Reihen. Nicht mein Ding. Trotzdem habe ich immer wieder gehört, „wenn du ein Stephen-King-Fan bist (oder warst), dann musst du doch die Dunkler-Turm-Reihe lesen!“ Meine erste Begegnung damit war so-so. Es gibt vieles was mir daran nicht passte, aber genug um neugierig zu sein. Da ich jetzt wieder so einen Funken empfinde, wird es mal Zeit den zweiten Band zu besprechen, um den dritten endlich zu lesen. Der zweite hat irrsinnigerweise den Namen „Drei“ – ein Schelm, der sich das ausgedacht hat. Im englischen Original heißt der eigentlich The Dark Tower II – The Drawing of the Three und ist damit etwas eingängiger. In meiner Branche würden wir das schlechte Usability nennen. Obwohl es fast ein Jahr her ist, dass ich Drei gelesen habe, sind die Erinnerungen frisch; was nicht zuletzt daran liegt, dass ich das Buch anfangs fast abgebrochen hätte, später aber etwas daran fand. Die Besprechung ist weitestgehend spoilerfrei für Band 1.
Nachdem förmlich mystischen Erlebnis, das Roland und der Mann in Schwarz teilen, scheinen Jahre vergangen zu sein. Roland erwacht aus der Trance und sieht sich direkt mit Hummermonstern konfrontiert, die ihn schwer verletzen. Er verliert Finger und Zehen und kurz darauf macht ihm eine schwere Blutvergiftung zu schaffen. Trotz Allem offenbart sich ihm die Tür in eine andere Welt. Offenbar erfüllt sich die Prophezeiung des Mannes in Schwarz, die besagt, dass Roland auf die Drei angewiesen ist, um zum dunklen Turm zu gelangen. Getrieben von seiner Lebensaufgabe macht sich der schwer verletzte und geschwächte Roland auf die Reise durch die Türen. Er war wohl auf alles gefasst, aber nicht auf das, was er dort findet. Er braucht eine Weile um zu verstehen was passiert, wenn er durch die Türen schreitet und der Leser auch. Roland nimmt mit dem Gang durch die Tür als geheimer Kopilot im Kopf eines Menschen Platz. Und das drei Mal, mittels drei verschiedenen Türen. In der Prophezeiung hießen sie „Der Gefangene“, die „Herrin der Schatten“ und „der Tod“. Wenn er in ihre Köpfe kann, können sie vielleicht auch durch die Tür in seine Welt treten? Bis dahin muss er aber erst noch mit ihnen und ihrem Leben fertig werden und nicht zu vergessen: eine folgenschwere Infektion überleben.
„Ich sehe ernste Probleme auf mich zukommen, […].“ p. 8
Und gerade diese Reisen in unsere Welt sind ein Hort von spannenden, aber ebenso befremdlichen Ideen. Es gibt quasi kaum etwas daran, dem ich als Leser nicht gleichzeitig etwas gutes und etwas negatives abgewinnen kann. Die Metaphern sind erstmal stark: der Gefangene entpuppt sich beispielsweise als der drogenabhängige Eddie. Der ist nicht nur durch die Sucht ein sinnbildlich gesprochen Gefangener, sondern da er auch emotional von seinem Bruder abhängig ist. Ein Junkie, der Eddie mit in die Sucht riss. Als Roland durch die Tür geht, spielt Eddie außerdem gerade Drogenkurier für seinen Bruder und sitzt wortwörtlich in einem Flugzeug fest. Die „Drei“ an sich sind schon interessante Interpretationen von Protagonisten und Antihelden, mit denen Roland schicksalhaft verbunden ist. Eine ebenso spannende Figur ist Odetta Walker, die zweite des Dreiergespanns. Sie ist eine junge, afroamerikanische Frau, die im Rollstuhl sitzt. Da war Herr King ja dankenswerterweise sehr divers unterwegs! Wieviele Bücher kenne ich, in denen eine körperlich beeinträchtigte Person of Color einer der Protagonisten ist? Er macht überraschenderweise Menschen zu Protagonisten, die man leider viel zu selten in Hauptrollen findet. Man darf überrascht sein. Mehr möchte ich über die Drei nicht verraten, um geneigten Lesern nicht zuviel vorwegzunehmen, aber v.A. der dritte Charakter und seine Verbindung zu Roland und anderen Charakteren beinhaltet eine gelungene Wende.
Also eigentlich alles schick, oder? Kommt wie so oft darauf an, was man von dem Buch erwartet. Ein in die Länge gezogenes Road Movie über die Abenteuer Eddies als Drogenkurier hatte ich jedenfalls nicht erwartet und hat mich ausgesprochen gelangweilt. Das Buch verfällt für über ein Drittel in eine abenteuerliche Story mit Drogenmafia, einem überforderten Eddie, einem fast abnippelnden Roland und reichlich Geballer. Die Plattitüden klassischer Drogenstorys werden Karte für Karte ausgespielt. Besonders enttäuschend, wenn man die Romane ja auch v.A. für das komplexe World Buildung liest. Und das hat einiges zu bieten. Wenn die Hummer aus dem Wasser kriechen und „Did-a-chick? Dud-a-chum? Dad-a-cham? Ded-a-check? Dod-a-chock?“ sagen und von Elaphaunten genannten, gigantischen Geschöpfen die Rede ist, dann möchte ich mehr davon. Es ist ganz amüsant zu lesen wie Roland mit unserer Welt kollidiert. Er kennt vieles nicht und so wird eine Fotografie schon mal zur Fottergrafie, wenn er die ihm fremden begriffe nachspricht. Cola, Zucker und Medizin scheinen wahre Wunder bei ihm zu bewirken. So ein kleiner Culture Clash hat meistens was. Aber die Rambo-Einlagen in den Büros irgendwelcher Drogenbosse sind zu oft gesehen, zu wenig gewollt.
Ähnlich verhält es sich mit dem grundlegenden Setting. Es ist schon ganz mutig, dass der Held hier direkt am Anfang des Buches verstümmelt wird. Normalerweise sind Fantasy-Epen ja darauf bedacht ihre Protagonisten entweder unversehrt zu lassen, damit sie lange cool sind oder sie gleich ganz abzumurksen, um das Drama anzuheizen. Looking at you, George R. R. Martin! #RedWedding Andererseits nimmt jede Begegnung Stück für Stück etwas weniger Raum ein. Bei Eddie und der Drogenkurier-Episode hat King noch viel Schweiß investiert. Bei Odetta wird es schon etwas weniger, bei „dem Tod“ bleibt ihm dann irgendwie die Puste aus. Das kann man auch als Zufall abstempeln. Oder die Erkenntnis, dass das Buch bisher schon zuviele Seiten hat. 😉 Worüber man schwerer hinwegsehen kann ist die sprachliche Einfachheit. Ein Beispiel: Gespräche über schicksalhafte Themen gleiten in Banalitäten und Profanitäten ab wie beispielsweise als Roland über Schicksal spricht, genannt Ka; fragt Eddie beispielsweise was das sein solle – „Davon habe ich noch nie gehört. Nur wenn du es zweimal hintereinander sagst, ist es das Babywort für Scheiße“ (p.244). Eddie weiß wie man die Stimmung ruiniert. Kein Platz für Pathos. Das ist wohl auch ein Beispiel für Eddies Charaktereigenschaften, aber es ist nicht Eddies Art alleine. Sprachlich befinden wir uns in der Grauzone zwischen „Der Stil ist schlecht“ oder „Die Übersetzung ist schlecht“. Unausgegorener Satzbau, sehr bildliche Metaphern und Vergleiche. Ganz viel Harter-Kerl-Sprech. Als Roland sieht, dass er seine andere Hand eventuell verliert, sagt er trocken (p. 22): „Ich wichse mit links, […], wenigstens etwas.“ Kommt drauf an, ob der Leser das amüsant findet. Oder profan.
Davon mal abgesehen hat das Buch ein vorläufiges Ziel. Mit dem „Ziehen der Drei“ in Rolands Welt ist das klar definiert und möglicherweise erfüllbar. Einerseits hat man zwar den Eindruck, dass es bis zum dunklen Turm noch ein langer Weg ist, aber in Anbetracht der ausstehenden Teile der Reihe, dürfte das auch keine Überraschung sein. Drei hat als zweiter Band ein zufriedenstellendes Ende, aber noch keinen wirklichen Cliffhanger oder Andeutungen wie es ausgeht. Ob das smart ist? Immerhin hat unser Revolvermann aber einige Facetten bekommen, die wir so bei ihm vielleicht nicht gesehen haben (Stichwort Jake und Susannah). Es gibt schon ein bisschen, womit der Leser zum weiterlesen geködert wird. Und außerdem einige sehr schöne Referenzen auf andere Werke Kings wie Shining. Insgesamt wird der Revolvermann einmal mehr als ein Held vergangener Zeiten dargestellt. Er hat Eigenschaften, die einerseits aus der Zeit gefallen wirken, andererseits dringend notwendig zu sein scheinen. Die Brutalität mit der dieser Revolvermann stoisch einen schicksalhaften Kampf kämpft, hat einen ganz eigenen Reiz. Im Vorwort erklärt King, dass er seine Inspiration aus dem Gedicht „Herr Roland kam zum finsteren Turm“ von Robert Browning zog. mit dem es sich im Kern ganz ähnlich verhält. Drei und der dunkle Turm als Reihe an sich hat diese trockene Art, das Schicksalsergebene, kantige, toughe und ist damit schon irgendwie ein bewundernswerter Fantasy-Epos. Aber mit reichlichen Abstrichen. Zu oft stolpert man über solche Passage, die man lieber direkt wieder vergessen möchte.
„Es war absurd, aber es war auch eine Tatsache. Dieser Satz – Amerika hat das Ende des letzten Revolvermannes gesehen – hatte etwas, was einen tiefen Akkord in ihrem Verstand anschlug. […] Zu viele zittrige Hände hielten Feuerzeuge in die Nähe von zu vielen Zündschnüren. Dies war keine Welt für Revolvermänner. Wenn es je eine Zeit für sie gegeben hatte, so war sie vorbei.“ p. 255 ff.
Fazit
Macht den Reiz der Reihe erkennbar, aber hat auch zuviel überflüssiges.
Besprechung zu Teil 1 „Schwarz“
Besprochene Ausgabe: ISBN 978-3-453-87557-9, Heyne Verlag
„ausgelesen“ ist eine Kategorie meines Blogs, in der ich immer zwischen dem 15. und 20. eines jeden Monats ein Buch unter die Lupe nehme. Der Begriff „ausgelesen“ ist sehr dehnbar. So wie die Themenvielfalt meines Blogs. Ein „Buch unter die Lupe nehmen“ schließt Belletristik, Sachbücher, Manga, Comics unvm mit ein. 🙂
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