Ryota Nonomiya (Masaharu Fukuyama) und seine Frau Midori (Machiko Ono) bekommen einen Anruf, mit dem sie als letztes gerechnet hätten. Bei einem standardmäßigen Bluttest zur Einschulung ist aufgefallen, dass ihr Sohn Keita (Keita Ninomiya) nicht ihr biologischer Sohn ist. Bald schon wird festgestellt, dass ihr leiblicher Sohn nach der Geburt mit Keita vertauscht wurde. Keita ist das leibliche Kind von Yukari (Yōko Maki) und Yudai Saiki (Lily Franky), während ihr Ryusei (Shōgen Hwang) also eigentlich der leibliche Sohn der Nonomiyas ist. Beide Familien könnten kaum unterschiedlicher sein. Die Nonomiyas haben nur ein Kind, leben in einem schicken Appartment und insbesondere der Vater Ryota stellt hohe Anforderungen an seinen Sohn so wie an sich selbst – Ryota ist Geschäftsmann. Die Saikis hingegen haben eine ganze kleine Bande an Kindern und leben glücklich und locker in bescheidenen Verhältnissen. Sie beschließen die Kinder auszutauschen, sodass jeder Junge bei seinen leiblichen Eltern aufwächst. Ein Plan, bei dem sich nicht nur der Zuschauer fragt, ob das gut gehen kann und wirklich jeder möchte.
Das moralische Dilemma ist perfekt. Die Eltern schauen ihre Kinder an und müssen doch realisieren, dass es nicht ihre Kinder sind. Oder ist das ein Trugschluss und DNA eigentlich nur ein dünner Ankerpunkt? Sind diejenigen, bei denen die Kinder aufgewachsen sind, nicht ihre Eltern? Sind die Kinder, die sie lieben, nicht auf immer und ewig ihre Kinder? Kann man Menschen einfach so ersetzen ohne Wunden, Reue und Besorgnis zurückzulassen? Neben diesen diskutierenswerten Fragen spielt der Film wunderbar mit den unterschiedlichen familiären Situationen. Die Nonomiyas sind eine anspruchsvolle Familie, die erwarten, dass ihr Zögling schon in jungen Jahren Klavier lernt. Man erkennt an ihrer Art schon den ihrer Meinung nach vorbestimmten Weg des Kindes. Bester Kindergarten, beste Schule, beste Uni, bester Junge. V.A. Ryota forciert das und er benimmt sich gegenüber Keita etwas kalt. Während seine Frau sich bemüht doppelt so einfühlsam zu sein, um das zu kompensieren, was der Vater nicht an Nähe gibt. Die Saikis hingegen sind eine Familie, die wahrscheinlich auf jeden Yen achten muss, aber sie sind wild und bunt und verrückt, lustig und scheinbar glücklich. Es gibt keine Labels wie ‚Welche Familie ist die bessere‘. Aber es gibt die Frage: welches Kind ist wo glücklicher? Und das ist eine durchaus schwierige Frage. V.A. für Ryota, der fast befürchten muss, dass Keita in seiner leiblichen, aber mittelloseren Familie am Ende sogar glücklicher sein könnte als bei ihm?
Hirokazu Koreedas Film erzählt eine Geschichte, die man schon tausend Mal im Vorabendprogramm in schlechten Billigproduktionen gesehen hat. Zwei Familien stellen fest, dass ihre Kinder bei der Geburt vertauscht wurden. Statt der kleinen Rangeleien des Vorabendprogramms versuchen die Familien das tatsächlich zu bewältigen und das wirkt so ehrlich, authentisch und berührend, dass alle lauwarmen Versuche die Geschichte in der Vergangenheit zu erzählen vergessen sind. Man spürt die Erschütterung, die die Botschaft mit sich bringt, dass dieser geliebte kleine Mensch, eigentlich das Kind anderer Eltern ist. Und das kommt einem Verlust gleich. Wie so oft gesehen im japanischen Film verzichtet man auf übersteigerte Hollywood-Dramatik und Materialschlachten und präsentiert einen Film, der wirkt als ob sich das Geschehen nebenan abgespielt hätte. Nur, dass es tausend Mal besser und wertiger aussieht als Home Videos. Die Darsteller, allen voran Masaharu Fukuyama spielen reduziert und natürlich. Man sieht ihm lange nicht, ob ihm Keita am Herzen lag und was er über den Austausch der Kinder denkt. Yōko Maki darf da schon etwas kerniger sein. Sie vereint in ihrer Rolle als eine der Mütter eine Lebensweisheit und die Aura der Wissenden, die schon ahnt, dass das ein Plan mit Trennungsschmerz wird. Aber gegen Ende all der Fragen und Ungewissheiten, gab es vielleicht nie einen Zweifel an der Lösung.
Like Father, Like Son (OT: そして父になる „Soshite Chichi ni Naru“), Japan, 2013, Hirokazu Koreeda, 120 min
„Like Father Like Son UK trailer“, via Little White Lies (Youtube)
Jeden Monat stelle ich einen Film vor, den ich für einen fantastischen Film halte – losgelöst von Mainstream, Genre, Entstehungsjahr oder -land. Einfach nur: fantastisch. 😆
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