Neulich im Kino … Review zu „Gone Girl“

Wäre diese Woche weniger stressig gewesen, hätte ich mit Sicherheit früher den Film gereviewt … was hilfts!?

Worum gehts?

Nick Dunne (Ben Affleck) ist ein der finanziellen Krise zum Opfer gefallener Journalist, der in seiner Heimatstadt eine Bar betreibt. Er geht seiner Frau Amy (Rosamund Pike) aus dem Weg – insbesondere an ihrem Hochzeitstag. Jedes Jahr denkt sie sich ein Spiel, eine Art Schnitzeljagd, aus. Nicht der einzige Grund warum Nick schon am morgen lieber in seiner Bar bei seiner Schwester Margo (Carrie Coon) rumhängt. Als er aber nach Hause kommt und sein verwüstetes Wohnzimmer sieht und Amy unauffindbar ist, wird klar: das ist der Tatort eines Verbrechens. Er ruft die Polizei und ein Aufruhr beginnt, denn seine Frau ist „Amazing Amy“. Die Real-Life-Vorlage für die Kinderbuchfigur „Amazing Amy“. Neben dem Pressetrubel und dem Waschen schmutziger Wäsche, erfahren wir nach und nach wie es um Nick und Amys augenscheinlich perfekte Ehe wirklich stand und das ist schon fast morbide.

Hintergrund

David Finchers jüngste Regiearbeit ist die Verfilmung des gleichnamigen Buchs von Gillian Flynn. Ich bin zwar in der Literatur-Szene wesentlich weniger up-to-date als in der Filmszene, habe aber trotzdem mitbekommen, wie erfolgreich und umstritten zugleich das Buch ist. In zahlreichen Kritiken habe ich gelesen, dass das Buch bis etwa zur Hälfte zäh und öde sein soll. Erst als herauskommt, dass sowohl Nick, als auch Amy, unzuverlässige Erzähler sind, nimmt die Handlung wohl an Fahrt auf. Auf der einen Seite hat mich die Vorstellung abgeschreckt, dass ich erst ein halbes Buch lesen muss, damit es spannend wird. Auf der anderen Seite sage ich heute: Nicks Lüge trifft einen im Buch wahrscheinlich härter, als im Film. Seine Haltung macht von Anfang an klar, dass irgendwas im Busch ist. Ihm ist seine Frau scheinbar egal und das wird von Anfang an deutlich und zumindest für mich war die Auflösung bzgl. Nick keine riesengroße Überraschung mehr. Anders als bei Amy.

Fazit

Ich habe selten in einem rund 150-Minuten-langen Film gesessen ohne zu merken wie die Zeit vergeht. Fincher liefert eine spannende Verfilmung mit großartigen Schauspielern ab. Auch wenn ich sagen muss, dass seine Darstellung von Nick und Nicks Geheimnisse wesentlich weniger überraschend daherkommen, als im Falle von Amy. Ich behaupte Mal, dass Nick auch was die Inszenierungsart betrifft schlecht wegkommt. Ich habe keinen Vergleich zum Buch, aber ich würde sagen, dass Nick allgemein als nicht besonders smart skizziert wird. Ben Affleck spielt das offensichtlich allürenfrei – eben wie einen Mann, der seinen Kopf versucht aus der Schlinge zu ziehen und keinen Anspruch darauf erhebt Mr Perfect zu sein. Man merkt Afflecks Leistung an, dass Nick über diesen Punkt „hinweg“ ist, was die Figur irgendwie rettet. Rosamund Pike spielt fast alles an die Wand. Sie ist in dem Film wahrlich eine „Amazing Amy“ in jeglicher Hinsicht. Andere Rollen wie beispielsweise Neil Patrick Harris‘ Verkörperung von Desi finde ich leider schwach. Liegts an mir oder sehe ich wirklich zuviele Barney-Stinson-Gesten?

Finchers Inszenierung ist klug. Muss man einfach mal so sagen. Er präsentiert uns die Ausgangslage der etwas kränkelnden Ehe, dann ist die Frau plötzlich verschwunden. Wir erleben in Flashbacks wie sich beide kennenlernten und wie ihre Ehe anfangs lief. Widersprüche häufen sich. Ihr Kennenlernen ist wie aus dem Bilderbuch, aber warum ist Nick so reserviert? Er ist nicht der gebrochene Ehemann, den man erwarten würde. Und das fällt auch den Medien auf. So löst der Film die Kernpunkte der Erzählung aus: Medienhetze, kranke Beziehungen, Wirtschaftskrise. Eine Mischung die bei schwierigen Charakteren in einem Desaster mündet. Und das macht den Film sehr sehr gut. Ansonsten ist mir v.A. auch die Kamera-Arbeit, die gewählten Einstellungen und die Storyentwicklung und Schnitte aufgefallen. Ein inszenatorisch richtig rundes Paket, das regelrecht heraussticht. Obwohl ich bei Krimis selten Potential für Oscars sehe, würde ich sagen: könnte was werden. (Gone Girl ist auch mehr eine Psychografie einer Beziehung als ein Krimi.) Obwohl ich eigentlich erwartet hatte, dass mich die Musik mehr packen würde, da von Trent Raznor und Atticus Ross. Den Soundtrack zu Verblendung fand ich großartig, wenn auch etwas zu dominant. Hier ist mir leider die Musik gar nicht aufgefallen. Das passiert selten und hätte ich bei den Künstlern eigentlich für unmöglich gehalten.

(9/10)

Sternchen-9

Habt ihr den Film gesehen oder/und das Buch gelesen? Vielleicht könnt ihr etwas Licht ins Dunkel bringen: was fandet ihr besser? Und liege ich richtig mit meiner Vermutung, dass die Auflösung von Nicks Lügen im Buch mehr bestürzt? Was mochtet ihr an dem Film – was nicht? War er so wie ihr erwartet habt? Ich habe mir nur zwischendurch hin und wieder gewünscht, dass ich nicht soviele Reviews gelesen hätte, weil da teilweise schon zuviel angedeutet wurde. (Habe versucht das nicht zu wiederholen.)

18 Antworten

  1. Einer der wenigen Filme, die ich dieses Kinojahr verpasst habe (die meisten verpasse ich ja nicht, sondern schenke sie mir). Ich halte mir inzwischen die Vorfreude auf ein baldigen Home-Release warm, woran dieses Review seinen Anteil hat 🙂

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Freut mich, wenn ich dir mal im Gegenzug einen Film nochmal schmackhaft machen konnte 😉 ansonsten versorgt ihr meine Watchliste ja ständig mit Futter. 🙂

  2. Ja, das ist typisch für Flynn: Da biste beim lesen kurz davor das Buch in die Ecke zu feuern (bei „Cry Baby“ habe ich es gerade noch verhindern können, „Dark Places“ hingegen reizt mich gerade so gar nicht), weil wirklich kaum etwas passiert, aber wenn es dann mal losgeht… dann wird ein affen Zahn zugelegt. Muss man mögen. In Filmform empfand ich es wahrlich angenehmer.
    Witzig dass du Finchers Stil so magst und die Musik kaum wahrgenommen hast. Bei mir war es genau andersrum: Ästhetisch betrachtet ist das für mich einer der schwächsten Fincher überhaupt. Standardkost, die mir ein wenig zu blass um die Nase war. Den Score von Reznor & Ross hingegen habe ich auch nur vereinzelt und vor allem in den Dialogszenen wahrgenommen. War eine gewöhnungsbedürftige Art, fand ihn hier aber eingängiger als in „Verblendung“. So leicht kann’s mit der Wahrnehmung gehen. 😉

    1. Bei den Büchern gebe ich dir total recht! Cry Baby konnte ich auch noch relativ zügig lesen, auch wenn sich alles ewig gezogen hat, bis es mal spannend wurde. Mit Dark Places wurde ich auch nicht so richtig warm, allerdings muss ich sagen, dass das Ende dann so gut war, dass ich das Buch kurz nach dem Lesen positiv in Erinnerung hatte. Vielleicht ist dir das ja eine Motivation, weiter zu lesen 😉

      1. Dann probiere ich es doch glatt weiter. Danke!
        Die Ausgangslage ist aber auch interessant, nur leider komme ich wegen o.g. Gründen lediglich im Schneckentempo voran. Mal sehen ob/wann sich hier die Sogwirkung einstellt.

    2. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Allerdings, Geschmäcker und Wahrnehmung, darüber lässt sich nicht streiten. Habe ich gerade wieder bei einer Review über Interstellar gemerkt. Da wurde die Audio-Untermalung kritisiert, während ich die eigentlich noch okay fand. Die Bässe drängen sich etwas auf, aber ansonsten ist kaum was davon zu merken.
      Was die Optik betrifft, habe ich das Gefühl, dass es insgesamt weniger durchgestylt ist als Verblendung – das ja vor aussagekräftigen Motiven nur so strotzt. Könnte mir aber vorstellen, dass das auch gewollt ist.

  3. Ich kenne sowohl Buch als auch Film und muss dir da in allen Punkten Recht geben. Im Buch wird auf den ersten ca. 200 Seiten Nick offensichtlich als Täter aufgeführt, gerade duch Amys Tagebucheinträge (denen man natürlich glaubt), aber irgendwie war bei mir im Hinterkopf, dass er es einfach nicht sein kann, des wäre viel zu offensichtlich. Als dann aber die Affäre rauskommt, bin ich doch ein bisschen ins Zweifeln gekommen. Und seine Lügen machen es da jaauch nicht besser. Die wurden mir auch im Film zu lasch dargestellt, das war im Buch schon anders, da kam ja ein Knaller nach dem nächsten und auch richtig gut dargestellt. Aber was mir am Film besser gefällt, ist, wie Amy nach der „Wende“ dargestellt wird, das war im Buch zwar schon krass, aber im Film fand ich’s noch mal deutlich besser.
    Allerdings ist es im Film wie im Buch so – bis zur Wendung dr Geschichte zieht sich alles ein bisschen und der Rest geht dann viel zu schnell vorbei 😉

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ah, interessant! Danke für deinen Kommentar. War schon ganz gespannt, was die Leser des Buchs zu berichten haben wie sie die Entwicklun bzgl. Nick so aufgefasst haben.
      Ging mir ähnlich beim Anschauen des Films – aber nicht, weil ich es als zu offensichtlich empfunden hätte, wenn Nick der Täter gewesen wäre, sondern weil ich vorher Reviews gelesen habe, die einfach zuviel von der Story vorweg genommen haben. Leider. Dadurch wusste ich einiges schon. Aber insbesondere als die Affäre rauskommt, empfinde ich Nick als dermaßen … unschlau. Um es nett auszudrücken.

  4. Im Kino verpasst, heute das Buch in der Hand gehabt — warte nun auf die Blu-ray VÖ…

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Bei uns läuft der sogar noch – bei euch scheinbar nicht mehr? Schade. Glaube ich würde das Buch nach all dem was ich darüber gelesen habe nicht mehr in Erwägung ziehen. Obwohl das natürlich auch irgendwo ein Stilmittel ist, wenn anfangs alles banal wirkt und sich zieht und dann BÄM. XD Taktik?

      1. Doch, der läuft schon noch, aber da ich „Interstellar“ im Kino sehen will und meine freuen Abende (sehr) begrenzt sind, ist „Gone Girl“ leider raus…

        1. Avatar von Miss Booleana
          Miss Booleana

          Ah, kann ich gut verstehen. Hab Interstellar gestern gesehen und würde mal sagen … gute Wahl 😉 V.A. für dich als Vater. Viel Spaß. 🙂

  5. Dein Review lässt zwar hoffen, aber ob ich mir einen Film mit Ben Affleck antun kann… Schauspielerisch hat er, meiner Meinung nach, noch nicht sonderlich geglänzt. Vielleicht doch lieber erst das Buch lesen?!?

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Ich finde eigentlich schon, dass er ein guter Schauspieler ist – vielleicht bin ich deswegen eine schlechte Beraterin 😉 Wenn man einen Schauspieler regelrecht hasst, kann das schon Folter sein. Andererseits spielt er hier keinen besonders klugen Charakter, einen der viel Kritik und Hass einstecken muss und der richtig am Arsch ist. Vielleicht machts das besser für dich? 😉
      Nach dem was ich so gelesen habe, ist das Buch ja extrem durchwachsen. Weiß nicht wie es dir geht, aber wenn mir schon soviele andere sagen, dass die erste Hälfte nervt, dann sinkt meine Moral diesbezüglich.

  6. Rosemund Pike spielt hier echt alle an die Wand. Ich bin für eine Oscar-Nominierung.

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Dem kann ich nichts hinzufügen. 🙂 So wirds gemacht. Wenns nach uns ginge …

  7. Wenn der Film so gut bei dir abschneidet bin ich echt mal gespannt. Von dem Buch war ich ja kein Fan…. Im Kino hab ich ihn verpasst, werde also geduldig warten bis er auf DVD erscheint und wehe Dir wenn er nicht so gut ist, wie du ihn hier anpreist. ;D

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Wie gesagt … ich habe zig Mal überlegt, OB ich das Buch lese. Habs dann aber wegen der vielen durchwachsenen Kritiken nicht gemacht. Deswegen kann ich dazu eigentlich nur Vermutungen anstellen 😉 Aber der Film hat mich schon begeistert. Ich spüre wie die Verantwortung auf mir lastet … . 🙂 Lass mich wissen wie er dir gefallen hat, falls du ihn gesehen hast. Bin auch seeehr interessiert an einem Artikel von dir über Buch und Film im Vergleich 😉

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