Das gehörte Wort … Hörbuch-Besprechung zu „Foe“ von Iain Reid

Nachdem mir Iain Reids I’m Thinking of Ending Things so gut gefallen hat, wurde ich neugierig und habe mal nachgeschaut, was Autor Iain Reid noch so geschrieben hat. „Foe“ klang zwar ziemlich geheimnisvoll, aber wie es der Zufall so wollte, gab es auch hier wieder das Hörbuch im Angebot und so war die Entscheidung schnell gefallen.

Ähnlich I’m Thinking of Ending Things ist auch Foe ein Buch, über das man besser nicht zuviel verrät. Wenn man den Inhalt unbefleckt und ohne Vorbelastung auf sich wirken lässt, funktioniert es sicherlich am besten. Soviel darf man aber verraten: Foe handelt vom Ehepaar Junior und Henrietta, die auf dem Land leben und deren Zweisamkeit empfindlich durch einen Eindringling gestört wird. Terrence kommt aus der Stadt, arbeitet für die bekannte Firma OuterMore und verkündet die frohe Botschaft, dass Junior ausgewählt wurde um an einer Weltall-Mission teilzunehmen. Bis dahin müssen noch einige Vorkehrungen getroffen und beide einige Briefings über sich ergehen lassen. Die unverhoffte Botschaft ändert einiges an der Dynamik zwischen Henrietta und Junior und droht sogar sie zu entzweien. Ist aber wirklich Terrence der „Foe“, das heißt der „Feind“, der ihr friedliches Leben stört?


„MacEwan University’s Book of the Year: FOE by Iain Reid“, via TheNHehirEntertainment (Youtube)

Es gibt auf Goodreads einige ziemlich krasse Theorien darüber wie man den Titel oder den Rest der Geschichte deuten sollte. Meine ist, dass es schon einen „Feind“ gibt oder zumindest die Wahrnehmung, dass es in Henriettas (kurz Hen) und Juniors Leben einen Eindringling gibt. Wer das genau ist, kann vielfältig ausgelegt werden. Das einzig wichtige ist wahrscheinlich mehr darüber nachzudenken als eine definitive Antwort zu finden. Anfangs erscheint sicherlich Terrence als der Feind, da er Neuigkeiten bringt, die das Leben der Beiden für immer verändern. Später bekommt man den Eindruck, dass sogar Hen oder Junior selber der Feind sein könnten, da sie beide Verhaltensweisen an den Tag legen, die ihrer Beziehung schaden. Hen zieht sich zurück und redet nicht offen mit Junior darüber, dass sie in der Einsamkeit auf dem Land doch unglücklicher ist als erwartet. Und auch nicht darüber, dass auch die Ehe mit Junior sie nicht mehr erfüllt. Junior hingegen ist in einem Zustand von Stasis, in dem er scheinbar denkt, dass alles gut ist so wie es ist und dass Hen „nur eine Phase“ durchmacht. Im Laufe des (Hör)Buchs werden noch mehr Theorien darüber möglich, die geneigte Leser*innen gern selber erleben können oder unten den Abschnitt mit den Spoilern aufklappen können.

Foe ist Science-Fiction ohne Science-Fiction. Iain Reid gab wohl an, dass er inspiriert durch seinen Bruder eine Science-Fiction-angehauchte Geschichte schreiben wollte, in der er aber soviel der Weltraum-Aspekte strich, dass es letzten Endes mehr eine Metapher wurde. Und genau so liest sich Foe auch. Das macht aber absolut nichts. Es sei denn man erwartet Junior ins Weltall zu folgen, was nicht passieren wird, soviel darf verraten werden. Viel mehr dient das Setting um in Foe eine Geschichte über Erwartungen an das Leben und sowohl die Zweisamkeit in einer Beziehung zu erzählen als auch darüber noch ein eigenes „Selbst“ zu behalten, um glücklich und wirklich „selbst“ zu sein. Der schwierige Balanceakt und die ewige Widersprüchlichkeit von Beziehungen und ja, wahrscheinlich auch von Ehe.

Damit erinnert Foe mit seinen langen inneren Monologen Juniors und der Beobachtungen zwischen den drei Hauptcharakteren sehr an I’m Thinking of Ending Things. Während das Buch teilweise sogar sehr unheimlich ist, gelingt Foe ein ähnlicher Spagat. Auch hier ist das drohende Zerwürfnis und der bevorstehende Abschied der Ehepartner wie ein über allem hängendes Damoklesschwert. Und ein Slow-Burner. Anfangs hat man den Eindruck, dass das alleine zu vorhersehbarer und durchschaubar ist, um das ca 5-stündige Hörbuch zu tragen bis sich etwa ab dem ersten Drittel Misstrauen gegenüber der Pläne der Firma OuterMore einstellt. Die einen oder anderen Offenbarungen in Foe kann man erraten. Es ist also nicht so, dass die Twists einen so treffen wie in I’m Thinking of Ending Things. Foe ist etwas einfacher und dadurch auch etwas zugänglicher. Die Bewertungen der Masse auf Goodreads sind nicht so besonders großartig – ich vermute gerade wegen der Vorhersehbarkeit. Obwohl auch ich das empfunden habe, hat mich das Ende emotional sehr berührt und aufgewühlt. Von daher eine klare Empfehlung für all diejenigen, die Geschichten mit viel Selbstreflektion und Monologen nicht abgeneigt sind.

Das Ende zu diskutieren kann ich mir nicht verkneifen – enthält Spoiler, wenn ausgeklappt!

Hier in der Spoilerzone kann ich nochmal mit Nachdruck sagen wie sehr es mich mitgenommen hat wie „Junior 2“ entfernt wird als Junior 1 nach Hause kommt. Obwohl ich Junior 2 für seine „Stasis“ und sein starkes Empfinden, dass zwischen Hen und ihm alles ok sein muss nicht besonders mochte, ging doch eine spürbare Entwicklung in ihm vor. Seine Panik als er sieht, dass Hen nicht für ihn einsteht und dass er offenbar bereits das Replacement ist, während der „echte“ Junior schon von der Raumstation zurückkehrt ist … heftig. Und so wie Junior 1 (der „echte“ Junior) reagiert als er heimkommt und das Replacement als ein reines „Ding“ sieht, wirkt er alles andere als sympathisch. Er erwartet, dass jetzt alles wieder „wie früher“ ist und dass Hen sich freut und mit ihm feiert. Das mag einerseits verständlich sein, aber es gibt sicherlich empathischere Arten damit umzugehen. Hier stellt sich unweigerlich die Frage wie stark Hen den Bruch zwischen ihnen beiden wahrgenommen hat, bevor Junior 1 ging und Junior 2 ankam. Sehr wirkungsvoll ist wie beschrieben wird wie man sich Junior 2s entledigt hat. So kurz und knapp im Nebensatz erwähnt, wirkt das regelrecht brutal.

Was mir erst sehr spät klar wurde ist die Bedeutung der Käfer. Dass Junior 2, der eigentlich ein Androide ist, sie verschont oder zumindest von ihnen irgendwie fasziniert ist, während Junior 1 als Mensch bereit ist sie sofort zu töten. Er hat gar kein Mitleid mit ihnen, bezeichnet sie ungeniert als Ungeziefer. Der Kniff ist etwas einfach um Junior 1 zu charakterisieren, aber eben auch ein wirkungsvoller. Durch den Vergleich der Reaktion Replacement und „echter Mensch“ ist dann auch für mein Empfinden relativ klar, dass Hen am Ende des Buches ein Replacement ist und die echte Hen über alle Berge ist. Junior 1 ist zufrieden, er muss nicht versuchen an ihrer Beziehung zu arbeiten – ein auf gewisse Weise sehr aufrüttelndes Ende. Hat mir sehr gefallen, mich aber auch etwas erschüttert. Iain Reid hat das drauf. Übrigens gibt es zu der Frage nach den Käfern noch eine abgefahrenere Theorie auf Goodreads … ihr erkennt sie an dem sehr langen Text.


„Movie rights for ‘Foe’ were secured before the book even hit shelves | Your Morning“, via Your Morning (Youtube)

Irgendwo habe ich gelesen, dass „Foe“ bereits für eine Verfilmung vorgesehen wurde, aber noch keine konkreten Fakten gelesen. Als Film würde sich der Stoff wirklich gut machen, denke ich. Aber dann sollte hier die eine oder andere Offenbarung etwas sorgfältiger verborgen werden. Kennt ihr das Hörbuch bzw Buch oder andere Stoffe von Iain Reid? Er schreibt wirklich „ausgefallen“ und kreativ. Ich mag das sehr.

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