Wenn Science-Fiction-Kultregisseur Alex Garland eine Serie in die Welt schickt, kann ich nicht lange widerstehen. In bekannter Garland-Manier hat er selber das Drehbuch geschrieben und Regie geführt. Und soviel verrate ich an der Stelle schon: hat seinen Job ziemlich gut gemacht. Worum geht es bei Devs? Um etwas, das unter Techies einen Nerdgasm gepaart mit Angststörung auslöst: Quantencomputer.
„No one knows what the dev team does except the dev team.“
Bei solchen Sätzen muss jeder Softwareentwickler erstmal kichern oder wenigstens grinsen. Wer arbeitet in der Branche und hat das nicht mindestens ein Mal gehört? 🙂 Und zuerst ist auch die Freude bei Sergei (Karl Glusman) groß, der schon eine Weile für den Tech-Giganten Amaya im Silicon Valley arbeitet, als er von seinem Chef Forest (Nick Offerman) die frohe Botschaft erhält, dass er zu Devs befördert wird. Seine Freundin Lily (Sonoya Mizuno) ist ähnlich aus dem Häuschen, denn auch sie arbeitet bei Amaya als Kryptographie-Expertin und weiß, dass die Devs Abteilung eine hohe Sicherheitsstufe hat und offenbar etwas absolut abgefahrenes entwickelt. Aber das Grinsen vergeht ihr und uns ganz schnell, als wir sehen was Sergei passiert, nachdem er bei Devs angefangen hat. Lily glaubt nicht an einen Selbstmord und versucht rauszubekommen wie Sergei wirklich gestorben ist und was da in Devs abgeht.
„DEVS Trailer Season 1 (2020) Alex Garland-Sci Fi Series“, via New Trailer Buzz (Youtube)
Tatsächlich habe ich die Serie im O-Ton geschaut und weiß daher nicht, ob man hier Devs wie in Software Development meint oder Devs wie in simpel Development, was quasi alles sein könnte. Aber es sieht ganz nach Software Development, als Softwareentwicklung aus, was Sergei da tut. Und seine Reaktion als er sieht, woran in der Abteilung gearbeitet wird, spricht Bände. Offenbar planen die Amaya-Masterminds Forest und seine Chief Software Architektin Katie (Alison Pill) hier nichts geringeres als den Quantencomputer.
DRY: Don’t repeat yourself.
Alex Garland war schon immer ein Fan von Dystopie und Science-Fiction. Science-Fiction ist aber ein Würfel mit unterschiedlichen Facetten. Zum Einen natürlich Science und Fiction. Ich finde Garlands Stoffe könnten mehr Science vertragen. Die klingen halt irgendwie immer gut und sehen vor Allem gut aus, aber besonders wissenschaftlich wird es eigentlich nie. Gerade, wenn man sich auf einem Gebiet auskennt, bekommt man hier manchmal doch zu wenig Futter. Sein hochgelobtes Ex Machina beispielsweise löst in mir Nerd Rage aus, weil es vorrangig Style over Substance ist. Sowohl Science als auch Fiction darin waren eher ein Fall von „schon mal gesehen“, während eigentlich nur das Design schön neu war. Annihilation konnte das ähnlich gut, hatte aber mehr Substanz.
Was Garland beim Science-Fiction-Würfeln aber wirklich gut beherrscht ist neben Design die Facette mit der Vision und zumindest bisher der Massentauglichkeit. Er reduziert nicht selten die Dimension Wissenschaft zugunsten der Massentauglichkeit und wird damit ein Everybodys-Darling unter den Science-Fiction-verliebten Regisseuren, weil eben die meisten Sci-Fi-Begeisterten mithalten können. Ähnlich tut er das auch bei Devs, wobei Quantentheorie und -mechanik ein heißes Pflaster ist, das schon allgemein nicht einfach zu verstehen ist. Wird das besser, wenn es abstrakter ist? Und macht sich Devs auch des Style over Substance schuldig?
Silicon Valley, happy Valley. (Or not.)
Die Antwort ist: es gelingt, ist aber hart an der Grenze. Garland verliert hier den Punkt Massentauglichkeit ein Stück weit, weil Quantentheorie eben kompliziert ist und man sich ab und zu nicht sicher ist, ob man selber was verpeilt oder Garland sich gerade selber widerspricht. Dadurch oder auch aufgrund der melancholisch-philosophischen Grundstimmung läuft die Serie Gefahr Zuschauer abhängen. Für andere hat Garland hier aber eine anziehende und ambitionierte Indie-Serie geschaffen. Im visuellen Design findet man ebenso seinen Fingerabdruck, so wie auch und in der etwas dünnen Handlung. Dass Lily bei der Spurensuche in der großen Tech-Firma v.A. sich selber und die Menschen in ihrem Umfeld in Gefahr bringt, wird niemanden wundern. Auch der Grund, warum Forest so vernarrt in die Idee ist einen Quantencomputer zu bauen, hat mit einem Unglück in seiner Vergangenheit zutun, das er ungeschehen machen möchte. Das ist wieder ein klassischer Fall von „schon mal gesehen“, aber auch eine Mischung, die immer wieder funktioniert.
Forest ist allgemein ein enorm interessanter Charakter. Um die/seine Realität formbar zu machen, ist Forest offenbar (siehe Sergei) bereit über Leichen zu gehen. Nicht nur die Fähigkeit nicht akzeptieren zu wollen und das Spiel mit den Leben anderer offenbart seinen Gottkomplex, sondern auch der Fakt, dass er leichtfertig eine derartige Technologie zum reinen Selbstzweck auf die Welt loslässt. Seine Überzeugung etwas großartiges zu schaffen hebelt dabei alle moralischen Bedenken aus – es ist ihm schlichtweg egal. Ein gelungener Seitenhieb auf die Visionäre, die da im Silicon Valley sitzen und mit unseren Daten pokern. Garland setzt das Thema des Gottkomplexes gekonnt mit dem Motiv der Heiligenscheine um. „Das was ich mache ist so großartig, das kann doch nicht falsch sein, oder?“
„What Is Devs? Creator Alex Garland Explains FX’s New Sci-Fi Show“, via Ben Salisbury – Thema (Youtube)
Garland hält sich auch hier nicht an der Wissenschaft auf. Nur hier kann man diesmal sagen: Wie auch? Es gibt keinen anerkannten Ansatz zum Quantencomputer. Ach halt, es gibt einen und an dem hat er sich optisch auch orientiert. Aber allgemein ist der Quantencomputer trotzdem noch ein ziemliches Einhorn. So spielt Garland hier mehr mit der philosophischen Komponente rund um Determinismus. Wenn der Computer sagt in allen Varianten des Geschehens passiert es so – würdest du trotzdem probieren es anders zu machen? Ist es nicht zu verführerisch es trotzdem zu probieren und vielleicht diejenige zu sein, die beweist, dass man das Schicksal oder Determinismus täuschen kann? Gibt es Determinismus wirklich? Lügt die Maschine? Lily ist hier sowas wie Schrödingers Katze – lange Zeit ohne es zu wissen. Und wir sind mittendrin. Denn wir alle wollen nicht glauben, dass unser Weg lange vorgezeichnet ist, oder?
Garland setzt diesen Aspekt mit zahlreichen Wiederholungen um. Schlüsselszenen werden ein ums andere Mal wiederholt – mal mit etwas Varianz so wie die unermüdlichen Berechnungen des Quantencomputers. Die Varianten werden teilweise ineinander geblendet und man sieht viele Lilys und Sergeis die ihr Leben gelebt haben, aber sieht man auch eine Variante, in der Sergei nicht einen folgenschweren Fehler macht? Nicht zu Devs befördert wird? Nicht stribt? Sind wir die Version, die abweicht? Die gewinnt? Die glücklich endet? Devs lässt einige lose Fäden in der Luft hängen und irgendwie hätte man am Ende doch einen größeren Knall erwartet, aber insgesamt ist es eine ansprechende Serie, die zum Nachdenken und Philosophieren einlädt. Garland tut gut daran bei einem so kniffligen Thema wie der Quantentheorie auf die philosophische Komponente zu setzen und zieht das auch stilistisch und visuell durch. Das Thema des Gottkomplexes und Silicon Valleys könnte kaum aktueller sein und die Manierismen der Tech-Giganten sind erfrischend, entlarvend und schon fast Satire. Zusammen mit dem großartigen, manchmal anstrengenden Soundtrack, ist es eine fordernde, interessante, aber weniger massentaugliche Serie. Ich fand’s mal erfrischend anders. (9/10)
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Habt ihr „Devs“ schon gesehen? In Deutschland läuft es bisher wohl auf Sky und Magenta TV. Wie steht ihr zu Alex Garlands Herangehensweise an Science-Fiction? In Interviews finde ich ihn erfrischend bescheiden, wenn er selber zugibt die Dinge bis zu einem bestimmten Grad zu recherchieren, zu verstehen und abzubilden. Aber ein bisschen Nerd Rage werde ich wohl immer haben, wenn ich „Ex Machina“ schaue. 😉 Welchen Stoff Garlands mögt ihr am meisten? Welchen nicht?
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