Der gemeinsame Nenner der Serien, über die ich heute schreibe ist, dass eine ihrer Hauptfiguren ein Ermittler ist, der (wie es ja seit jeher beliebt ist) auch so sein persönliches Päckchen zu tragen hat. Und beide Serien bilden den Zeitgeist früherer Epochen ab. Während „The Frankenstein Chronicles“ uns in das viktorianische London entführt, spielt „Babylon Berlin“ wie der Name verrät im Berlin des 20. Jahrhunderts. Ansonsten könnten die Serien unterschiedlicher kaum sein. Während „The Frankenstein Chronicles“ mit Sean Bean in der Hauptrolle etwas unter dem Radar flog, wurde „Babylon Berlin“ stark beworben und wer Tom Tykwers Serien sehen wollte und nicht gerade Sky-Kunde ist, musste sich für das Free-TV-Release über ein Jahr gedulden bzw sogar drei, wenn man die Serie seit ihrer Ankündigung auf dem Radar hatte. Das ist fett. Und was können die beiden Serien jetzt? Und bleibt Sean Beans dargestellte Serienfigur dieses Mal am Leben?? Reviews sind allerdings spoilerfrei 😉 fraglich, ob ich das mit Sean Bean verrate … .
„Babylon Berlin“ Staffel 1
Tatsächlich erschien Volker Kutschers Roman Der nasse Fisch bereits 2008 und die Romanreihe fasst inzwischen sieben Bände. Seit 2015 redet man nun über die von X Pool, Sky, ARD und Beta Film produzierte Serie, bei der mit Tom Tykwer, Achim von Borries und Henk Handloegten auch noch bekannte Namen Regie führen. Was da rauskam ist die teuerste nicht-englischsprachige Serie. Und der Ruf eilte Babylon Berlin voraus, was Zuschauer erstmal missmutig stimmte, da die Serie zuerst auf Sky und erst über ein Jahr später auf ARD ausgestrahlt wurde. Aber das Warten hat sich gelohnt. Die Handlung steigt im Berlin der 20er Jahre ein, einem wahren Babylon in politischer und gesellschaftlicher Hinsicht. Gereon Rath (Volker Bruch) ist ein Kölner Komissar, der für einen Fall zur Berliner Sitte dazustößt und dort mit seinem Kollegen Bruno Wolter (Peter Kurth) sowohl im „Tagesgeschäft“ als auch für den Fall ermittelt, für den er von Köln nach Berlin versetzt wurde. Dabei kreuzen sich seine Wege mit Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries), die sich mit Gelegenheitsjobs bei der Polizei durchschlägt und wenn das nicht reicht nachts im legendären Nachtklub Moka Efti einer lukrativeren Tätigkeit nachgeht, die sie aber auch bald in ernste Schwierigkeiten bringt.
„Babylon Berlin Trailer Staffel 1 German Deutsch (2017)“, via Moviepilot Trailer (Youtube)
Will man versuchen die Handlung von Babylon Berlin zusammenzufassen, bringt einen das in Bedrängnis. Es passiert viel. Einerseits haben die Ermittler Rath und Wolter mit aktuellen Fälle der Sitte alle Hände voll zu tun, andererseits gibt es da noch Raths Kölner Fall, der einflussreiche Personen tangiert. Rath selber leidet psychisch und physisch an den Folgen des Krieges, die ihn in brenzligen Situationen angreifbar machen. (Char)Lotte hingegen ist ein Mädel mit Berliner Schnauze, die gelernt hat sich durchzuschlagen, scheinbar schon alles gesehen hat, die das Leben aber noch nicht hart gemacht hat. Und das versucht sie auch ihrer Freundin Greta (Leonie Benesch) beizubringen. Lotte ist mit allen Wassern gewaschen und hinterfragt die Kriminalfälle, denen sie bei ihren Gelegenheitsjobs bei der Polizei begegnet mit einem komissarischen Gespür, was den einen oder anderen hochdekorierten Komissar verärgert.
Sie und Rath beginnen gemeinsam zu ermitteln und wenn sie ihr Wissen zusammentun, funktioniert das auch überraschend gut. So stoßen sie auf ein eng verzweigtes Geflecht aus Fällen und Personen, die nicht zuletzt russisches Gold und Verbündete Trotzkis mit einbeziehen sowie auch die Unruhen innerhalb der Weimarer Republik wie im Mai 1929 und die Willkür der Polizei. Es ist ein nettes Gimmick, dass Babylon Berlin zumindest eine dieser ganzen Handlungsfäden zum Ende der ersten Staffel beendet und uns nicht (wie es viele andere Serie leben) verhungern lässt. Dankbarerweise wurde aber sowieso die zweite Staffel schon abgedreht und direkt mit ausgestrahlt und die dritte wurde jüngst angekündigt. Und ich würde mal vermuten, dass die überwiegende Mehrheit darauf sehnsüchtig wartet, denn Babylon Berlin ist wirklich gut. Hier scheint alles zu stimmen. Kulisse, Maske, marode Lebensumstände am anderen Ende der Nahrungskette, Polizeiwillkür, ich möchte gar sagen Verschwörungen. Neben seiner Mischung aus Historienstoff, Drama, Krimi und Thriller, weiß die Serie die Atmosphäre dank flirrender Nächte im Moka Efti und cleverer Charaktere wie der von Liv Lisa Fries cool und mühelos gespielten Lotte oder der zarten Greta zu überzeugen. Lotte sprengt die Grenzen der damaligen Zeit und will Komissarin werden, was erfrischend ist. Wie auch sie, sind die meisten Charaktere nicht nur artige Bilderbuch-Vorzeigemenschen, sondern haben wie du und ich Grauschattierungen. Einen Fleck in der eigenen Vergangenheit oder eine Last, die nicht von selber verschwindet. Und all das, weiß das „Babylon Berlin“ sich zunutze zu machen. Top Serie mit viel Zeitgeist, die auch schmerzlich bewusst macht, was Unruhen bedeutet und das der heutige Terrorismus nicht nur eine Erscheinung unserer Zeit ist, sondern Politik auch damals schon ein schmutziges Geschäft war.
(9/10)
„Severija – Zu Asche, Zu Staub (Psycho Nikoros) – (Official Babylon Berlin O.S.T.)“, via BMG (Youtube)
„The Frankenstein Chronicles“ Season 1
The Frankenstein Chronicles begibt sich auf dünnes Eis. Serien, die in den ersten zwei Dritteln uninteressant vor sich hinvegetieren, nur um dann in den letzten zwei Folgen richtig aufzudrehen, sind eine ungesunde Mischung. Genauso wie Serien, die in ihrer zweiten Staffel vermutlich interessanter sind als in der ersten. Die Serie spielt irgendwann in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Inspector John Marlott (Sean Bean) wird auf den Fall einer angespülten Kinderleiche angesetzt. Das besonders makabere ist, dass der Körper aus den Teilen von insgesamt acht Kindern zusammengesetzt wurde und der Täter scheinbar chirurgische Fachkenntnisse besitzt. Marlott verfolgt im Laufe der Serie mehrere Spuren, deren lose Fäden letzten Endes zusammenlaufen. Einerseits untersucht er das Verschwinden von Kindern und geht Grabräubern nach, die Leichen ausbuddeln und an Universitäten für beispielsweise anatomische Studien verkaufen. Außerdem schaut er sich in wissenschaftlichen Kreisen um, denn eine Sache geht ihm nicht aus dem Kopf. Hat sich die Leiche am Ufer nicht bewegt und nach ihm gegriffen? Er wird aufmerksam auf Mary Shelley (Anna Maxwell Martin) und ihren Roman „Frankenstein; or, The Modern Prometheus“, der den Mörder offenbar beeinflusst hat. Kann Mary Shelley ihm vielleicht sogar Hinweise liefern?
„THE FRANKENSTEIN CHRONICLES | Own it in Digital HD“, via eOne ANZ (Youtube)
Ja kann sie. Anna Maxwell Martin, bekannt aus The Bletchley Circle und And then they were none, darf hier in einer leider zu kleinen Rolle die berühmte Autorin mimen und das eine oder andere Geheimnis wahren. Fans britischer Serien und Filme erkennen hier einige bekannte Gesichter wieder wie Vanessa Kirby (Princess Margaret aus The Crown) als Lady Jemima Hervey beispielsweise. Serien-Fans erkennen aber v.A. auch überstrapazierte Serien-Tropen wieder. Beispielsweise den von seiner Vergangenheit verfolgten und gebeutelten Inspektor. Sean Beans Figur hat Frau und Kind verloren und mäandert irgendwo zwischen Todessehnsucht und Willen den Fall zu lösen. Da er selber an Syphilis erkrankt ist, andererseits der Fall sein Gespür für Gerechtigkeit fordert, befindet er sich stets mit sich selber im Zwist. Für den Zuschauer bedeutet das, dass jede Folge von syphilis-bedingten Halluzinationen seiner verstorbenen Familie durchzogen ist, die zwar einiges für Marlotts Dilemma und Charakterisierung tun, aber irgendwann nichts mehr für die Serie. Auch die Spurensuche wirkt etwas unaufgeregt bis hin zu umständlich und langwierig, sodass die Autorin dieser Besprechung erstens gar nicht weiterschauen wollte und zweitens angesichts der vielen „Schon-gesehen“-Momente eher punktemäßig bei sowas wie 5 von 10 Sternchen auf der booleanaschen Skala rauskam. Und dann kam das Ende.
Irgendwie gelingt es der Serie Sean Bean auch wieder in eine fatale Falle tappen zu lassen, die herrlich dämlich inszeniert ist. Als Zuschauer denkt man anfangs noch „In dieser Serie stirbt Sean Bean aber mal nicht!“ und muss letzten Endes doch bangen. Der Zuschauer wird aber in den letzten Folgen erstens mit einer nun endlich doch noch spannenden Hetzjagd auf den Mörder belohnt, mit einem Exkurs in die britische Geschichte und Jurisdiktion und bekommt einen Twist geliefert, der mich zu dem Gedanken bringt: wie seltsam es doch ist, wenn eine Serie so schwach beginnt und mit so einem BANG endet. Schließlich gibt sie uns ein großartiges Ende, eins das nach „Mehr“, „Weiter! Sofort!“ schreit, das aber die wenigstens sehen werden, weil sie bis dahin schon ausgeschalten haben. Huh.
(7/10)
Witzigerweise sind sich beide Serien erstaunlich ähnlich, auch wenn Handlung und Charaktere und Ursprung im Detail natürlich vollkommen anders sind. Allerdings fällt es von Anfang an leichter „Babylon Berlin“ zu folgen. Kennt ihr beide Serien und wie haben sie euch gefallen? Tatsächlich ist natürlich auch eine Gemeinsamkeit, dass beide Staffeln erste Staffeln sind. Während ich „Babylon Berlin“, das eben doch etwas leichter zugänglich und spannender ist, jetzt demnächst weiterschaue, bin ich mir noch unschlüssig über „Frankenstein Chronicles“ trotz des großen Knalls am Ende der ersten Staffel.
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