Serien-Besprechung: „Chilling Adventures of Sabrina“ Season 1 & „Aggretsuko“

Während ich da nun versuche noch ein paar Reviews der dieses Jahr geschauten Serien in den Äther zu schicken, bieten sich immer Gemeinsamkeiten an. Vielleicht ist das in den letzten Wochen und Monaten schon aufgefallen 😉 Auf den gefundenen gemeinsamen Nenner bin ich dieses Mal aber besonders stolz: es geht um weibliche Hauptcharaktere, die sich durch ihre Hobbys … sagen wir mal: von ihrer Umwelt absetzen. Reviews sind spoilerfrei.

„Chilling Adventures of Sabrina“ Season 1

Sabrina Spellman (Kiernan Shipka, bekannt aus Mad Men) geht auf die Baxter High im beschaulichen Greendale, feiert bald ihren Super Sweet 16, hat loyale, beste Freundinnen und einen Freund (Harvey, gespielt von Ross Lynch), der sie anbetet. Was man unter der süßen Fassade nicht sieht, ist dass sie halb sterblich und halb Hexe ist. Ihr Vater war ein Hexenmeister der sogenannten Church of Night, der in heftige Kritik geriet, weil er eine Normalsterbliche heiratete. Sabrinas Eltern starben allerdings früh (alles nur ein unglücklicher Zufall?), weswegen sie bei ihren Tanten Hilda (Lucy Davis) und Zelda (Miranda Otto) aufwächst, beide praktizierende Hexen. Ein Leben zwischen den Welten. Tagsüber Highschool und Sweetheart, zuhause beim Abendessen wird über Opferungen und Flüche debattiert. Zu ihrem 16. Geburtstag allerdings wird sich Sabrina für eine der beiden Welten entscheiden müssen. Aber kann sie sich so einfach Satan verschreiben und ihre Freunde zurücklassen?

„Chilling Adventures of Sabrina | Official Trailer [HD] | Netflix“, via Netflix (Youtube)

Wer die (nun im Vergleich auffällig weichgespülte) 90er Jahre Serie Sabrina, total verhext! kennt, der wird sich ziemlich umgucken bei dieser Sabrina Spellman. Beide Serien basieren auf einer Reihe der Archie Comics, wobei Chilling Adventures wohl deutlich näher am Original ist. So ist Sabrina hier nicht nur damit beschäftigt sich mit ihren Fähigkeiten durch den Alltag zu mogeln ohne aufzufliegen, sondern bekommt es mit biestigen Jung-Hexen zutun, die ihr Flüche anhängen oder auch mit Besessenen und Geistern. Der Ton der Serie ist morbide-witzig bis düster. Und das vor Allem gegen Ende als Sabrina mit den Konsequenzen ihrer Fähigkeiten konfrontiert wird. Dabei stellt sie eigentlich von Beginn an die Praktiken der Church of Night in Frage. Es ist ein nahezu feministischer Kampf, den sie austrägt. Auf der einen Seite steht Macht, auf der anderen würde sie ihre Freiheit dafür aufgeben. Ist es das wert? Um sie herum gibt es verschiedene Meinungen, die stark auf sie wirken. So beispielsweise ihre sehr mütterliche Tante Hilda, die auch den einen oder anderen Kampf mit der Church of NIight auszustehen hat und Zelda, die gänzlich in den Regeln der Kirche aufgeht. Aber auch Michelle Gomez (bekannt aus Dr Who), die hier als böse Entität auftritt, die den Platz der Lehrerin Mary Wardwell einnimmt, hat ganz eigene Pläne mit Sabrina. Und genau das ist es, was sie bis zu einem bestimmten Punkt von der Church of Night wegtreibt. Es ist der deprimierende Gedanke mehr Macht zu erreichen als es Frauen eventuell zugestanden wird, aber andererseits dafür den freien Willen aufzugeben und bei erstbester Gelegenheit ein gedankenloses Organ Satans zu werden.

Das schöne ist, dass Sabrina sich durch die meisten Episoden clever durchschlängelt und die Regeln gerne  etwas dehnt und so auslegt, dass sie mit ihren Fähigkeiten Gutes erreicht. Die Kehrseiten lässt die Serie aber auch nicht aus. So oder so ist es eine andere Sabrina, die wir hier sehen als Melissa Joan Harts Darstellung in der deutlich gezuckerteren 90er Serie. Für mich persönlich eine gelungene Mischung, auch wenn es schon manchmal unangenehm ist zu hören wie über das Christentum und Gott als „der falsche Gott“ gesprochen wird, was wiederum interessantes Spannungspotential für eine (Jugend)Serie ist. Auch wenn Sabrina jemanden die Kehle aufschlitzt (true) und die eine oder andere inszeniert sexualisierte Darstellung hätte nicht sein müssen. Es gibt einige Kleinigkeiten, die ich vermisse wie den sprechenden Salem (der hier ist zumindest für die Ohren der Zuschauer stumm) und das Geheimnis um den Tod von Sabrinas Eltern nehme ich der Serie etwas krumm. Da hätte man gern die Narrative etwas beschleunigen können. Andere Sachen sind dafür cool und gleichen es aus. Der allgemeine halloweenig-düstere Ton, die Atmosphäre und das herrliche ungleiche Paar Hilda und Zelda machen mir Spaß. Die ganze Serie macht Spaß. Aber was ich doch etwas zu naiv finde, als dass es mein neues Lieblings-Guilty-Pleasure werden könnte, ist Sabrinas Entscheidung gegen Ende der Staffel, die stark inszeniert ist und nicht zu der sonst soviel hinterfragenden „Teenage Witch“ passt.

(8/10)

Sternchen-8

„Aggretsuko | Offizieller Trailer [HD] | Netflix“, via Netflix Deutschland, Österreich und Schweiz (Youtube)

„Aggretsuko“

Retsuko ist eine Roter-Panda-Dame, 25 Jahre und arbeitet als Bürokauffrau in einer japanischen Handelsfirma. Sie ist eine unter vielen und den Launen ihres Chefs ausgesetzt. Während sie im Alltag eine ruhige, unterwürfige, höfliche Fassade aufrecht erhält und auch von ihren Kollegen als außergewöhnlich bescheiden und freundlich angesehen wird, lässt sie in ihrer Freizeit die „Aggretsuko“ raus und grunzt und schreit in das Mikro ihrer liebsten Karaoke-Bar zu Heavy Metal. Die Angst, dass ihr Hobby entdeckt wird, spielt immer mit. „Aggressive Retsuko“ ist eine Figur von Sanrio. Genau – das ist die Firma, der wir auch Hello Kitty zu verdanken haben. Aggretsuko hingegen hat einen komplett anderen Ton und darf sich gesellschaftskritisch zeigen. Es versetzt uns in eine Welt, die unserer sehr ähnlich ist, aber von anthropomorphen Tiere besiedelt ist. D.h. Tiere, die sich geben wie Menschen, reden und wie Menschen angezogen sind. Ähnlich einer Fabel ist das Prinzip auch hier entlarvend. So ist beispielsweise Aggretsukos Chef im wahrsten Sinne des Wortes (man verzeihe mir) ein faules Schwein. Wer sieht wie sich Aggretsuko angesichts der rücksichtslosen Charaktere in ihrer Umwelt krampfhaft zusammenreißen muss und droht jede Sekunde in einen Heavy-Metal-Ausbruch zu fallen, fühlt man sich an den einen oder anderen Tag erinnert, an dem uns die Menschen in unserer Umgebung auch fast zur Weißglut treiben.

Dabei nimmt die Animationsserie charmant Büro-Stereotypen aufs Korn und lockert die Atmosphäre andererseits mit all den süßen Tieren und witzigen Situationen wieder gekonnt auf. Nicht zu übersehen ist aber einerseits die Moral von der Geschicht‘ und andererseits liegt der Verdacht nahe, dass er insbesondere den „Trend“ der japanischen Office Ladys aufgreift sowie die teilweise schonungslose Überarbeitung und Opferbereit der japanischen Arbeitskultur. Und die Moral? Die Moral ist, dass ein Ausgleich gut ist, aber nicht konstant seinen Charakter und sein persönliches Glück einzuschränken. Etwas, das Retsuko v.A. in punkto Beziehungen lernen wird. Eine überraschend erfrischende Botschaft.

(8/10)

Sternchen-8

Und … wo ordnet ihr euch ein? Heavy-Metal oder Hexe? 🙂 Ich finde beide Serien sind interessante Spiegel der Gesellschaft mit sehr unterschiedlich ausgelegten Metaphern. Beiden Serien liegt ein gewisser Feminismus inne und andererseits umspielen sie ernste Themen wie gesellschaftliche Zwänge oder engstirnigen bis gefährlichen Glauben gekonnt durch eine Animations- und eine Teenagerserie. Ziemlich gut gemacht! Wie seht ihr das? Kennt ihr die Serien? Wie haben sie euch gefallen?

Eine Antwort

  1. da bin ich doch spontan für AGGRETSUKO. – das wär ja mal was komplett andres, auch wenn ich dieses Musikgenre mag.

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