„Unglaublich, Miss Booleana, du hast extra für den ‚Russischen Herbst‘ angefangen Russischen zu lernen???“ Nein. ^^ Habe ich nicht. Als ich im Herbst letzten Jahres mit dieser Beitragsreihe angefangen habe, hatte ich bereits so mehr oder weniger die Hoffnung aufgegeben Russisch zu lernen und bereits zwei Semester an einer Volkshochschule und ein wenig Lernen im Selbststudium hinter mir. Inzwischen haben wir ja Frühling und die Beitragsreihe zog sich sehr, aber wer noch in den ersten Beitrag zurückklickt, der findet ein, zwei Hinweise auf meine Motivation für das Erlernen der russischen Sprache. Außerdem war es interessant. Ich war immer ein recht guter und enthusiastischer Sprachenlerner und habe bisher einige gelernt – natürlich ist man damit per se „nie fertig“. Aber Russisch hat mich fertig gemacht. Russisch und ich können nicht miteinander. Ich habe aufgehört. Das sollte aber niemanden entmutigen, der es probieren möchte. Man muss ein Feeling für die Sprache entwickeln und anderen gelingt das bestimmt besser als mir. 😉 Vielleicht helfen euch die nachfolgenden Erkenntnisse, die ich während meiner Zeit des Russischlernens gemacht habe, damit euer Einstieg sanfter ist.
1. Es ist so schwierig wie alle sagen.
Früher wollte ich das immer gar nicht glauben. Wieviele Leute haben mir gesagt, dass Russische schwer zu lernen sei? Viele. Ich dachte immer, dass das eine Krone wäre, die sich die asiatischen Sprachen aufsetzen können. Nicht zuletzt dank der unzähligen Schriftzeichen der japanischen oder chinesischen Sprache. Herrgott, Japanisch hat drei Schriftzeichensystem, the heck! Aber nein. Es ist zwar klar, dass niemand alle japanischen Kanji beherrscht, aber dasselbe gilt im Russischen wahrscheinlich für Grammatikregeln. Die sind deswegen so hart, weil es unheimlich viele Ausnahmen und Sonderfälle gibt. Selbst meine Russischlehrerin (Muttersprachlerin) sagte oftmals bei einer neuen Grammatik, dass das selbst viele Russen falsch machen.
Russischlerner geben oftmals auch die Fälle (Kasus) als Hemmschuh an. Aber das ist quasi in jeder Sprache ein Problem und fällt Muttersprachlern natürlich leicht, weil sie ein Gehör für richtig und falsch basierend auf Erfahrung entwickelt haben. Wenn ich in meinem Russischbuch für das Selbststudium eine Seite mit neuen Grammatikregeln aufschlage, so war die Erläuterung so kurz und knapp wie bei zig anderen Sprachen. Im Gegensatz zu diesen zig anderen Sprachen folgte aber meistens noch eine Seite, die die Sonderregeln und Ausnahmen auflistet. Und das nur auszugsweise 😉 Das einzige Heilmittel hier ist: die wiederholen sich. Bestimmt Wörter und Wortendungen tanzen öfter aus der Reihe. Und: wenn es zuviel wird, erstmal ignorieren. Natürlich ist da auch noch die Sache mit dem kyrillischen Alphabet …
2. Niemand sagt dir, dass du quasi zwei Mal schreiben lernen musst
Wer auszieht Russisch zu lernen, ist meistens schon darauf gefasst ein anderes Alphabet zu erlernen. Als Japanischlernerin kann ich sagen: solange man dran bleibt ist das gar nicht schlimm und geht einem zum Teil gut ins Langzeitgedächtnis über. Das kyrillische Alphabet wartet immerhin mit einer Menge Buchstaben aus, die wir schon ganz gut kennen. 🙂 Beispielsweise A, K und O. Dann gibt es aber noch einige falsche Freunde. X wird anders ausgesprochen, das H ist ein N, das N ist ein I, das P ist ein R, das B ist ein W usw. Aber hey: wer das überwindet, betreibt perfekt Gehirnjogging und bleibt bestimmt länger geistig jung. 😉 Ein nettes Beispiel ist wohl meine Überschrift zum „Russischen Herbst“ oben im Header. Was ich aber beispielsweise vorher nicht wusste: die kyrillische Schrift sieht gedruckt und in Schreibschrift signifikant anders aus wie die nachfolgende Grafik zeigt. Man achte beispielsweise auf das D, I und T.
Die falschen Freunde haben hier nochmal eine ganz andere Qualität, wenn das geschriebene t plötzlich wie ein m aussieht. Oder das geschrieben i wie ein u. Da verstehe ich gleich wieder, warum ich manche japanischen Schriftzeichensysteme einfacher fand: da war anfangs alles für mich neu. Ein Trost ist allerdings, dass man das geschriebene Alphabet eigentlich nicht kennen oder beherrschen muss, da im Alltag überwiegend gedruckte Schrifttypen benutzt werden. (Wenn man natürlich so wie ich im Unterricht eine Lehrerin hat, die grundsätzlich mit der handschriftlichen Version an die Tafel schreibt, kommt man öfter in die Lage sagen zu müssen „Ich kann es nicht lesen.“ … o_o)
3. Es gibt überraschend viele deutsche Wörter
Hier mal was nettes. 🙂 Es ist doch ziemlich cool Gemeinsamkeiten von Sprachen kennenzulernen. Ich habe nicht schlecht geschaut, als ich im Russisch-Lehrbuch Wörter wie карто́фель (Kartoffel), бутербро́д (Butterbrot) oder ландша́фт (Landschaft) wiederfand. Einfach so. Lesen und verstehen. 🙂 Ebenso schön sind Anekdoten, die Begriffe unseres täglichen Lebens erklären. Den Ursprung des Begriffs „Bistro“ hätte ich im Französischen vermutet. Falsch! Es stammt vom russischen Wort für schnell ab (bistro geschrieben, bistra gesprochen) und bezeichnet eben einen Schnellimbiss.
4. Niemand weiß wie man „ы“ ausspricht
Das ist jetzt natürlich übertrieben 😉 Natürlich habe ich sowohl bei meiner Russischlehrerin, als auch von meinem Liebsten (Muttersprachler) und meinem Selbstlern-Kurs (dazu unten mehr) gelernt wie man dieses teuflische kleine Ding ausspricht. Wikipedia ist da auch sehr hilfreich: es wird wie ein i mit zurückgezogener Zunge ausgesprochen. Also wie eine Art „kehliges i“. Man kann das auch hier hören. Aber der Weg dahin ist sehr steinig, da man den Unterschied schwer hört und versucht ist es sich einfach zu machen und stattdessen irgendwas anderes zu sprechen. Ein i. Oder ü. Oder das was man für ein y hält. Haha. Als ich Freunde gefragt habe, die in der Schule Russisch gelernt haben, bekam ich noch mehr verschiedene Varianten zu hören. Zum Beispiel ui. Das war witzig. 🙂 Hier nochmal ein Beitrag, der erklärt wie man dieses verflixte Ding ausspricht:
„Russian pronunciation – Letter Ы – 2 ways to pronounce it!“, via Real Russian Club (Youtube)
5. Russisch klingt nicht so hart wie alle sagen
Tatsächlich muss ich sagen, dass ich gesprochenes Russisch gar nicht als so hart empfunden habe wie alle sagen. Grundsätzlich ist man vom Tempo geflasht, in dem die Fremdsprachen von Muttersprachlern gesprochen werden. Das ist aber gefühlt bei jeder Sprache so. Aber insgesamt muss ich sagen, dass ich Russisch (so wie die meisten Sprachen) als schön empfinde. Und eine Sache dürfen wir nicht vergessen: Sprachen verbinden.
„Learn Russian with a poem. Pushkin“, via Daria Mikhay (Youtube)
Natürlich gibt es noch unglaublich viel mehr, was beim Sprachen lernen fasziniert. So habe ich beispielsweise bereits im Kurs (aber auch bei späterer Lektüre russischer Autoren) gelernt, dass Französisch die Sprache des russischen Adels war und manche Wörter wie Cousin immer noch üblich sind im Gegensatz zur russischen Übersetzung (двою́родный брат … ja danke o_o). Manchmal hatte ich sehr zu kämpfen, habe aber auch gespürt, dass das Sprache lernen meinen Kopf auf angenehme Art fordert. Russisch und ich wurde nichts, weil es die erste Sprache war für die ich während des Lernens kein Gefühl entwickelt habe. Ab einem gewissen Zeitpunkt sollte das da sein – zumindest habe ich bei Englisch, Frazönsisch, Spanisch und Japanisch diesen Punkt erlebt. Bei Russisch leider nicht. Wer weiß … vielleicht probiere ich es nochmal. Vielleicht geht es dir da draußen anders. In jedem Fall habe ich ein paar Tipps und Ressourcen gesammelt, die ich als hilfreich empfand.
Lerntipps
Grundsätzlich gilt natürlich, dass man sich fragen sollte wie man eine Sprache lernen möchte. Ich empfehle für den Anfang immer einen Kurs mit einem Muttersprachler. Bspw. einen Kurs bei einer Volkshochschule/Schule, einem Privatlehrer, etc. wo man eine reale Person (idealerweise Muttersprachler) Fragen stellen kann. Ansonsten kommt man bei Selbstlernkursen oftmals in die Situation, dass man sich bereits grundlegende Dinge falsch einprägt und das schwer nachträglich aus dem Kopf bekommt. Aber das muss jeder für sich wissen. Nach meinem Volkshochschulkurs habe ich es mit einem Selbststudium mit einem Kurs vom Langenscheidt-Verlag versucht, der „Russisch mit System“ heißt und mit einem Buch und zahlreichen Übungen und Beispielen als mp3/Audio-CD daherkommt. Bücher können immer Geschmackssache sein. So fand ich das Lehrbuch unseres Russischkurses (MOCT 1, Klett) beispielsweise nicht so klasse, da es viel mit Vokabeln um sich warf, die ich vielleicht nie wieder in meinem Leben brauche. Geschmackssache. Sehr hilfreich für Selbstlerner empfand ich auch den Podcast des Russland Journals, der ein wirklich angenehmes Tempo zum Mitlernen hat. Auch nachdem ich aufgehört habe, höre ich hier noch ab und zu rein, um ein stückweit „drin“ zu bleiben. Welche Tipps für Lernressourcen habt ihr?
Bisherige Artikel der Beitragsreihe
I: Ankündigung
II: Sachbuch-Besprechung zu „Russische Geschichte“ von Andreas Kappeler
III: Hörbuch-Besprechungen zu Sergei Lukjanenkos Wächter-Reihe Band 1 „Wächter der Nacht“
IV: Fjodor Dostojewskij „Der Spieler“
V: Natascha Wodin „Sie kam aus Mariupol“
VI: Michail Bulgakow „Der Meister und Margarita“
VII: Serhij Zhadan „Internat“
VIII: Serien-Besprechung „The Romanoffs“
IX: Film-Besprechung „Stalker“ (Andrei Tarkowski)
X: Vladimir Sorokin „Der Schneesturm“
XI: Fjodor Dostojewskij „Verbrechen und Strafe“
XII: Film-Besprechung „Panzerkreuzer Potemkin“
XIII: Hörbuch-Besprechung zu Jewgeni Samjatins „Wir“
Header image photo credit: Sergei Maslennikov
Seid ihr Russisch-Lerner? Oder habt es mal gelernt? Freiwillig oder eher unfreiwillig? 😉 Wie habt ihr die Sprache empfunden?
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