Inhalt
Als Al seinen Kumpel Jake Epping anruft, klingt er schon irgendwie seltsam. Als Jake dann an Als Diner ankommt, erkennt er ihn auch kaum wieder. Er sieht aus, als wäre er in den letzten paar Stunden um 10 Jahre gealtert und pfeift wortwörtlich aus dem letzten Loch. Al bittet Jake, sich zu setzen und erzählt ihm alles. Oder zumindest erst einmal vieles. Dass in seiner Vorratskammer eine Treppe ist, die in das Jahr 1958 führt zum Beispiel. Und weil Jake das nicht glaubt, wird er vor vollendete Tatsachen gestellt. Nun steht der Englischlehrer Jake also in einer Straße im Jahr 1958, trinkt Brause aus dem Jahr 1958 und bezahlt mit Geld aus dem Jahr 1958. Das ist aber nur der Anfang. Noch fragt sich Jake, ob er das alles geträumt hat. Bald aber wird er Al versprechen, dass er zu Ende führt, was sein Freund nicht mehr geschafft hat: das Attentat auf John F. Kennedy verhindern. Al hat es versucht. Festen Glaubens, dass die Welt dann ein besserer Ort wird. Jake soll es probieren. Aber die Sache hat nicht nur einen Haken. Was passiert bei solchen Änderungen mit der Gegenwart? Wie wird sich der Eingriff auswirken? Und: kann er schaffen, woran Al gescheitert ist? Denn: die Vergangenheit wehrt sich dagegen geändert zu werden.
‚In the mood‘ spielt eine nicht unwesentliche Rolle …
Hintergrund
Liest man das Nachwort Kings, so erfährt man, dass er das Buch bereits 1972 schreiben wollte. Die Wunde war noch zu frisch, das Ereignis zu einschneidend und der Berg an Recherche, der auf ihn zugekommen wäre, zu groß. V.A. da er zu der Zeit noch nicht hauptberuflich Schriftsteller war. 2011 erschien dann eben doch 11/22/63 – so der Originaltitel des Buchs. Weiterhin erfährt man dort (und ich sehe das keinesfalls als Spoiler 🙂 ), dass sein Sohn Joe Hill (Heart-Shaped Box, Horns) das Ende beisteuerte, das wir lesen. King selber hatte zuvor ein andere, empfand aber Hills als besser. Das nenne ich mal ehrlich und allürenfrei. Trotzdem wüsste ich sehr sehr gern wie Stephen Kings zuvor erdachtes Ende ausgefallen wäre. Obwohl ich das der Finalausgabe als so ziemlich perfekt empfinde.
Natürlich werden eingefleischte King-Fans auch ein, zwei kleinere Cameos/Hinweise auf andere Werke Stephen Kings erkennen. Oder auch die anderen Motive: der Lehrer, der Schriftsteller, die Alkoholsucht. Und doch ist es ein bisschen anders als in anderen Werken Kings. Apropos eingefleischte King-Fans: ich lese schon sehr lange Bücher von ihm und habe eine beträchtliche Spanne meiner Lebenszeit damit verbracht mich zu rechtfertigen, dass das kein Schrott ist. Für mich war es das nie, aber in meinem Umfeld kam er nicht gut weg und so wie ich mich erinnere, waren auch die Medien nicht seine größten Fans. Heute sieht die Welt anders aus. Ich lese viel lobende Worte über Stephen Kind und die Welt scheint zu wissen, dass er nicht nur Gruselromane geschrieben hat, die in schlechte Verfilmungen münden. Die Welt weiß inzwischen, dass er Stoffe wie das Gefängnisdrama Rita Hayworth and the Shawshank Redemption (verfilmt als Die Verurteilten) und die Coming-of-age-Story The Body (Stand By Me) geschrieben hat. Und der Horror bei Stephen King ist auch nie billig. Selten hat jemand Horror so plausibel und greifbar gemacht. Das ist eine der größeren Stärken Kings. Der Anschlag ist frei von diesem plakativen Horror wie in Es, der ein konkretes Gesicht hat. sondern ist ein feines Stück über einen Mann, der versucht die Geschichte zu verändern und der Last auf seinen Schultern. Und ich frage mich, ob das Buch einen Anteil daran hat, dass dieser Stephen King nun doch so beliebt ist.
Meinung
Alter Falter, was für ein Buch. Sehr gewichtig. Dank des Umfangs. Dank des Inhalts. Dank der Theorien und Harmonien. Stephen King schafft es wieder einmal uns auf eine Reise mitzunehmen, in der uns die Charaktere so nah und bekannt vorkommen, dass wir uns wie ein Teil der Geschichte fühlen. Das aus Jake Eppings Sicht geschriebene Buch lässt uns an all seinen Gedanken teilhaben. An seinen Zweifeln, als er das erste Mal in die Vergangenheit reist und noch danach denkt, dass das alles nur ein Traum gewesen sein kann. Und auch als er sich eine Mission aussucht. Ein Leben verändern und schauen ob’s klappt, bevor das große Ziel Rettung Kennedys anvisiert wird. Das hat mich fast noch mehr berührt. Denkt an mich, wenn ihr die ersten Seiten des Buchs lest. Apropos erste Seiten: die ersten 300 habe ich fast am Stück gelesen, so spannend empfand ich wie Jake die Vergangenheit erkundet. Den Gelbe-Karte-Mann, der keine gelbe Karte hat. Die feinen und fiesen Mechanismen der Vergangenheit, die eine Maschine ist, die ihre Zähne zeigt. Denkt nicht, dass die Vergangenheit einen auf Final Destination macht. Dieser Stephen King ist etwas subtiler und lässt die Vergangenheit erstmal kleine, aber gewichtige, Komplotte gegen Jake schmieden. Und dann nach den atemlosen 300 Seiten kam die Flaute.
Der Anschlag hat in der Taschenbuchausgabe mit Nachwort 1056 Seiten und das zweite Drittel war für mich etwas zäh. Ich denke, dass es daran liegt, dass man zwar ganz nah bei all diesen Charaktere ist, die sich so real anfühlen, aber nicht in der damaligen Zeit. Und auch am damaligen Ort. Man erkennt vielleicht die Lieder und Tänze, wenn man sie sich bei Youtube fix anschaut, man kennt manche Politiker und Namen und Filme, aber es bleibt etwas fremd. Für Leute, die dieses Zeitalter der amerikanischen Geschichte lieben oder damals gelebt haben, mag das eine ganz andere Nummer voller bekannter Einflüsse sein. Für mich nicht. Als Jake in der Vergangenheit lebt und darauf warten muss, dass das Jahr 1963 kommt, begann für mich eine Durststrecke, die sich über einige 100 Seiten ergoss. Die Detektivarbeit, die Jake investiert um dem Attentäter auf die Schliche zu kommen, spielt sich in einem Milieu ab, über das man nicht gerne liest. Stephen King schreibt atmosphärisch. Schafft Charaktere, die Fehler haben, menschlich sind. Er hält sich hier an die Fakten, läßt aber die Farbe seiner Atmosphäre dabei einbüßen. Es geht von Etappe des Geschichtsbuchs zur nächsten. Dazu brauch der Leser drive. Ich und mein nicht vorhandener persönlicher Bezug zu dieser prüden Epoche der amerikanischen Geschichte hatten damit eine schwere Zeit. JFK war für mich keine so persönliche und berührende Mission mehr wie die, die sich Jake am Anfang vornimmt und mein drive war nicht mehr vorhanden. Aber dann rückt der Tag näher, an dem es ernst wird für Jake und den Kennedy. Und für den Leser. Nach der Talfahrt geht es bergauf – aber wie. Das Schicksal aller läuft an einem Punkt in Dallas zusammen und die Vergangenheit zeigt sich von ihrer kratzbürstigsten Seite. Eigentlich hatte ich vor hier ein anderes Buch zu reviewen, weil ich dachte nicht rechtzeitig fertig zu werden. Aber siehe da … in den letzten Tag konnte ich es kaum weglegen und hier bin ich nun. Das Buch hat mich eine Weile in Beschlag genommen und ich finde es trotz Talfahrt großartig und spannend. Beim Thema Zeitreise sind manchmal die Geschichten ohne Wissenschaftsgeschwurbel die Besseren. So gesehen in Stephen Kings Der Anschlag.
Fazit:
sehr lesenswert!
„Tanzen heißt Leben.“
‚Der Anschlag‘ wird derzeit als Serie adaptiert mit James Franco als Jake Epping. Jetzt, wo ich das Buch durch habe, wage ich mich auch nach mehr Castingmeldungen und Setfotos zu googeln. Kennt ihr das Buch? Lest ihr Stephen King? Und habt ihr schon Mal etwas gelesen, dass kurz danach/währenddessen/kurz davor verfilmt wurde und habt sozusagen parallel immer mal Neuigkeiten über die Umsetzung verfolgt? Komisches Gefühl, sage ich da nur.
„ausgelesen“ ist eine Kategorie meines Blogs, in der ich immer zwischen dem 15. und 20. eines jeden Monats ein Buch unter die Lupe nehme. Der Begriff „ausgelesen“ ist sehr dehnbar. So wie die Themenvielfalt meines Blogs. Ein „Buch unter die Lupe nehmen“ schließt Belletristik, Sachbücher, Manga, Comics unvm mit ein. 🙂
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