Das Fazit zum gemeinsames Lesen, ein gutes Buch und ein Jubiläum. 🙂 Das hier ist der 1500. Artikel in diesem Blog und ich könnte mir kein besseres Zusammentreffen so schöner Themen vorstellen. Auf den Impuls von Jana, die bereits vor Kurzem Steinbecks Der Winter unseres Missvergnügens las, meldeten sich Kathrin, Wörterkatze Kerstin und ich. Dieses Mal gab es für mich in der Leserunde zwei erste Male. So las ich das erste Mal Steinbeck und ich war auch noch nie dabei, wenn ein mit nur hundert Seiten so kurzes Buch innerhalb einer Runde gelesen wurde. Hat’s geklappt? Das sicherlich.
„So God damn strong“
Steinbecks Geschichte beginnt in malerischer Landschaft mit den Wanderarbeitern George und Lennie. Er braucht nur wenige Sätze um beide zu charakterisieren und dem Leser ein Gefühl dafür zu geben, mit wem wir da in sengender Hitze über staubige Straßen unterwegs sind. George ist clever, zielstrebig und will keinen Ärger. Lennie ist unglaublich stark und groß, aber geistig zurückgeblieben. Er hält sich an George und George bemüht sich Lennie von Ärger fernzuhalten. Beide gehen quasi eine Symbiose ein. Eine Freundschaft wider allen Umständen. Und von denen gibt es einige zu bewältigen, denn Lennie zieht den Ärger aufgrund seiner Kondition und seines fehlerhaften Einschätzungsvermögens ein. Aber auch deswegen, weil seine Umwelt nicht weiß wie mit Menschen umzugehen ist, die anders denken oder von der allgemein anerkannten „Norm“ abweichen. Er mag vom Gemüt sanft wie ein Lamm sein, aber wenn er nervös wird und seine Kraft unterschätzt, führt das häufig zu fatalen Missverständnissen, die George und Lennie schon früher den Job kosteten.
„[…] but if he sees ya work before he hears ya talk, we’re set. Ya got that?“ p. 7 #SteinbecksMäuse Das beschreibt George und Lennie gut … und die ersten drei Kapitel!
— MissBooleana (@MissBooleana) October 4, 2019
„I don‘ like this place, George. This ain’t no good place. I wanna get outta here.“ p. 36 ⬅️was Lennie sagt. Ich habe da ein ganz ähnliches Gefühl. #SteinbecksMäuse
— MissBooleana (@MissBooleana) October 4, 2019
„I don’t like this place, George“
Lennies Sanftmut äußert sich u.a. darin, dass er kleine Tiere mag und als Haustier halten will. Seine unbeherrschte Kraft resultiert aber meist darin, dass er die Tiere aus Versehen beim Streicheln oder Spielen tötet, das aber wiederum sehr betrauert. Ein tragisches Dilemma. Man liest aus den Zeilen förmlich heraus, dass George schon erwartet, dass Lennie irgendwann richtig Mist baut. Daher verbietet er ihm auch beim vorstellig werden auf einer neuen Farm den Mund, was allerdings nicht unbemerkt bleibt.
Steinbeck erzählt von einfachen Menschen aus einem rauen Umfeld, die einem Traum hinterherjagen. Eine eigene Farm, Ruhe, sein eigener Herr sein. Aber die Zeichen stehen schlecht. Aufmüpfige Kollegen, eine schöne Frau, ein rauer Chef – es gibt viel Konfliktpotential. Dabei wählt Steinbeck ein szenisches, dialoglastiges Vorgehen. Kein Wunder, dass Von Mäusen und Menschen so oft als Theaterstück adaptiert wurde. Die vielen Dialoge und wenigen Beschreibungen dazwischen sind einfach in Dialog und Regieanweisungen trennbar. Die Umgebung wird wenig beschrieben, dafür tut die Sprache ihr übriges um uns etwas über unsere Helden zu erzählen. Die meisten Wanderarbeiter waren wohl unterwegs, da ihnen die schulische Bildung fehlte, was sich auch an ihrer Mundart bemerkbar macht, die Steinbeck unverblümt aufgeschrieben hat. Es wird ein bisschen genuschelt und statt scared heißt es schon mal scairt. Steinbeck kennt sich übrigens v.A. deswegen so gut damit aus, weil er eine Zeit lang selber Wanderarbeiter war, als er die Uni verließ.
Bestimmt auch die kargen Umstände und das vorgelebte unerreichbare. Nie selber eine große Ranch besitzen etc
— MissBooleana (@MissBooleana) October 5, 2019
Nun habe ich auch den dritten Abschnitt beendet. Curley hat seine Strafe bekommen. Aber Georges Art mit Lennie umzugehen und ihn aufzufordern Curley fertig zu machen finde ich krass. #SteinbecksMäuse
— Kerstin (@Woerterkatze) October 6, 2019
Hasen, Palisadenzäune und ein gutes Leben
Ich bin mir nicht sicher, ob sich George und Lennie ihre Farm mit einem Palisadenzaun vorgestellt haben. Aber offenkundig mit Hasen und harter, ehrlicher Arbeit, die sie aber dieses Mal für sich selber verrichten. Ich muss nicht spoilern – ihr könnt euch sicherlich schon selber vorstellen, dass dieser Traum in Gefahr ist und vielleicht sogar ein Traum bleiben muss. Schließlich hängt es wie ein Damoklesschwert über unseren beiden Landarbeitern. Sie wussten von der ersten Minute an, dass die Farm kein guter Ort ist und nach Ärger stinkt. Und sie sollen recht behalten. Das Ende ist plötzlich, insbesondere wenn man den gedehnten Anfang betrachtet. Und es ist hart. Jeder von uns fand in der Leserunde spoilerfreie, aber eindeutige Worte für das, was passiert ist. Man wird ein bisschen still. Es ist wie ein harter Cut. Und dann ist es auch schon vorbei.
Fazit
Steinbeck hat zwei Charaktere geschaffen, bei deren Weg zum Glück man nur zu gern Zeuge ist und für die man schwer die Daumen drückt. Auch und gerade weil man das Not-Happy-End auf leisen Sohlen näher rücken hört. Der Cut ist dann aber umso krasser. Kaum hat man die Protagonisten und Nebencharaktere kennen gelernt, da ist nach hundert Seiten auch schon die Geschichte zu Ende. Der dialoglastige Charakter geht auf Kosten der Beschreibung der Umwelt und hat für mich zu wenig Atmosphäre erzeugt. Auch wenn es ein schlauer Kniff ist, der auch das adaptieren stark vereinfacht, habe ich so den Eindruck gar nicht richtig zu wissen „wie Steinbeck ist“. Da braucht es definitiv noch eine weitere Begegnung. Ich schaue in Richtung Der Winter unseres Missvergnügens, das schon im Bücherregal steht. Nichtsdestotrotz ist Of Mice and Men eine rührende Geschichte, die wiedergibt wie entbehrungsreich und rau das Leben der Wanderarbeiter ist und wie verlockend, aber unerreichbar Träume. Und was das betrifft erscheint es wiederum doch ein bisschen wie Kunst, dass Steinbeck all das in die Dialoge seiner Charaktere presst. Eine Geschichte „von Mäusen und Menschen“, wo die einen eben einfach zerdrückt werden – niedergemalmt von einem unsichtbaren Gesetz der Stärkeren.
Viel zu kurz!
Ich würde tatsächlich gerne etwas längeres von Steinbeck lesen. Ich fand das Buch gut, glaube aber, dass Steinbeck bei längeren Texten mehr brilliert. #SteinbecksMäuse— Phantásienreisen (@Phantasienreise) October 7, 2019
Auch für das gemeinsame Lesen war die Lektüre schon fast zu kurz. Nicht, dass es gestört hätte. 😉 Wir haben uns nicht gespoilert, konnten genauso über den Inhalt diskutieren und Zitate und Eindrücke teilen. Das einzige, was schade war ist eben: es war dann sehr plötzlich vorbei. Dabei fühlte es sich so an, als wäre man gerade erst warm geworden. So oder so: muss man mal gemacht haben, dann weiß man wie sich das anfühlt. Ich freue mich so oder so auf ein weiteres gemeinsames Lesen mit meinen sympathischen Mitstreiterinnen, genauso wie anderen, die mal Lust auf eine Leserunde bekommen haben. 🙂
Bücher können Sehnsüchte erfüllen – aber eben nicht alle. #SteinbecksMäuse
— Phantásienreisen (@Phantasienreise) October 5, 2019
Zu den Artikeln der Leserunde
01.10. Ankündigung hier im Blog
13.10. Fazit von Kathrin
Verblüffend finde ich, dass „Von Mäusen und Menschen“ neben der recht bekannten Verfilmung aus dem Jahr 1992 mit Gary Sinise und John Malkovich auch mehrere deutsche Verfilmungen zu verzeichnen hat. Aber beim zweiten Mal drüber nachdenken, wundert es mich weniger. Die Geschichte ist auch ohne das „amerikanisch“ im „amerikanischen Traum“ leicht nachvollziehbar, rührend und universell. Kennt ihr Buch oder Film? Oder gar das Theaterstück?
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