Spät aber doch, ist das nun der letzte Beitrag zur Japanreise. In der Zwischenzeit habe ich euch zu allen unseren Stationen mitgenommen, u.a. nach Kyoto, habe kulinarische Impressionen geteilt, versucht Tipps zur Reisevorbereitung zu geben und auch ein paar Schauplätze meiner Lieblingsmanga mit dem Original verglichen. Es war wunderbar in den Erinnerungen zu schwelgen und die Eindrücke zu verlängern. Wenn ich wirklich danach suche, würde ich noch tausend Themen finden, denn die Eindrücke waren vielfältig. Aber alles hat einmal ein Ende und das ist meist auch gut so. So schließe ich heute mit ein paar Eindrücken der Reise und ein paar Tipps für Aktivitäten und Ideen, die nicht in jedem Reiseführer stehen.
Must-Do: im Automatenrestaurant essen
Bei der kulinarischen Vielfalt Japans mag dieses Must-Do etwas seltsam erscheinen. Aber Automatenrestaurants haben einen eigenen Charme. Zuerst einmal kenne ich sie aus Deutschland oder Europa gar nicht. Das Prinzip ist, dass man im Laden an einem Automaten das Essen auswählt und bezahlt. Man bekommt eine Quittung, entweder in doppelter Ausführung oder mit einem Abschnitt. Die Bedienung holt sich dann die Quittung oder den Abschnitt und kommt mit deinem Essen und Getränken wieder. Wenn du also neben all dem „Land und Leute kennen lernen“ mal einen „interaktionsschwachen“ Tag hast oder vielleicht gerade in Japan angekommen und noch etwas von den vielen Eindrücken erschlagen bist, dann kann das eine nette Alternative sein. Interaktionsschwache Tage hatten wir zwar nicht und sobald die Japaner den Touri erkennen, sind sie meist sehr verständnisvoll für hakeliges oder nicht vorhandenes Japanisch, aber das Prinzip der Automaten finde ich ganz charmant. Selbstredend, dass man an denen oftmals die Sprache einstellen kann 😉
Halboffene Frage: wo sind die Anime?
Dass Animes überall in Japan präsent sind, war schnell klar. Da gibt es „Lady Oscar“-Wein zu kaufen, „One Piece“-Themenrestaurants und Manga-Charaktere werben überall für irgendwas oder erklären dir wie du dich zu verhalten hast oder oder oder. Das irre ist nur: da waren einfach keine Anime im Fernsehen. So dachte ich zumindest die ersten paar Tage. Da zappst du und zappst du auf deinem kleinen Hotelzimmer und findest einfach keine Anime. „Damn, ich bin in Anime-Land, wie kann das sein??“ Nach ein paar Tagen erklärte sich das von selbst. Sie laufen einfach sehr spät abends. 🙁 Um nicht zu sagen nachts. So konnte ich immerhin einen Blick auf den Anime Where I End and You Begin erhaschen, für den meine Japanischkenntnisse mal gereicht haben, mal nicht. Ist aber auch nicht schlimm, Characterdesign war nicht so meins. Interessanter empfand ich da schon Fairy Gone. (Trigger-Warning: ich habe einen blutigen Trailer verlinkt.)
Must-Do: ein Erdbebentraining absolvieren
Der eine oder andere mag das schon für Dark Tourism halten, aber ich habe das bei der Feuerwehr in Ikebukuro mitgemacht und empfand es als sehr beeindruckend und lehrreich. Es mag beängstigend sein, aber vermittelt einen guten Eindruck davon, welchen Naturgewalten das Land Widerstand leisten muss. Um nicht zu sagen: es war (ehr)furchteinflößend. Und die Feuerwehr kam dort ihrem Lehrauftrag vollstens nach – das ganze ist kostenfrei und mit grundlegender Erklärung darüber wie Erdbeben entstehen und was die Nebeneffekte sind. Da dachte ich ich weiß schon alles.
Halboffene Frage: warum keine Handtuchspender oder Handtrockner auf den Toiletten?
Da gibt es diese eine Sache, die mir etwas Kopfschmerzen bereitet hat. Undzwar dass Händewaschen nach dem Toilettengang in Japan nicht so gehandhabt wird wie hier. Zuerst sah ich Frauen (und mein Freund sah Männer) die Toilette nach dem verrichteten Geschäft einfach verlassen. Unsere Gesichtsentgleisungen konnten wir nur mühsam verstecken. Hilfe, was passiert hier? Wir sind in Japan, da kann man vom Boden essen und dann das? Oftmals fanden wir auf den Toiletten auch Waschbecken, aber keine Seife oder Handtuchhalter oder Trockner oder irgendetwas hilfreiches zum Hände waschen. Die Lösung ist vielfältig. Zum Einen tragen viele JapanerInnen zu diesem Zweck immer kleine Handtücher bei sich. In Gaststätten und anderen Örtlichkeiten bekommt man immer Feuchttücher gereicht. Das heißt … wenn es wichtig wird, dann sind die Tücher da. Zum anderen funktionieren viele Toiletten aufgrund ihrer fünfhunderteinundachtzig Funktionen quasi so, dass man sich kaum betun muss. Wenn man nicht will. Und teilweise eben auch kontaktlos wie die Spülung durch Sensor. Tja. Hm. Ich muss aber gestehen, dass mich das immer noch etwas ratlos zurücklässt. Pingeliges deutsches Ich.
Must-Do: sich in Setagaya verlaufen
Setagaya steht hier stellvertretend für irgendeinen Randbezirk oder etwas abseits gelegenen Stadtteil von Großstädten. Wir haben in Setagaya so unsere liebe Müh‘ und Not gehabt innerhalb einer annehmbaren Zeit wieder in die zentraleren Stadtteile Tokyos zurückzugelangen. Was wir dafür aber gesehen haben war ein bisschen mehr normales Alltagsleben Japans. Wohngegenden. Wäscheleinen, Balkone, Kinderstimmen, Radwege, sehr langsame Trams. Denn machen wir uns nichts vor: Shinjuku-Nightlife und Riesen-Gundams auf Odaiba sind für 90% der Japaner so wie für uns Touris: eine immens coole Ausnahmeerscheinung, die man halt nicht jeden Tag hat.
Halboffene Frage: warum sind die Fernsehsendungen kommentiert?
Während wir also Anime oder wenigstens Doramas im japanischen Fernsehen suchten, fanden wir zu der Zeit die man hier hinlänglich als Prime Time kennt eher so lustige Sendungen wo sich Leute vor die Kamera setzen, Videos angucken und kommentieren. Oder kommentieren was andere Leute tun. Oder in kleinen seltsamen Battles gegeneinander antreten. Oftmals wird dann das Video oder die Szene Fullscreen gezeigt und die Kommentatoren irgendwo klein eingeblendet. Zwar war das japanische Fernsehen bei weitem nicht so voll mit irren Gameshows wie es einem manchmal die westlichen Medien vorgaukeln, aber es war (was auch denke ich ganz natürlich ist) anders als deutsches Fernsehen. Und das Kommentieren und die Einblendungen gehört dazu. Als übrigens mal eine der Damen das Battle verlor, musste sie für den Rest der Sendung ein nettes Kostüm tragen. ^^
Must-Do: Goodies einkaufen, die es bei uns nicht gibt
Sicher, sicher – an Plüsch-Totoros kommt auch in Deutschland ran, keine Frage. Aber es kostet. Nicht unerheblich. Anime-Goodies sind in Japan einfach günstiger und es gibt einfach so unfassbar viele. Sogar da, wo man sie gar nicht erwartet. Aber warum nicht in die vollen gehen? Die eigenen Japanischkenntnisse herausfordern und mal japanische Manga kaufen? Oder eben welche, die bisher noch nicht in Deutschland lizensiert wurden? Oder mal so eine Ausgabe von klassischen Manga-Magazinen wie der Shounen Jump. Ja, wir haben eine Shounen Jump! Ich hype das schon ein bisschen. Oder gar Lebensmittel – d.h. Snacks, die es hier nicht gibt. Es müssen nicht nur die Kit-Kats in Limited Editions wie Minze, Matcha oder Strawberry Cheesecake sein. Japan ist „Limited Edition Land“. Besonders gehyped habe ich aber die japanische Matcha Latte Kapsel für Dolce Gusto Maschinen, die ich in einem Donki fand. Keine Limited Edition. Für mich aber schon – in Deutschland gibt es die nicht. Nicht mal überall in Japan gibt es bestimmte Süßigkeiten. Wenn ihr in der Umgebung von Hiroshima und Miyajima seid, kostet unbedingt Momiji manjū. Das ist luftig-lockeres und unendlich leckeres Ahornsirup-Gebäck mit Füllung in Form eines Ahornblatts. Zauberhaft. Am besten mit einem leeren Koffer nach Japan oder schon mal ein paar Päckchen nach Hause schicken … .
Halboffene Frage: warum keine Milch(produkte)?
Natürlich gibt es in Japan eine ganze Menge Süßspeisen in denen Sahne, Milch oder Butter verarbeitet wurde. Aber davon mal abgesehen ist Sojamilch verbreiteter. Milch ist nicht wirklich im Konzept. Das große Müsli-Frühstück auch nicht. Selbst in sehr guten Hotels ist die Auswahl da meist sehr beschränkt. Käse ist ebenso nicht das Ding in Japan. Geräucherte oder getrocknete Tintenfischstreifen werden gar als „Cheese“ verkauft. Sind salzig, sehen so aus, aber schmecken eigentlich nicht nach Käse. Sind aber auch sehr lecker. Ich wusste, dass Japaner Alkohol anders abbauen und das Enzym dafür angeblich fehlt. So fand ich bei meiner Recherche Artikel, die behaupteten, dass das auch bei Milch und Laktose so wäre. Dann fand ich Artikel, die das Gegenteil behaupteten und meinten, dass der Verzicht auf Milch „historisch gewachsen“ sei. Oder eher „historisch nicht gewachsen“. In punkto Haltbarkeit, Bekömmlichkeit, etc. Aber aufgrund der Widersprüche kenne ich die definitive Antwort immer noch nicht.
Must-Do: raus auf’s Land
Wie schon an anderer Stelle erwähnt fühlt es sich auf dem Land ganz anders an als zwischen den ganzen bunten Neonlichtern der Hauptstadt. Und das Englisch hört da meist auch auf. Wer also das authentische, geerdete, ruhige Japan sucht, ist auf dem Land gut beraten. Und darf seine Japanischkenntnisse testen. 🙂
Halboffene Frage: wann komme ich wieder?
Es gibt eine Menge Dinge, die ich gern als Must-Do hier in der Liste aufgenommen hätte, die ich aber selber nicht sehen oder genießen konnte. So wie beispielsweise Kirschblüte oder Herbstlaub. Wir haben uns dafür entschieden den Zeiten aus dem Weg zu gehen, wo die meisten Touris Japan besuchen. Das hat offenbar Vor- und Nachteile. Es ist nicht so irre voll. Aber man verpasst halt auch was. Ein japanisches Matsuri hätte ich auch gern miterlebt, d.h. ein Volksfest mit beispielsweise Umzügen. Und so ist die am wenigstens offene Frage: möchte ich wiederkommen? Unbedingt! Idealerweise aber nach den Olympischen Spielen 2020.
Must-Do: Nudeln schlürfen
Es dauert nicht lange bis man neben einem Japaner oder einer Japanerin landet, die geräuschvoll (undzwar wirklich geräuschvoll) Ramen oder Udon hinterschlürft. Man macht hier noch Witze und denkt, jaja, ich hab auch schon mal aus Versehen beim Essen geschlürft. Hahaha. Ist gar kein Vergleich. Angeblich soll durch das genussvolle Schlürfen Sauerstoff eingesogen werden, durch den die Nudeln ihr volles Aroma entfalten. Vielleicht ist es auch nur ein Mythos, der das Schlürfen ok macht. 😉 In jedem Fall macht es mehr Spaß, wenn man mitmacht. Und wer noch nie Nudeln mit Stäbchen gegessen hat: schön das Ende (oder die Mitte) mit den Stäbchen festhalten, sonst bespritzt man sich und seine Mitmenschen. „How to Win Friends and Influence People“. Gern geschehen.
Bisherige Artikel zur Japanreise: Reisevorbereitung | Reiseführer-Reviews | Essen in Japan | Manga-Tourismus | Tag 1 (Anreise, Minato) | Tag 2 (Shibuya & Harajuku) | Tag 3 (Miyajima) | Tag 4 (Hiroshima) | Tag 5 (Kyoto) | Tag 6 (Roppongi, Shinjuku) | Tag 7 (Ghibli Museum in Mitaka, Setagaya und Tokyo Skytree) | Tag 8 (Kanda, Akihabara und Odaiba) | Tag 9 (Ikebukuro, Sunshine City) | Tag 10 (Sensō-ji, Asakusa, Sumida, Hachikō)
Ich hoffe, dass euch die Beiträge Spaß gemacht haben und dass ihr daraus was mitnehmen konntet. Idealerweise etwas, dass … naja, nicht in jedem Reiseführer steht. 🙂 Meine Japan-Eindrücke sind gefärbt von künstlichem Vogelgezwitscher an Bahnhöfen, Sauberkeit, torkelnden und betrunkenen Sararīman nachts in der U-Bahn, Sonnenschirm-tragenden Frauen in pastelligen Kleidern, Sommerhitze und Getränkeautomaten. Ich vermisse es gerade ganz schrecklich. Nur nicht die plötzliche Rücksichtslosigkeit während der Rush Hour. Aber selbst das hatte Charme. „Lemme out, I need to getto wooooork!!!“ Welcher der Beiträge hatte für euch den größten Mehrwert? Welche der halboffenen Fragen oder Must-Do’s war euch bekannt? Welche hat euch überrascht?
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