Der „Feministische Frühling“ ist eine Beitragsreihe, in der ich mich mit dem Thema Feminismus in der Gesellschaft und Literatur beschäftige. Nachdem es in früheren Beiträgen um die Geschichte des Feminismus und der Frauenbewegung ging und ich mich dem Feminismus in Virginia Woolfs „Mrs Dalloway“ widmete, soll es im heutigen Beitrag ein wenig um meine Motivation gehen. Und die hat mit einem Begriff zutun, der sehr unterschiedlich wahrgenommen wird: Diversity.
Wofür steht „Diversity“?
Wikipedia gibt uns (Stichtag 17.06.18) folgende Definition von Diversity bzw. Diversität:
„Diversität ist ein Konzept der Soziologie, das in der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft, analog zum Begriff Diversity im englischsprachigen Raum, für die Unterscheidung und Anerkennung von Gruppen- und individuellen Merkmalen benutzt wird. Häufig wird der Begriff Vielfalt anstelle von Diversität benutzt. Diversität von Personen – sofern auch rechtlich relevant – wird klassischerweise auf folgenden Ebenen betrachtet: Kultur (Ethnie), Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Behinderung, Religion (Weltanschauung).“
Seit einigen Monaten engagiere ich mich in der Firma, für die ich arbeite, in einer Diversity-Fokusgruppe. Da wir zu einem großen Konzern gehören, dessen Wurzeln in den USA liegen, schleichen sich bei uns ab und zu englische Begriffe ein. Oder schleifen sich ein besser gesagt. Aber wofür Diversity steht bzw. wofür unsere Gruppe steht, gibt die Definition da oben ganz gut wieder. Dazu zählt Chancengleichheit, Gleichberechtigung, aber auch Sichtbarkeit. Wir wollen, dass sich jeder bei uns in gleichem Maße „zuhause“ fühlt. D.h. es gibt ab und zu Events, die sich beispielsweise an unsere Kollegen richten, die einen anderen kulturellen Background haben und sie mit anderen Kollegen zusammen bringen, damit ein Dialog entsteht. Um mal nur ein Beispiel zu nennen. Außerdem möchten wir fördern. Ich bin Softwareentwicklerin. Die Firma, für die ich arbeite, eine große Firma in der (tusch!) Software entwickelt wird. Jeder weiß, dass die Zahlen weiblicher Studierender und Berufstätiger in diesem Zweig nicht so berühmt aussehen. Aber wusstet ihr, dass die rückläufig bzw stagnierend sind? (siehe heise.de vom 26.04.2018) Wir möchten gern fördern und unsere Gruppe hat daher einen Fokus darauf Schülerinnen, Studentinnen, etc zu vermitteln, dass MINT-Berufe eine tolle Sache sind und ein Zweig, in den jeder einsteigen kann, der das nötige Interesse mitbringt. Egal welches Geschlecht, welche Herkunft etc. Das ist zwar nicht alles, was wir machen, aber wir werden oftmals von Einzelnen so wahrgenommen, als ob unser alleiniges Thema „Gleichstellung von Mann und Frau“ ist und es unsere Aufgabe wäre für Frauen „Vorteile“ rauszuschlagen. Und plötzlich fühlt sich jemand benachteiligt, obwohl unser Anliegen ja war, dass sich eben niemand benachteiligt fühlt.
Frau. Sein.
Was das betrifft, halte ich es wie Maya Angelou, die einst sagte:
„I’m a feminist. I’ve been a female for a long time now. It’d be stupid not do be on my own side.“ (Maya Angelou)
Ich hege keine harten Gefühle gegenüber männlichen Kollegen, die gereizt auf das Thema reagieren. Aus einem ganz einfachen Grund: es sind wenige. Und diese wenigen machen, wenn sie diese Aussagen äußern etwas durch, dass ich nur zu gut kenne. Sie fühlen sich in die Ecke gedrängt und als jemand, dessen Bemühungen und Anstrengungen man wegen eines Merkmals wie Geschlecht schmälert. Das kenne ich (und viele meiner weiblichen Kolleginnen) nur zu gut. Schließlich ist es ein Kampf, den wir zig mal ausfechten mussten. Bei mir war es das erste Mal als ich zur Schule ging und niemand glauben konnte, dass ich ernsthaft Informatik studieren will. Sogar Lehrer fragten mich „Ist das nicht eher was für Männer?“ Man sollte anderes erwarten. Aber es war der erste Moment, in dem mir klar wurde, dass es einen Haken gibt, wenn man als Frau Informatik studiert.
Glücklicherweise habe ich bis auf ein, zwei, fünf blöde Erlebnisse nicht zuviel negatives erfahren. Und im Berufsleben gibt sich keiner die Blöße solche Schwachheiten blicken zu lassen. Ich habe auch jede Menge Kolleginnen, die nicht eine einzige seltsame Situationen in ihrer Ausbildung und dem Berufsleben erlebt haben. Anderenorts ist das anders. (The Atlantic „Why Is Silicon Valley So Awful to Women?“ aus dem April 2017) Auch wenn es soviele Meinungen wie Sand am Meer gibt: ich bin eine Frau, ich habe nicht nur Sonnenschein erlebt während ich Informatik studiert habe und ich wäre dumm, wenn ich mich nicht dafür einsetzen würde, dass andere einen weniger steinigen Weg haben.
Meinungen. Wahrnehmung. Meinungen.
Aber ab und zu ist es eben wie oben geschildert. Plötzlich hat jemand das Gefühl, dass einem etwas weggenommen wird. Viele argumentieren auch, dass es keinen Sinn macht Frauen zu fördern oder Frühförderung zu betreiben, wenn sie sich offensichtlich einfach nicht genug dafür interessieren. Das hat ja auch neulich mal jemand versucht über die biologische Schiene darzulegen, der bei Google angestellt war und das ging nicht so gut für ihn aus. Denn Fakt ist: es geht um Chancengleichheit. Wenn man überlegt, dass ich vor zehn Jahren mein Abi gemacht habe und besagte Reaktion von Lehrern bekommen habe („Wie jetzt? Informatik studieren als Frau?“) muss man sich bewusst machen, dass offensichtlich schon ein gewisses Bild im Kopf der Leute war und vermutlich noch ist und die das auch nach außen vermitteln und weitergeben. Und in diesem ganz speziellen Fall an jene, die noch nicht die breite Lebenserfahrung haben um solche Gesellschaftsbilder abzuschütteln. (Nichts für ungut liebe Lehrer da draußen: ich weiß doch, dass ihr nicht alle von der Machart seid. Aber ich kann nicht ungeschehen machen, was ich erlebt habe.) Deswegen machen wir, was wir machen. Aber an manchen Tagen ist es schwierig Dritten zu erklären, warum man das macht. Oder besser gesagt: schwierig zu sehen wieviel Unverständnis das erntet, während es für andere eine lohnenswerte Sache ist.
Aber wie das eben so ist mit den Kämpfen, die wir ausfechten. Wir machen das, weil wir denken, dass es die Sache wert ist. Es ist übrigens generell nicht verkehrt daran erinnert zu werden, dass wenn man Frauen fördert die Männer nicht vergessen darf. Denn ansonsten wären wir schlecht in dem was wir tun.
Bisherige Artikel der Beitragsreihe
I. Sachbuch-Besprechung „Frauenbewegung und Feminismus“ von Ute Gerhard
II. Buch-Besprechung „Mrs Dalloway“ von Virginia Woolf“
III. Diversity und Wahrnehmung
IV. Virginia Woolf „A Room of One’s Own“ and „Three Guineas“ – zwei verschiedene Tonarten über Feminismus
V. Feminism gone wrong? Stephen und Owen Kings „Sleeping Beauties“ und andere Medien
VI. Ein Abschied vom Feministischen Frühling mit lesenswerten Geschichten von und über Frauen
Wie wird Gleichstellung oder Diversität dort gelebt, wo ihr arbeitet bzw. euch bewegt? In welchen Branchen arbeitet ihr und ist Gleichstellung da auch ein (Kritik)Thema? Lebt/arbeitet ihr vielleicht sogar in einem Zweig, der eher weiblich überbevölkert ist?
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