Filmbesprechung „Red Post On Escher Street“ & „It’s A Summer Film!“ (Nippon Connection 2021)

Wenn da „Sion Sono“ an dem Film dran steht, dann frage ich gar nicht lang. Und so geht es scheinbar vielen unter den Nippon-Connection-Jüngern. Dementsprechend ist es nicht ganz überraschend, dass sich sein Film „Red Post On Escher Street“ mit dem Leben und Filmen eines Kultregisseurs auseinandersetzts – und seiner Anhängerschaft. Auch „It’s A Summer Film!“ handelt von der Liebe zum Film. Die Besprechungen sind spoilerfrei.

Red Post On Escher Street

Als Indie-Kultregisseur Kobayashi (Tatsuhiro Yamaoka) zum Casting bittet, tummelt sich da förmlich alles. Von jungen Leuten, die den letzten Wunsch ihnen nahe stehender Personen erfüllen und in einem Film mitspielen wollen. Über frenetische, fiebrige Kobyasahi-Fans bis hin zu Hobby-Darstellern, die ihren Durchbruch wittern. Der Beginn des Films zeigt auf sehr witzige Art wie sie alle von dem Casting erfahren, sich für das Casting bewerben, zum Casting gehen und genommen werden oder auch nicht. Die verbindenen Elemente sind rein optisch der rote Briefkasten an der Escher Straße, in den sie ihre Bewerbungsunterlagen einwerfen und an dem später ein entnervter Regisseur vorbei laufen wird, der genug von dem Chaos hat. 😉


„Red Post On Escher Street // Teaser“, via NipponConnectionTV (Youtube)

Alleine schon die Prämisse ist wahnwitzig. Es ist abstrus-komisch zu sehen wie unterschiedlich all die Bewerber mit der Baustelle vor den Castingräumlichkeiten umgehen. Von pragmatisch mit pathosreich alles da. Dadurch ist aber auch die erste Hälfte des Films ein starker Slow-Burner. In der zweiten Hälfte offenbart sich hingegen worauf Sion Sono hier hingearbeitet hat: dem unvermeidlichen Clash aller Interessen und Meinungen wegen eines einzigen Films. Nebenbei lässt er die Zuschauenden auch spüren wie sich das so anfühlt, wenn man bis zum Erbrechen immer wieder dieselben Szenen sieht. Der Dialog, den wir im Casting schon in zig Variationen gesehen haben, wird uns bis zum Schluss des Films begleiten.

Damit macht Sion Sono sein Red Post On Escher Street schon am Anfang zu einer Hommage an Glücksritter, Kult-Regisseure wider Willen die von den Geistern der Vergangenheit verfolgt werden (wortwörtlich), Produzenten mit ganz eigener Agenda und von denen, die in den Film viel Herzblut und glühende Überzeugung investieren. Wenn am Ende alles im Chaos versinkt, macht es Spaß zuzusehen und sich zu fragen, wieviel Sion Sono in Kobayashis andere Filmproduktionen „einfacher“ abliefen und wohin das Ganze noch führt steckt und von wieviel Realität der Film beeinflusst wurde. Eine echte Herkulesaufgabe erscheint das Managen von dermaßen vielen Statisten, die ja Statisten spielen und hier erklärt sich vielleicht auch warum gerade „Escher“. Im Interview zur Nippon Connection gab Sion Sono an, dass Kobayashi halb autobiografisch, halb fiktiv ist.

Red Post On Escher Street (OT: エッシャー通りの赤いポスト „Escher dori no akai posuto“), Japan, 2020, Sion Sono, 147 min, (8/10)

Sternchen-8

It’s A Summer Film!

Irgendwo im Trailer wird It’s A Summer Film! als „nostalgisches Teen-Sci-Fi-Movie“ beschrieben und das ist sehr akkurat. 🙂 Barefoot (Marika Ito) ist ein großer Samurai-Film-Fan und kommt nicht darüber hinweg, dass der Filmclub ihrer Schule dafür gestimmt hat lieber eine Schnulze als ihren Samurai-Film zu drehen. Also macht sie das kurzerhand selber und mit einfacheren Mitteln. Zusammen mit ihren Freundinnen castet Barefoot, verfeinert ihr Drehbuch und macht einfach. Der geheimnisvolle Rintaro (Daichi Kaneko) zeigt außergewöhnlich großes Interesse an dem Film und mit ihm scheint der perfekte Hauptdarsteller gefunden zu sein. Nur eine Sache ist noch nicht klar: wie soll der Film enden?


„It’s A Summer Film! // Trailer“, via NipponConnectionTV (Youtube)

Die Mittel mit denen Barefoot und ihre Filmcrew den „Summer Film“ drehen ist sehr witzig. Da wird mit dem Smartphone gefilmt (das ist ja nicht mal ungewöhnlich) und mit Fahrradlicht die Beleuchtung gemacht (das schon eher). Aber der Ehrgeiz und die Begeisterung zum Film spricht in fast jeder Szene aus allen Beteiligten, die durch das gemeinsame Projekt auch nochmal mehr zusammen geschweißt werden. Besonders schön ist, dass Soshi Matsumoto mit dem Film Geschlechterklischees aufspaltet und zeigt, dass nicht jede Frau oder jedes Mädchen Romantikkomödien mag. Allerdings ohne den nackten, erhobenen Zeigefinger, denn schließlich gibt es auch gute Romantikkomödien und wer will schon in einem Film über die Liebe zum Film irgendwas ausklammern oder als minderwertig brandmarken!?

Was es in dem Detailreichtum vielleicht nicht mal gebraucht hätte ist der Sci-Fi-Aspekt, der v.A. auch durch die Clique und den Nostalgie-Faktor an Das Mädchen, das durch die Zeit sprang erinnert. Auch wenn das gern etwas kurzer und damit mysteriöser und wenig unfreiwillig komisch gehalten werden könnte, adressiert der Film eine spannende Frage. Bei all den Medien, die uns umgeben, bei all der Auswahl an Filmen auf Streamingplattformen, wie furchtbar wäre es, wenn wir irgendwann keine Zeit mehr für Langspielfilme hätten? Vielleicht sind die jetzt deswegen alle über 2 Stunden lang … 😉 It’s A Summer Film! ist allerdings eine sehr kurzweilige, feelgood-lastige Ausnahmeerscheinung.

It’s A Summer Film! (OT: サマーフィルムにのって „Sama firumu ni notte“), Japan, 2020, Soshi Matsumoto, 97 min, (8/10)

Sternchen-8

Habt ihr die beiden Filme zufällig auch auf der „Nippon Connection 2021“ gesehen? Wie haben sie euch gefallen? Bei beiden habe ich mich an Extro erinnert gefühlt, den ich auf der (digitalen) Nippon Connection 2020 sah und der auf sehr witzige Weise episodenhaft das Statisten-Leben einfängt. Mensch, ich würd ja auch gern mal das Statistenleben atmen, ein Mal, nur ein Mal. 🙂 Wart ihr schon mal Statist*in beim Film?

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