Bond-Film und das 50. Jubiläum fallen in einem furiosen Finale zusammen. Ohne konstruiert zu wirken behandelt Skyfall den nahenden Zusammenbruch des MI6 und streut Erinnerungen an ältere Bondfilme. Wir erfahren soviel wie nie über die Figur James Bond und lernen einen ebenbürtigen Gegenspieler kennen. Javier Bardem verkörpert den Terroristen Raoul Silva, der als im Stich gelassener Ex-Agent des MI6 einen empfindlichen Nerv bei Bond trifft. Dieser Bond ist am Ende, nur um dann Auferstehung zu feiern. Der Film ist die Krönung des Jubiläums! (8/10)

Sternchen-8

Argo

1979 stürmen iranische Aufständische die amerikanische Botschaft in Teheran als Gegenreaktion auf die Weigerung der Vereinigten Staaten den gestürzten Schah an die iranische Regierung auszuliefern. 6 Mitarbeiter der Botschaft konnten entkommen und suchen Unterschlupf bei einem kanadischen Diplomaten. Die Lage ist mehr als prekär: die Stimmung im Iran ist angespannt und feindlich gegenüber Amerikanern. Die CIA steht vor der Frage wie man die Landsmänner nach Hause holen soll, ohne dass sie als Spione inhaftiert und/oder gefoltert werden. Pläne werden geschmiedet und wieder verworfen. Der Agent Tony Mendez ist spezialisiert darauf Leute rauszuholen und schlägt einen in erster Linie gewagten Schachzug vor. Er will den Iranaufenthalt mit der Suche nach Locations für einen Filmdreh rechtfertigen und die Botschaftsmitglieder als Filmcrew ausgeben. Damit keine Verdachtsmomente aufkommen, wird ein Filmprojekt geplant und promotet – Argo ist geboren und eine mitreißende Scharade beginnt.

Ben Afflecks neuste Regiearbeit läßt einen wirklich atemlos zurück, so als ob man selber auf der Flucht wäre. Man erlebt wie sich die Schlinge um die Botschatsmitglieder zu zieht und hofft, dass der wahnwitzige Plan standhält. Nebenbei wird ein nostalgisch-kritisches Bild der Filmindustrie gezeichnet, das die ernste Situation nicht nur einmal aufheitert. Das einziges Manko an Argo ist, dass man das ganze Ausmaß der iranischen Konflikte nur teilweise nachvollziehen kann und vor Allem die amerikanische Sichtweise aufgezeigt wird. Nun kann ein einzelner Film schwer den ganzen großen Rahmen einfangen aber den Versuch rechne ich Argo (zu Beginn des Films) hoch an. (9/10)

Sternchen-9

Searching for Sugar Man

Stephen Segermans Jugend ist geprägt von Sixto Rodriguez‘ Songs. Aber wer ist der Folk-Singer-Songwriter wirklich? Es ist fast mystisch wie sich Geschichten um ihn ranken. In Südafrika, Segermans Heimat, ist er bekannt wie Elvis Presley. Seine Songs begleiteten die Anti-Apartheid-Revolte und kennzeichneten das Gefühl einer Ära. Wie kann es aber sein, dass er in Amerika praktisch unbekannt ist? Man sagt Sixto Rodriguez habe sich aus Gram wegen des Misserfolgs in Amerika auf der Bühne erschossen. Andere sagen er habe sich vor dem Publikum mit Benzin übergossen und angebrannt. Wusste er denn nichts von seinem Erfolg in Übersee? Segerman sucht nach Informationen über die südafrikanischen Landesgrenzen hinaus und rührt den Zuschauer nicht nur einmal.

Die Suche nach dem Sugar Man Sixto Rodriguez beginnt ruhig und sachlich wie man es von einer Dokumentation erwartet, gipfelt aber in mehreren Wendungen die eine bewegende Geschichte erzählen. So unglaublich es auch sein mag: eine wahre Begebenheit, eine Erzählung geschrieben vom Leben. Großer Tipp! (9/10)

Sternchen-9

„7ème art“ (Sprich: septième art) heißt „siebte Kunst“. Gemäß der Klassifikation der Künste handelt es sich hierbei um das Kino. In dieser Kategorie meines Blogs widme ich mich also Filmen – evtl. dehne ich den Begriff dabei etwas. Regulär stelle ich zwischen dem 1. und 5. jeden Monats jeweils 7 Filme in kurzen Reviews vor.

10 Antworten

  1. […] Kino habe ich mich von Django und dem Hobbit begeistern lassen (Reviews). Von denen mal abgesehen bleiben mir die Filme Das verborgene Gesicht, Die Sehnsucht der Falter […]

  2. […] Linings, Argo und die Doku Searching For Sugar Man – dazu habe ich auch vor ein paar Tagen gereviewed. Die Oscars selber fand ich vom Unterhaltungswert etwas schwach – die Aufregung, das […]

  3. Searching for Sugar Man war wirklich ein ganz großartiger Film! Habe mir danach auch noch den Soundtrack gegönnt 🙂

    1. Kann ich dir nur zustimmen. 🙂 Der Soundtrack ist bestimmt nochmal ein extra Erlebnis. Review? 🙂

      1. Oh ich fürchte, da bekomme ich keinen Text zusammen – aber es ist eine schöne CD und vieles verbindet man noch mit dem Film, weswegen es nochmal etwas emotionaler wird 🙂

  4. […] sind. Ist etwas ab zwei Mal schon eine Tradition? Wenn ja, dann ist das jetzt eine. Denn im letzten Jahr gabs die Oscar-Edition auch […]

  5. […] ‘Hat mir denn nun der dritte Teil bes­ser gefal­len?’ Nein. Hat er nicht. Beim ers­ten Teil war ich noch eupho­risch, weil es was Neues aus Mit­tel­erde gibt, aber wirk­lich begeis­tert […]

  6. […] Ernüch­te­rung von mei­ner Seite. Bei mir ent­steht der Ein­druck, als ob Sam Men­des bei Sky­fall sein gan­zes Pul­ver ver­schos­sen hat. Eine Sache gibt es aber noch über die wir spre­chen […]

  7. […] 24.02.2013 erschien der erste Artikel der Reihe, der sich den Filmen widmete, die 2013 für einen Oscar nominiert waren. Der jüngste Artikel ist […]

  8. […] geschrieben – das war damals Die Haut in der ich wohne. Am 24.02.2013 habe ich beispielsweise meine erste Werkschau (7éme art) geschrieben. Das Thema damals: Oscar-nominierte Filme. 2015 war ich als Miss Booleana […]

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