Letztes Jahr schloss ich mit „BioShock“ eine meiner großen Gaming-Wissenslücken. Aber halt … ist die geschlossen, wenn man nur einen Teil gespielt hat? Nach dem Erfolg des ersten Teils wurde die Reihe 2010 mit BioShock 2 fortgesetzt und entführt uns nochmal nach „Rapture“, das nun inzwischen noch ramponierter ist, aber immer noch Bewohner mit gefährlichen Ambitionen hat.
Fallen, Fallen is Babylon
Im Einspieler-Modus finden wir uns acht Jahre nach den Geschehnissen von Teil 1 in der Perspektive eines Big Daddys wieder, der Subject Delta genannt wird. „Delta“ gehört zu einer Reihe von Big-Daddy-Prototypen und wurde auf die Little Sister Eleanor Lamb geprägt, die Tochter einer der Gründerinnen Raptures – Sofia Lamb. Ihr Konflikt mit Andrew Ryan führte einst zum Bürgerkrieg, der zu Raptures Untergang führte. Als eine von Raptures ehemaligen „Best and Brightest“ hatte sie eine ganz eigene Vision für Rapture, zu der auch ihre Tochter gehört. Im Intro erlebt man wie sie Delta versuchte zum Selbstmord zu zwingen, um Eleanor für sich und ihre Experimente allein zu haben. Aber Lamb hat die Prägung zwischen Little Sister und Big Daddy unterschätzt. Eleanor bringt Delta zurück. Um zu überleben, muss Delta aber Eleanor so schnell wie es geht befreien und idealerweise sich Beide retten. Dabei stehen ihm wenige Verbündete zur Seite und viele Splicer inklusive Sofia Lamb im Weg.
„Bioshock 2 – Launch Trailer – Xbox360/PS3“, via PlayscopeTrailers (Youtube) – wie so oft sieht der Launch-Trailer um einiges besser aus als die tatsächliche Grafik
Daddy is Home
Im zweiten Teil der Reihe hat BioShock nun also einen ziemlich starken, emotionalen Nährboden. Man bekommt ab und zu zu spüren, dass es durch die Prägung auf Eleanor für Delta nicht lange weitergeht. Ist er zu lange von seiner Little Sister getrennt, würde er sterben. Die Konsequenz wird zwar in der Handlung durch ein paar Cutsequenzen abgebildet, hat aber im Gameplay keine Auswirkungen. Vor Allem aber sehen wir die Zeichen der Zuneigung zwischen Eleanor und Delta. Für Delta wird es zum größten Wunsch Eleanor das Tageslicht zu zeigen, auch wenn Delta davon abgesehen für den Spieler wie eine Black Box bleibt und selbst weder Stimme noch Charakter verliehen bekommt. Außer eben durch unsere Handlungen. Hin und wieder findet man Nachrichten und Geschenke, die Eleanor uns hinterlässt, damit wir durchhalten. Das ruft einige interessante moralische Fragen auf. Ist die Prägung nicht nur chemisch erzeugt und aufgezwungen und damit eigentlich wertlos? Oder ist es wie im Zitat Eleanors, dass wir selbst unseren Beziehungen Bedeutung geben?
„Love is just a chemical. We give it meaning by choice.“ (Eleanor)
Ansonsten ist das Gameplay sehr ähnlich zu dem was wir aus BioShock kennen. Wir schnetzeln uns einerseits mit Waffengewalt, andererseits dank der genetischen Mutationen mittels ADAM durch das zerstörte Rapture um unser Ziel zu erreichen. Auf dem Weg durchqueren wir zahlreiche Level, die atmosphärisch dicht gestaltet sind. Einen besonderen Corona-Bonus bekommt ein Level, indem wir durch eine medizinische Quarantäne-Zone müssen, aber auch ein Gefängnistrakt, eine Kinder-Krankenstation und Raptures Außenwelt vermitteln teilweise Horror-, teilweise Steampunk-Feeling. Denn exakt: dadurch dass wir uns als Big Daddy bewegen, können wir in unserem Taucheranzug auch direkt über den Meeresboden zwischen Raptures Gebäuden wechseln. Jedes Mal eingeläutet durch Sequenzen in Schleusen, die uns a la Bobby Darins „Beyond the Sea“ nochmal besonders klar machen, dass wir uns im Meer befinden. Ebenso wie es die Cut-Sequenzen tun, in denen Levels so stark zerstört werden, dass Meerwasser hereinläuft und die Umgebung in eine geflutete Dystopie verwandelt. Es hat eine brutale, abgründige Schönheit, wenn man dieses geflutete Rapture mitsamt der hilflos im Wasser treibenden Splicer sieht, während wir uns langsam durch die Wassermassen unseren Weg bahnen können. In punkto Optik kann der zweite Teil einiges mehr als der erste.
Aber wir bekommen zumindest ganz am Anfang auch stark zu spüren, dass wir uns dieses Mal als Big Daddy bewegen. So sind wird jetzt zu Beginn mit einem Bohrer ausgestattet statt einer Rohrzange, was wohl zu noch blutigeren Szenen führt. Davon mal abgesehen ist man erstmal sehr langsam, aber ADAM, Toniken usw. sei Dank können wir etwas dagegen tun. Ähnlich wie im Vorgänger sind mehrere Enden möglich je nachdem wieviel Gnade und Mitgefühl man walten lässt. Es wird erneut zu einem zentralen Motiv, ob die Verrohung Raptures auf uns abfärbt oder nicht. Und noch mehr: durch die Prägung beeinflussen unsere Handlungen unter Umständen auch Eleanor.
Raptures Best and Brightest
Mit Eleanor wird uns ebenso eine Verbündete mit auf den Weg gegeben, die das Setting von BioShock 2 etwas weicher und das Ziel etwas schöner gestaltet. Je nachdem wie man es spielt natürlich. Selbstverständlich kann man auch hier wieder die Little Sisters retten oder ausbeuten. Und sich zusätzlich einigen Schlüsselfiguren gegenüber gütig oder rachsüchtig verhalten. Was darf’s sein? Es wird das Ende des Spiels maßgeblich beeinflussen, was für Kenner des ersten Teils nun nicht mehr neu ist. In dem Punkt hat BioShock 2 wohl deutlich weniger Überraschungen als der erste Teil parat. Es fehlt an auch einem großen Twist, von denen der erste Teil ja gleich mehrere hatte.
Eine Neuerung, die schon der Launch Trailer angedeutet hat, sind die Big Sisters. Die gehören zu Sofia Lambs großen Innovationen und Visionen für die Zukunft der Menschheit. Und die sind ähnlich tough zu besiegen wie es einst die Big Daddys im ersten Teil waren. Dabei liegt aber relativ früh auf der Hand was die Big Sisters mal waren und wo die Reihe hingeht. Wo nun weniger Überraschungen zu erwarten sind, punktet das Spiel mit einer großartigen Optik, schaurigeren Leveln und einer emotionaleren Handlung, die sich nicht alleine auf Rachegedanken und Überleben stützt, sondern auf: Rettung, Bindung und ein bisschen elterliche Liebe. Egal, ob die nun künstlich induziert, eingeredet oder von ganzem Herzen empfunden ist. Das bleibt dem Auge des Betrachters überlassen.
Fazit
Was ich nicht bewerten kann, weil ich es nicht ausprobiert habe ist der Mehrspieler-Modus. Was ich sehr wohl ausprobiert habe, mich aber nicht besonders glücklich gemacht hat ist der bei Bedarf anpassbare Schwierigkeitsgrad. Dieses Mal habe ich mit einem schwierigeren Grad angefangen zu spielen und kann BioShock 2 in technischer Hinsicht ein Lob aussprechen. Der Wechsel zwischen den Graden funktioniert einwandfrei (geht halt nur im Zweifelsfall bei Wechsel auf Kosten von Trophäen, klar). Die schwierigeren Grade funktionieren hauptsächlich durch Entzug von Items und Waffen. Ob die Gegner wirklich viel smarter sind, konnte ich nicht erkennen. Was ich aber sehr wohl erkennen konnte: bereits im mittleren Schwierigkeitsgrad bekommt man vom Spiel nur das Minimum an Ressourcen zur Verfügung gestellt, um ein Level zu schaffen. Kurzum: das war nicht unbedingt Spaß. Für anspruchsvolle Spieler, die eine Herausforderung wollen, ist das wahrscheinlich toll. So ambitioniert war ich aber nicht (lange).
Die möglichen Enden von BioShock 1 werden im Gameplay übrigens nicht aufgegriffen, was aber der Handlung keinen Abbruch tut. Was ich nicht ganz nachvollziehen kann ist, warum man nicht in den Jahren nach dem Erscheinen der Collectors Edition mal ein Patch für den Speicher-Bug bereitgestellt hat. Die Collectors Edition erschien 2016, ich habe BioShock 2 2020 angefangen zu spielen und Anfang 2021 beendet und litt immer noch darunter. Das Spiel teilt sich die verfügbaren Speicherslots mit dem ersten Teil von BioShock. Das heißt, man kann im Normalfall initial in dem Spiel nicht wirklich speichern, bevor man via PlayStation Menü nicht Speicherslots in BioShock 1 gelöscht hat. Sehr nervig und erscheint vermeidbar.
Summa summarum ist BioShock 2 ein sehr rundes und abwechslungsreiches Spiel, das zwar weniger Überraschungen bereit hält und durchaus um einiges vorhersehbarer ist als der erste Teil, aber es ist optisch weitaus ansprechender, atmosphärischer und besser gealtert als der erste Teil. Es macht sehr viel Spaß BioShock 2 zu spielen und die Level erscheinen abwechslungsreicher. Besonders gut hat mir eines gefallen, wie man in einem Level durch die Augen einer Little Sister schaut. Ein ziemlich raffinierter Kniff ist, der den Mindfuck der BioShock-Reihe ganz gut unterstreicht. Warum aber ein offenbar bekannter Bug nicht behoben wurde, entzieht sich meiner Kenntnis und meinem Verständnis.
Habt ihr „BioShock 2“ gespielt? Hat der euch auch besser gefallen als der erste? Und habt vielleicht schon eine Ahnung, was mich in „BioShock Infinite“ erwartet? Dass es eher in luftige Höhen geht, habe ich schon am Rande mitbekommen (und war überrascht). Welcher Teil der Reihe ist eurer Meinung nach der beste?
Netzgeflüster ist eine Kategorie meines Blogs in der ich mich immer zwischen dem 10. und 15. eines jedes Monats Themen aus IT, Forschung, Netzwelt und Internet widme genauso wie Spaß rund um die Arbeit mit Bits und Bytes. 🙂
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