Netzgeflüster: Game-Review „Death Stranding“ (PS4)

Wer genau betrachtet, was ich so spiele, denjenigen fällt auf: es gibt einen gewissen Überhang zu Walking Simulators. Am liebsten mit einer emotionalen Story. Und vor gruseligen Games fürchte ich mich auch nicht so sehr. All das vereint (so sagen andere) „Death Stranding“. Und so spielte ich es auf der PS4 über die vergangenen Monate hinweg. Ja, Monate, denn ich bin doch eher eine Wochenend- und Schlechtwetter-Zockerin. Kann ich draußen nicht raus, dann suche ich offenbar den Eskapismus in der Landschaft … auf der Couch. 🙂 Hielt „Death Stranding“ all das, was andere versprochen haben?

Vor oder nach der Apokalypse?

Die Cut-Sequenzen am Anfang machen es schon relativ deutlich: die Welt von Death Stranding ist keine besonders lebensfreundliche. Sam Strand (Norman Reedus) fährt darin auf einem Motorrad durch eine zwar wunderschöne Landschaft, aber offenbar fährt er vor etwas davon. Es ist eine Welt, in der fallende Regentropfen und ein invertierter Regenbogen die Katastrophe ankündigen. Der Regen ist Zeitregen und lässt alles worauf er fällt schneller altern. Die Welt der Lebenden und der Toten ist seit einem bestimmten Ereignis, einer beinahe Apokalypse, sehr dünnhäutig geworden. Die schönen Landschaften sind hier also postapokalyptische, die sich die Städte und menschliche Infrastruktur zurückerobert haben. Aber Zeitregen und invertierte Regenbögen sind Vorboten und Begleiterscheinungen von noch etwas: Gestrandeten Dingen (GDs). Sie sind schemenhafte Umrisse und Überreste verstorbener Seelen, die sobald sie etwas Lebendiges bemerken, versuchen es mit sich in die Welt der Toten zu ziehen. Die Menschheit hat sich schon lange in Bunker verzogen, geschützt vor GDs, Zeitregen und allem anderen, was das Leben an der Oberfläche so bedrohlich macht. Die Zivilisation und das Staatengefüge, ist längst zusammengebrochen. Die Versorgung zwischen den Bunkern obliegt Portern, d.h. Zusteller:innen, wie Sam Strand.

Sam ist ein Sonderfall, der sich wegen einiger besonderer Eigenschaften etwas leichter als andere der lebensfeindlichen Oberfläche stellen kann. Das lockt auch diejenigen an, die wieder so etwas wie die USA unter dem Namen United Cities of America (UCA) gründen wollen. Sam glaubt zwar nicht an die Sache, hat aber andere Gründe, aus denen er den Auftrag annimmt. Er und wir werden im Laufe des Spiels den Kontinent durchqueren. Und dabei eine wahrhaft apokalyptische Odyssee erleben. Denn vielleicht haben wir die Apokalypse noch gar nicht durchgestanden, sondern das schlimmste noch vor uns!?

Keep on keeping on

Soviel steht auch fest: die Apokalypse hat Schauwerte. Während sich die vereinzelt lebenden Menschen unter Tage geflüchtet haben, hat die Natur die Landschaft wieder eingenommen. Klima-Ereignisse haben Nordamerika quasi einmal aufgeräumt und neu aufgebaut. Es ist ein seltsamer Kontrast aus Schönheit und Einsamkeit. Death Stranding lässt nicht außer Acht, was das alles aus den Menschen macht. Die leben in Angst in ihren Bunkern, abgenabelt von allen anderen. Darunter Prepper; Lieferbesessene; Menschen, die andere vermissen oder auf Medizin oder eine andere Lieferung angewiesen sind. Der Mangel an Verbindungen ist ein weiterer Teil, der das Leben schwierig gemacht hat. Bis Sam kommt und ihnen anbietet sich den UCA anzuschließen, Kommunikationswege zu öffnen oder er rettende Medizin anliefert. Vielleicht ist im Paket auch mal einfach nur ein Buch aus früheren Zeiten. Entsprechend sind unsere Missionen so aufgebaut, dass wir neben dem Hauptquest auch zahlreiche Lieferungen an die umliegenden Menschen vornehmen können. Dahinter steckt ein frappierend schönes Motiv, das noch Reste unserer Pandemie-Erfahrung triggert: die Menschen wieder miteinander zu verbinden.

Sam ist eigentlich der größte Kritiker des Versuchs. Er selber hat eine ausgewachsene Phobie gegen Berührungen. Das gilt für die physischen, denn rein moralisch reißt er sich den Allerwertesten auf, um zu liefern was benötigt wird. Menschen sind ihm nicht egal. Man kann auf seinen Rücken schon nach einer gewissen Zeit beachtliche Türme stapeln und ihn beim Aufstehen ächzen hören. Auch trägt er bald ein sogenanntes Bridge Baby (BB) mit sich, das ihm hilft GDs und andere Gefahren schneller zu registrieren. Er soll dazu keine emotionale Verbindung aufbauen heißt es anfangs. Es als Hilfsmittel betrachten. Und doch: es ist ja nicht so als dass es nicht reagieren würde, ihn nicht begleitet und dieselben Höhen und Tiefen durchlebt auf manchem beschwerlichen Weg.

Dabei ist nicht nur Sams Hintergrundgeschichte eine besonders knifflige, die durch Verbindungen maßgeblich beeinflusst wurde. Auch den Menschen, die er trifft, widmet sich lose je eine Kapitel des Spiels. Wir erleben in Nebenrollen beispielsweise Guillermo del Toro, Léa Seydoux, Nicolas Winding Refn und sehr prominent Mads Mikkelsen. Die alle haben ihre ganz eigene, melancholisch schöne, manchmal erschreckende, manchmal hoffnungsvolle Geschichte darüber wie es sich am Rande der Apokalypse lebt, wenn man seine Verbindungen zu anderen kappt. Und vielleicht den Mut hat sie wieder aufzunehmen.

DEATH STRANDING

Diesen Aspekt drückt auch das etwas eigene Koop-Verhalten des Spiels aus. Darin sehen wir beispielsweise Konstrukte die andere Spieler:innen in der Umgebung gebaut haben, um sich einfacher fortzubewegen und können die mitnutzen. Es ist die ultimative Handreichung. Die Erkenntnis, dass wir mit unserem manchmal beschwerlichen Weg nicht alleine sind. Dass es gemeinsam einfacher ist. Wirklich sehen werden wir die anderen nicht. Es ist ein Sinnbild auf unsere Welt, in der wir alle ein wenig unser eigenes Ding machen, abtauchen und uns vielleicht auch mal mehr hinter unseren Bildschirmen verstecken. Aber die hoffnungsvolle Botschaft ist, dass trotzdem jemand da ist. Und wer weiß? Dass es sich lohnt hinter dem Bildschirm wieder vorzukommen. Irgendwie schön.

DOOMs, Extinktionsentität – Moment, lass mich das mitschreiben …

Death Stranding findet eine abwechslungsreiche Mischung aus Haupt- und Side Quests, die uns bei Weitem nicht nur Pakete ausliefern lassen. Es gibt auch Shooter-Aspekte, Horrorszenarien und einen angenehm trockenen Humor. Es gilt die ganzen Rätsel zu ergründen und sich immer besser gegen GDs und MULEs (seltsame Typen, die deine Lieferung klauen wollen) zu wehren bis hin zu einem ich möchte sagen tatsächlich fulminanten und apokalyptischen Finale. Obwohl die Lieferaufträge mit phänomenaler Landschaft aufwarten und es Mechanismen und Herausforderungen gibt, die das Ausliefern abwechslungsreich gestalten, werden sicherlich nicht alle damit glücklich. Wer Walking Simulator blöd findet und keine Freude am Erkunden der Landschaften hat, der wird Death Stranding möglicherweise schlichtweg öde finden. Trotz der anspruchsvollen Boss Gegner und apokalyptischen Endfights.

DEATH STRANDING

Für hingegen alle dürfte die komplexe Story eine Herausforderung sein. Spiel Designer Hideo Kojima mag aus seinen früheren Games dafür bekannt sein, dass er schwer zu durchdringende Geschichte schreibt, aber Death Stranding ist dahingehend definitiv eine Klasse für sich. Vom ersten Screen an wird man mit Begriffen konfrontiert, für die es erstmal keine Erklärung gibt (DOOMs beispielsweise). Die werden signifikant mehr. Zwar hat das Spiel durchaus Tipps für das Gameplay und andere Hilfsmittel, die Erklärung liefern, aber man muss Mut zur Lücke beweisen. Will man mit Death Stranding Spaß haben, muss man erstmal über vieles hinwegsehen. Fairerweise: eine Menge wird erklärt und gerade der Ideenreichtum macht Death Stranding zu einer Ausnahmeerscheinung. Nichts an dem Spiel erweckt den Eindruck als ob man es schon so oder so ähnlich in zig Filmen bereits gesehen hätte. Es mag bekannte Spielelemente haben, es setzt bestimmte Prioritäten und nicht alle davon müssen uns gefallen, aber es hat Kernelemente und unbestreitbar eine innovative Storyline.

Was genauso viele Fans wie Hater hat: Death Stranding wirkt auch stellenweise wie ein Film, was bei dem großen erzählerischen Aspekt wenig verwundert. Man merkt es auch an dem oben erwähnten „Cast“: per Motion Capture wurden die aus Film und anderen Medien bekannten Personen aufgenommen. Die NPCs sind oftmals namhafte Personen. Da trifft in einem Bunker auch einfach mal den Mangazeichner Junji Itō. Die Cut-Sequenzen sind mitunter enorm lang und man ist lange nur zuschauend und passiv beteiligt, wünscht sich sehnlichst einen Moment, wo man mal auf Speichern drücken kann. Zu Beginn des Spiels muss man schon mal ca. 1,5h einplanen, nur um an einen spielbaren Punkt anzukommen. Die faszinierende und tatsächlich abwechselnd angenehm hoffnungsvolle bis auch mal alptraumhafte Story schaut sich einfach unglaublich atmosphärisch an.

Fazit

Nach hinten raus wird das Spiel deutlich komplexer, die Anforderungen höher und auch die Storyline etwas düsterer. Alles in allem hat Death Stranding eine faszinierende, dichte Storyline, die ihresgleichen sucht und mich am Ende emotional mitgenommen hat wie schon lange kein Spiel mehr.

DEATH STRANDING

Oben habe ich ja schon angedeutet, dass man nicht zuviel hinterfragen sollte, wenn man mit dem Spiel Spaß haben will. So kneife ich mir einfach Fragen, die an der Logik kratzen wie die, warum es manchmal möglich ist, Dinge an den Strand mitzunehmen, manchmal nicht. Um nur ein Beispiel zu nennen. Auch gibt es eine Menge Schleichwerbung. Aber wenn das Spiel grundsätzlich gefällt ist es schon einfach über manches hinwegzusehen. Nur ist da diese eine Sache, auf die ich doch gern eine Antwort hätte. 🙂 Wenn ich an die länglichen Duschsequenzen Sams denke, frage ich mich, ob Kojima so ein großer Norman Reedus Fanboy ist!? Habt ihr „Death Stranding“ gespielt und wie hat es euch gefallen? Ich habe schon mit einigen Menschen gesprochen, die auf dem Weg über den Kontinent die Lust verloren haben oder die Konzepte zu weird fanden. 

Netzgeflüster ist eine Kategorie meines Blogs in der ich mich immer zwischen dem 10. und 15. eines jedes Monats Themen aus IT, Forschung, Netzwelt und Internet widme genauso wie Spaß rund um die Arbeit mit Bits und Bytes. 🙂

4 Antworten

  1. Avatar von donpozuelo
    donpozuelo

    Ich dachte damals auch erst, das wird kein Spiel für mich… aber wenn man etwas Geduld mitbringt, entfaltet sich eine riesige Welt und eine irre Story, bei der man sich noch lange danach am Kopf kratzt hab ich echt gerne gezockt

    1. Avatar von Miss Booleana
      Miss Booleana

      Geht mir ähnlich 🙂 Nur bei den Shooter-Szenarien hab ich mich nicht immer drin wiedergefunden. Und anfangs dachte ich, dass es ganz furchtbar wird den langen Videosequenzen zu folgen. Habe die aber dann doch sehr gerne gesehen. Was hältst du vom Trailer für DS2?

      1. Avatar von donpozuelo
        donpozuelo

        Ja, die Shooter Sequenzen waren etwas komisch. Da brauchte ich auch, um überhaupt reinzukommen.

        Ich weiß gar nicht, was ich zu DS2 sagen soll. Irgendwie hätte ich einen zweiten Teil nicht gebraucht, der Trailer sieht aber gut aus… bin gespannt, ob sie es gut hinbekommen, das Ganze fortzuführen

  2. […] reiner Zufall, dass Daryl in allen diesen Videos ist. 😊 Naja nicht ganz. Norman Reedus und Death Stranding haben erstaunlich viel damit zutun, dass ich die Serie überhaupt geschaut habe. Während mich die […]

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